Liebe junge Eltern, liebe alle anderen, an Familienpolitik Interessierte,
nochmal an den Anfang dieses Briefes setzen wir unsere herzlichen Glück-Wünsche für das Gedeihen Ihres „Kleinunternehmens Familie“. Nicht nur angesichts der vielen „Miterzieher“ und Verwöhnfallen erfordert dieses Unternehmen mehr noch als in früheren Zeiten Kraft, Durchhaltevermögen und Verantwortungsbewusstsein.
Meist erst einige Monate nach der Geburt eines Kindes wird es den Eltern so richtig klar, wie sehr ihr Alltag sich verändert. Aber nicht nur der Tagesrhythmus, sondern auch die Gefühle und Einstellungen zu einem Leben mit Kind, ändern sich in meist unerwarteter Weise: Da ist jemand, der Zeit und unbedingte Zuwendung braucht und damit oft die Idee einer baldigen Rückkehr beider Eltern in die Erwerbsarbeit sehr in Frage stellt. Eine Zwickmühle tut sich auf.
Selbstverständlich war für Sie die Geburt Ihres Kindes eine völlig private Angelegenheit. Allerdings ist sie sehr wohl auch ein Politikum, weil der Staat – angesichts der Halbierung der Geburtenrate in den vergangenen 50 Jahren – ein großes Interesse daran haben sollte, dass (mehr) Kinder geboren werden. Viel wichtiger aber ist, dass er lt. Grundgesetz Art 6.1 verpflichtet ist, darauf zu achten, 1) dass Eltern und Kinder innerhalb der Gesellschaft nicht benachteiligt werden und 2) dass „Pflege und Erziehung der Kinder das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst IHNEN obliegende Pflicht sind“ (GG Art 6.2). Das heißt, dass der Staat keinen Einfluss auf die freie Entscheidung der Eltern nehmen darf, zu bestimmen, wie und durch wen die Kinder erzogen und betreut werden sollen.
Es lohnt sich, auf dieser Grundlage einen kritischen Blick auf die Rahmenbedingungen zu werfen, die die Politik für das Gelingen von Familie bereitstellt:
- Mit dem Anspruch Eltern zu „helfen“ steht die aktuelle Familienpolitik unter dem Motto der „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“. Seit dem 01.08.2013 gibt es den Rechtsanspruch aller U3-Kinder auf eine Krippenbetreuung. In der Praxis bedeutet das: Eltern sollen möglichst ohne Einschränkung durch ihre Verantwortlichkeit für Kinder erwerbstätig sein können. Für dieses Ziel wurden und werden die Angebote der Fremdbetreuung der Kinder massiv ausgebaut und Anreize geschaffen, dass Eltern diese Angebote auch gerne annehmen: Ca. 1000 € /Monat investiert der Staat in einen Krippenplatz. Das ist eine Zuwendung, die den Eltern, die ihr Kleinstkind aus Überzeugung nicht in fremde Hände geben wollen, versagt bleibt. (Vergleiche GG Art. 6.2!). Der Nebeneffekt, dass durch diese „Hilfe“ Eltern zunehmend beide möglichst in Vollzeit, Löhne senkend und Renditen steigernd auf den Arbeitsmarkt drängen, steht auf einem anderen Blatt. Ebenso die Frage nach dem Kindeswohl. Stattdessen gibt es zunehmend Angebote der Rund-um-die-Uhr-Betreuung, um den Eltern auch Schichtarbeit zu ermöglichen.
- Als weitere familienpolitische Wohltat verdient das Elterngeldgesetz (seit 2007 in Kraft) unsere Aufmerksamkeit:
Das Elterngeld ersetzt für die Dauer von 12 bzw. 14 Monaten 65 Prozent des im Jahr vor der Geburt verdienten Erwerbslohns, maximal 1800 € /Monat. Eltern, die vor der Geburt des Kindes nicht erwerbstätig waren, weil sie noch in Ausbildung standen oder weil sie schon ein oder mehrere eigene Kinder zuhause betreuten, bekommen aber lediglich den Mindestsatz von 300 €. Das ist unterm Strich ca. die Hälfte dessen was früher als zweijähriges Erziehungsgeld allen Eltern gleichermaßen zustand. Als Lohnersatz hat das Elterngeld eine dem Kranken- oder Arbeitslosengeld vergleichbare Funktion. Die Betreuung eines Neugeborenen hat aber nichts mit Krankheit, geschweige denn mit Arbeitslosigkeit zu tun! Diese Assoziation zu wecken, ist schlicht eine Demonstration der Missachtung der elterlichen Erziehungsleistung! Das Elterngeldgesetz verletzt außerdem das Sozialstaatsgebot, indem es Eltern, die vor der Geburt des Kindes ohnehin wirtschaftlich gut situiert sind, den größten Zuschuss zuspricht, den ärmeren aber, die am meisten darauf angewiesen sind, die Brosamen.
