Leute machen Kleider

Beitragsbild: Buchbesprechun
Imke Müller-Hellmann: 
„Leute machen Kleider – Eine Reise durch die globale Textilindustrie“
Osburg Verlag, 2017 | 284 Seiten, 20,- Euro | ISBN 9783955101411

„Was wäre, wenn aus dem Schrank die Menschen klettern würden, die die Kleider hergestellt haben?“ Um diese Menschen kennenzulernen, reist die Autorin zu den Herstellungsstätten ihrer Lieblingskleidung und trifft Verantwortliche in der ganzen Welt. Wie global vernetzt die Textilindustrie arbeitet, erfährt die Autorin durch ihre unermüdlichen Recherchen und hartnäckigen Anfragen per Mail und Telefon.

Bei der Führung durch die Fabrik, in der ihre Unterhose hergestellt wurde, kommt sie in einen Raum mit über 100 Strickmaschinen, der die ganze Etage ausfüllt. Die Strickmaschinen sind rund, haben auf knapp über Kopfhöhe 30 bis 80 Garnrollen montiert, die wie ein großer, mehrschichtiger Heiligenschein über den Kreis der 2000 Nadeln gespannt sind.

Mit dem Besitzer einer Textilfirma in Hongkong und seiner chinesischen Frau verabredet sie sich in Kronberg am Taunus. Die Autorin ist mit dem Schlafsack unterwegs, weil sie bei einer Freundin übernachten will. Aber als sie merkt, dass der Treffpunkt ein Luxushotel ist, möchte sie den Schlafsack lieber nicht mit hineinnehmen und versteckt ihn kurzerhand in einem Rhododendrongebüsch auf dem dazugehörigen Golfplatz. Das Gespräch mit den beiden dauert lange und so muss sie ihren Schlafsack mitten in der Nacht im Stockdunkeln wieder dort herausholen. Als sie die Firma in China besucht, in der ihre Jacke hergestellt wurde, 10.000 km von zu Hause entfernt, begegnet ihr ungläubiges Staunen: „ein Manager schlägt sich lachend auf den Oberschenkel, zündet kopfschüttelnd eine Zigarette an.“ Aber sie wird nicht eingelassen, wie übrigens in einigen anderen Firmen auch. An der Pforte kann sie nur mit einer Managerin sprechen, die zuerst misstrauisch abblockt, aber dann doch ein paar Fragen beantwortet.

In Hanoi trifft sie den deutschen Chef einer Textilfirma. Übernachten kann sie für eine Woche bei zwei Frauen, Mutter und Tochter, im 19. Stock eines Hochhauses. Die beiden bieten das Zimmer der Tochter über eine Internetplattform an und der Ausblick von hier oben ist gigantisch. „Tagsüber die Baumwipfel der Straßen wie grüne Schneisen zwischen den Häuserminiatu- ren und nachts das unter einem diesigen Himmel liegende, in Verkehrsrauschen und Hupen getauchte großstädtische Lichtermeer.“

Auch wenn sie nicht überall willkommen ist, kann sie doch an manchen Orten Einblicke in die Arbeitsabläufe bekommen. Einige der SpinnerInnen, NäherInnen und TextilveredlerInnen lernt sie persönlich kennen und befragt sie über ihre Arbeit, Freizeit, Wünsche und Träume. Die sehr persönlichen Beschreibungen der Autorin über die fremdländischen Kulturen und Lebens- weisen bereichern das Buch zusätzlich.

Monika Kuhn

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