Seelenprügel – Eine Buchbesprechung

Beitragsbild: Buchbesprechun

 

Text von Dr. med. Hans Sachs aus der fh 1/2020

Buch: „Seelenprügel – Was Kindern in Kitas wirklich passiert und was wir dagegen tun können“

Das Buch ist ein Appell! Und was für einer! Frau Ballmann sagt: es ist höchste Zeit, dass wir endlich alle genauer hinschauen und ein generelles Umdenken der Eltern, der Erzieherinnen und Verantwortlichen in den Krippen und Kitas von der Politik einfordern. Den schutzbefohlenen Kleinstkindern wird in diesen Institutionen täglich seelische Gewalt angetan, obwohl Artikel 19 der UN-Kinderrechtskonvention den Kindern eine von körperlicher und seelischer Gewalt freie Erziehung garantiert ist. Vgl. dazu § 1631 BGB.

Woher nimmt die Autorin Ballmann ihre Kompetenz? Sie gesteht zunächst, sie sei selbst seelisch misshandelt worden in eigener Erziehung und sie wisse, wie es sich anfühle, oft ohne Grund gedemütigt und erniedrigt zu werden, einfach, weil man so ist wie man ist. Heute ist Frau Ballmann promovierte Pädagogin, führt ein eigenes Institut für kindgerechte Pädagogik, worin sie Fortbildungen für Erzieherinnen anbietet. Sie hat 10 Jahre in Kitas direkt mit Kindern gearbeitet und dabei gesehen, welche haarsträubenden Szenen sich zwischen Betreuerinnen und Kindern abgespielt haben – täglich!

Dieses Thema schreie nach Aufklärung, nach Abbruch der Schweigemauer und danach, die tabuisierte Gewalt an den Kleinstkindern an die Oberfläche zu holen. Sie liefert dabei emotional aufwühlende Beispiele, die wütend machen. Sie beklagt einmal die menschliche Unreife der Betreuerinnen in Krippen und Kitas, die zwanghafte eigenerfahrene Traumatisierungen an den Kindern abreagieren und wiederholen. Zum anderen weist sie nach, grundlegende Kenntnisse der Säuglingsforschung (der kompetente Säugling), der Bindungsforschung, der Traumatologie würden in der Ausbildung der Betreuerinnen nicht ausreichend genug gelehrt.

Der Skandal ist noch viel größer: es gibt keine bundesweit vorgeschriebene Ausbildung für Erzieherinnen in Krippen (!) also gerade für die Kinder mit der sensibelsten Phase prägender mitmenschlicher Einflüsse. D.h. jede, die vor Urzeiten einmal den Beruf der Kindergärtnerin erlernt hat, darf in Krippen arbeiten. Normal sei, das Kleinstkind erlebe in den Krippen und Kitas immer wieder eben nicht, ich bin richtig, darf sein, bin wertvoll, sondern erlebe Willkür, Zwang, Unzuverlässigkeit, Lieblosigkeit. Hinzu käme noch ein geradezu unverantwortbarer Schlüssel Betreuer zu Kindern, das weit vom Ideal 1:1 bzw. 1:2-3 entfernt sei, vielmehr betrage es in vielen Bundesländern für Kinder unter drei Jahren Lebensalter 1 Erzieherin auf 4-6 ja, bis zu 15 Kindern.

Das Buch ist von der Programmchefin des Kösel Verlages sehr gut gefördert worden – wie seine Ausstattung und das sorgfältig gestaltete Literaturverzeichnis ausweist – und hatte in der Lektorin Frau Paitl eine emotional und stilistisch großartige Begleitung, die seinen Erfolg sichert. Die alltägliche Gewalt in Kindertagesstätten, Seelenprügel benannt, legt offen, wie Kleinstkinder vor anderen bloßgestellt, angeschrien, traumatisiert werden – täglich, und die Eltern wähnen sie in der Sicherheit einer gut behütenden Institution für ihr Liebstes.

Das sog. Gute-Kita-Gesetz der Politik beseitigt diese unvorstellbaren Mängel natürlich nicht, sondern stellt noch mehr Geld für die Massenneurotisierung der Kleinstkinder zur Verfügung. Auch beim Thema Rauchen wurde die Öffentlichkeit jahrelang von Desinformationszentren der Wirtschaft getäuscht, bis die abstoßenden medizinischen Schäden dieses Genussgiftes durch fortlaufende Aufklärung das Rauchverbot erzwangen. Noch sind es zaghafte Initiativen, die Kinderkrippen für Kinder unter drei Jahren wieder abschaffen wollen bzw. nur als Notlösung betrachten, wie z.B. in der Pressemeldung „Zum Tag des Kindes“ vom 30.05.2018 des Verbandes Familienarbeit e.V. oder in der sog. Halle’schen Erklärung der Stiftung Beziehungskultur des Psychoanalytikers und Nervenarztes H.-Joachim Maaz (23.11.2019). Beide sorgen sich um die Zukunft unserer Kinder!

Inzwischen ist das Thema auch in DIE ZEIT Nr. 48 vom 21.11.2019 angekommen. Unter dem Titel „Mama!“ – so überschrieben, Seite 11 – erklärt der Autor Löbbert, warum er seinen Sohn aus der Krippe wieder herausgenommen hat und unter „Immer auf die Kleinen“ Seite 40-41 folgt eine kritische Recherche zu Kitas.

Frau Ballmanns Aufruf gilt: wir müssen alle endlich genauer hinschauen, was in Krippen und Kitas täglich geschieht und ein generelles Umdenken bei den Verantwortlichen in der Politik, den Eltern und Erzieherinnen, auch den Lehrern einfordern.

Und zwar nicht irgendwann, sondern JETZT.

 

von Prof. Dr. med. Hans Sachs, Frauenarzt, Psychotherapeut i.R., 23568 Lübeck, Bugenhagenstraße 14. www.professorsachs.de

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