- Mit einem prüfenden Blick auf unser geltendes Rentenrecht schließt sich der Kreis einer kinder- und elternfeindlichen sogenannten Familienpolitik:
Das 1957 von Adenauer eingeführte Rentenrecht entkoppelte den Anspruch auf Alterssicherung von der Bedingung, eigenen Nachwuchs aufzuziehen (natürlicher Generationenvertrag) und band ihn fast ausschließlich an die Erwerbstätigkeit: Je intensiver jemand sich der Erwerbsarbeit widmet, desto höher ist der Rentenanspruch. Der Zeitaufwand für das Aufziehen von Kindern mindert in der Regel diesen Anspruch; zugleich ist diese Leistung aber die entscheidende Grundlage dafür, dass die Zahlung von Renten in der nächsten Generation überhaupt erst möglich wird. Diese Leistung – meist von den Müttern erbracht – wird mit einem erbittert umstrittenen Almosen, genannt „Mütterrente“, abgefunden. Anstatt nun in der Sache Abhilfe zu schaffen, warnt die Familienministerin die Frauen regelmäßig vor der drohenden Altersarmut, die eben dadurch entsteht, dass die Mütter zu viel Zeit für Kinder investieren, anstatt erwerbstätig zu sein (vergesellschafteter Generationenvertrag).
Diese staatliche Ausbeutung und Gängelung von Eltern bewirken, dass
- per Elterngeldgesetz ein verschieden hoher Betrag („Lohnersatz“) gezahlt wird, anstatt z.B. eines für alle Eltern gleich hohen Lohnes für ihre Erziehungsleistung auf drei Jahre
- die Fremdbetreuung massiv subventioniert ist und gleichzeitig die selbst betreuenden Eltern leer ausgehen
- am Rentenrecht ständig geflickschustert wird ohne den Hauptfehler, nämlich die ausschließliche Koppelung eines Rentenanspruchs an Erwerbstätigkeit bei gleichzeitiger Missachtung der elterlichen Erziehungsarbeit, zu korrigieren
Die beschriebenen Rahmenbedingungen und nachweislich besonders die zeitliche Begrenzung des Lohnersatzes, alias „Eltern“geld, auf ein Jahr, haben in der Praxis dazu geführt, dass immer mehr Eltern schon nach Ablauf dieser Frist ihr Kind in die Krippe geben.
Folgende Begründungen werden genannt:
- Kein Elternteil möchte – möglicherweise nach einer anspruchsvollen Ausbildung – den Anschluss verlieren an die Erwerbsarbeit.
- Die Frauen möchten nicht auf ein eigenes Einkommen und den damit verbundenen Anspruch, emanzipiert zu sein, verzichten.
- Auch wenn – wie häufig gefordert – die Väter sich mehr in die Familienarbeit einbringen, ändert das nichts daran, dass die Bedingungen der Null-Honorierung unzumutbar sind.
- Die Familie kommt mit nur einem Erwerbseinkommen nicht über die Runden.
- Dem Kind sollen soziale Kontakte zu anderen Kindern ermöglicht werden.
- Dem Kind sollen die „frühkindlichen Bildungsangebote“, die die Krippe (angeblich) bietet, nicht vorenthalten werden.
Dagegen stehen folgende Fragen:
- Wie geht es meinem Kind mit der frühen Trennung von seiner festen Bezugsperson? Kann das oft wechselnde Kita-Personal dafür überhaupt Ersatz bieten?
- Wie emanzipiert sind Frauen wirklich, die glauben, Frauenrechte könnten ohne die Gleichberechtigung auch der Mütter verwirklicht werden? Warum wird nicht verstanden, dass dank des Gender-Mainstreaming die Gleichstellung der Frauen in der traditionell männlichen Lebenswirklichkeit zwar ein Teilerfolg ist, dass diese Ideologie aber gleichzeitig den Fortbestand der Frauendiskriminierung in neuer Form zementiert, indem sie den Müttern die Gleichberechtigung verweigert?
- Warum behandelt der Staat Eltern so ungleich, indem er nur Fremdbetreuung subventioniert?
- Wäre es nicht besser, das zeitlich ausreichende Miteinander innerhalb der Familie zu stärken anstatt nur Ersatzlösungen zu bieten? Ab welchem Alter entsprechen Kontakte über die eigene Familie hinaus überhaupt der kindlichen Entwicklung? Sollte die Beantwortung dieser Frage nicht den Eltern überlassen bleiben? Sollte nicht besonders in den ersten drei Jahren Rücksicht darauf genommen werden, dass Kinder sehr verschieden sind in ihrer Mentalität und Frustrationstoleranz, und dass sie deshalb eine individuelle Ansprache brauchen?
- Warum werden die Erkenntnisse und Mahnungen der Wissenschaft, die sich mit der kindlichen Gehirnentwicklung befasst, in den Wind geschlagen? Sie besagen, dass kindliches Neugierverhalten und „Bildung“ nur möglich werden auf der Grundlage einer emotionalen „Bindung“ an eine feste Bezugsperson. Bei allen Versuchen, seine Umwelt zu „erforschen“, braucht das Kind „Urvertrauen“, um sich sicher darauf verlassen zu können: da ist im Ernstfall jemand, der mich vor Gefahren, die ich noch nicht kenne, beschützt und mich bei Misserfolgen tröstet und ermutigt.
Der Verband Familienarbeit e.V. (früher Deutsche Hausfrauengewerkschaft e.V.) bemüht sich seit fast 40 Jahren darum, die Familienpolitik dazu zu bewegen, alle Eltern gleichberechtigt zu behandeln: Nicht nur das Abgeben der Verantwortung für die Kinder (Outsourcing der Familie) ist staatlich zu fördern! Auch die selbstbetreuenden Eltern haben Anspruch auf Gerechtigkeit. Die Familienpolitik muss den Fokus auf die Belange der Familie setzen, anstatt sich immer stärker zum Handlanger einer Wirtschaftspolitik zu machen, die gerne die Arbeitskraft beider Eltern (lohnsenkend!) verfügbar halten möchte.