„Vereinbaren“ – eine familienpolitische Lüge

Headerbild Junge Eltern

 

von Gertrud Martin in der fh 2/2021

Seit schon allzu langer Zeit propagiert die Familienpolitik unter dem wohlklingenden Motto „Vereinbaren von Familie und Beruf“ ein Konzept, das verschiedene Lebensentwürfe von Familien in Einklang bringen soll, die aus Sicht der betroffenen Eltern jedoch in Anbetracht der einfachen Tatsache, dass jeder Mensch nur an einem Ort gleichzeitig präsent sein kann, nicht vereinbar sind. Der ideologisch aufbereitete Boden, auf dem das Konzept gewachsen ist, erweist sich bei näherer Prüfung als vielschichtig. Da geht es angeblich um die Gleichberechtigung von Frauen und Männern, die dadurch erreicht werden soll, dass beide in Vollerwerbstätigkeit ihr eigenes Einkommen samt zugehörigem Rentenanspruch erarbeiten. Freilich sind dabei die Defizite, die Eltern in Kauf zu nehmen haben, wenn sie „gleichzeitig“ für ihre Kinder da sein wollen, ein großer Schönheitsfehler. Das trifft naturgegeben (Biologismus! Pfui!) in erster Linie die Frauen, die dummerweise noch immer die Kinder gebären und säugen und deren wichtigste erste Bezugsperson sind. Mit der angesagten „Emanzipation der Frau“ gilt dieses fremdbestimmte Angebundensein als nicht vereinbar. Deshalb sollen – sobald als irgend möglich – die Väter „gleichberechtigt“ in die Familienarbeit einsteigen. Nachdem es sich hier aber um „unbezahlte Arbeit“ handelt, ist es schwierig, die Männer zu diesem Wechsel zu überreden!

Die sehr langsam aber doch steigenden Prozentanteile lösen im Familienministerium Jubel aus, jedoch beileibe nicht die Erkenntnis, dass es in unserer Zeit unmöglich ist, welche Arbeit auch immer unentgeltlich einzufordern. Nach dem Gesetz der Freien Marktwirtschaft von der Nachfrage, die das Angebot regelt, gilt eine unbezahlte Arbeit als nicht nachgefragt und verschwindet vom Markt. Die Zukunft der familiären Kindererziehung und -betreuung ist also vorprogrammiert.

Um dieser Entwicklung gegenzusteuern, wurde nicht etwa ein steuer- und sozialabgabepflichtiges Familiengehalt eingeführt, das die unbezahlte Familienarbeit aus der Konkurrenz mit der bezahlten Erwerbsarbeit befreit und sie dieser gleichstellen würde. Nein, es wurde das „Vereinbaren“ erfunden, dessen Hauptwirkstoff der milliardenschwere Ausbau des öffentlichen Betreuungsangebots ist, in der Tendenz gedacht als Vollzeitbetreuung ab Geburt, passend zur Vollzeiterwerbstätigkeit beider Eltern. Unschwer lässt sich jedoch erkennen, dass hier de facto nichts vereinbart, sondern die Familie „out- gesourct“ wird. Welche Eltern haben nach einem vollen Arbeitstag noch Motivation und Kraft für erzieherische Standfestigkeit in der Auseinandersetzung mit ihren Kindern? Dieses Konzept kennt keine Rücksicht! Weder auf unser Grundgesetz, das den besonderen Schutz der Familie und die primäre Entscheidungsbefugnis der Eltern in der Ausgestaltung der Erziehung festschreibt, noch auf die dringenden Ermahnungen der Bindungsforscher, die nicht müde werden, die stabile Bindung des Kleinstkindes an seine Herkunftsfamilie als entscheidende Voraussetzung für dessen spätere Bildungsfähigkeit und lebenslange psychische Gesundheit herauszustellen. Die Folgekosten der Missachtung dieser Erkenntnisse sind nicht abschätzbar. Sie werden ohnehin erst evident, wenn die heute politisch Verantwortlichen längst ihre satten Ruhegelder beziehen, die durch die nachwachsende Generation erwirtschaftet werden müssen. Offen bleibt die Frage, ob diese Generation zahlenmäßig genügt und sowohl hinreichend leistungswillig als auch -fähig sein wird, um den Anspruch zu erfüllen.

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