Kindererziehung ist Arbeit und Arbeit ist Geld wert

Ausgabe 1/2002

Als Mutter und Vater arbeiten Sie in der wichtigsten Zukunftsbranche unserer Wirtschaft: Sie investieren Ihre Zeit und Ihr Geld in die Erziehung und Förderung Ihrer Kinder. Sie arbeiten für…
den Nachwuchs unserer Gesellschaft und damit für das "Humankapital" der ganzen Nation. Diese unverzichtbare und verantwortungsvolle Arbeit leisten Sie ehrenamtlich.

Sie erhalten keinen Lohn und nur einen minimalen Ausgleich in der Rente.
Diese Erkenntnis ist offensichtlich nicht ohne Folgen geblieben.

Wir verzeichnen eine erschreckend sinkende Geburtenrate. Sie hat inzwischen alle Politikerinnen und Politiker auf den Plan gerufen, denn eine Gesellschaft braucht Nachwuchs, will sie im sozialen, wirtschaftlichen und politischen Gefüge überleben. Das Schlagwort vom "Humankapital" fasst die Funktionen der Kinder in und für die Gesellschaft gut zusammen.
Kinder sind also wichtig für alle, aber sie müssen auch erzogen werden – und das ist Arbeit.
Wo immer Defizite in der Erziehung auftauchen, gibt esÄrger, Aggression, Stress, Defizite im menschlichen Miteinander. Es entstehen erhebliche Folgekosten verschiedenster Art für die Gesellschaft.

Von den Kindern, die, wie von der Gesellschaft erwartet und von ihren Eltern erhofft, nach jahrelanger kostenintensiver Ausbildung ihren Part in der Gesellschaft übernehmen und ins Räderwerk der Wirtschaft einfädeln, profitiert eben jene Gessellschaft. Nicht aber deren Eltern! Vor allem nicht die Mütter, die Erziehung und Familienarbeit als einen Teil ihrer Lebensarbeit unbezahlt "geschafft" haben.

Dass die Leistung "Erziehung" sich nicht irgendwie von selbst einstellt, wird in der derzeitigen familienpolitischen Diskussion deutlich: Erziehung, zumindest das Aufbewahren der Kinder, soll laut dem Willen aller Parteien (alleine die ödp macht hier eine rühmliche Ausnahme) "outgesourct" werden, damit – wegen der abknickenden Geburtenkurve – auch die Mütter dem bezahlten Erwerbsarbeitsmarkt zur Verfügung stehen.

Nicht danach gefragt wird, wer die Einrichtungen (Gebäude und Personal)
bezahlt, in denen demnächst alle Kinder von null bis 18 abgegeben werden können?
Spätestens an dieser Stelle wird deutlich, dass "Kinder-hüten" und erst recht das eigentlich notwendige "Erziehen" von Kindern Geld/ Zeit/ Kraft kosten.
Arbeit also, die bislang zu großen Teilen von den Eltern geleistet wird, aber ohne Bezahlung. Und oft wird sie als Arbeit nicht einmal ernst genommen. Sie soll nun institutionell geleistet werden und damit muss sie dann natürlich auch entsprechend bezahlt werden.

Dennoch haben viele Mütter/Väter bislang die zahlreichen Nachteile dieses unbezahlten Jobs auf sich genommen, weil ihre Kinder und die Pflege des Familienlebens es ihnen wert waren.
Das Gleiche gilt für die Pflege und den Zusammenhalt einer Familie. Das braucht gerade heute in unserer mobilen, aktiven und schnellen Zeit besonders viel Kraft und Organisationsgeschick. Diese Aufgabe wird übrigens um so umfangreicher und anstrengender, je größer eine Familie ist, also, je mehr Kinder da sind.

Will man das Problem der sinkenden Geburtenrate allerdings mit der derzeitals alleiniges Allheilmittel geltenden sog. "Vereinbarkeit von Familie und Beruf" lösen, befindet man sich auf dem Holzweg.
Mit dem Leitbild von der Vereinbarkeit fördert man Einkindfamilien, vielleicht noch ein paar ganz wenige nervenstarke Mütter/Väter, die beides, Erwerbsarbeit und Mehrkindfamilie, miteinander vereinbaren können.
Denn auch diese Erkenntnis setzt sich langsam durch: Der ursprüngliche Kinderwunsch vieler befragter junger Leute von zwei bis drei Kindern reduziert sich vor allem deshalb auf null bis maximal ein Kind, weil nicht nur die finanziellen Nachteile offensichtlich sind.
Vielmehr fühlen sich die Eltern überlastet und teilweise überfordert mit der Arbeit und mit der psychischen Verantwortung und dem Stress, die ein Kind bedeuten, und zwar nicht im geregelten Achtstunden-Tag mit freiem Wochenende und Urlaubsanspruch, sondern 24 Stunden ohne freie Tage über viele Jahre hinweg!
Der Stress, der auch die Partnerschaft oft nicht unbehelligt lässt, ist offensichtlich so groß, dass mehr als ursprünglich gewünscht, Kinder Einzelkinder bleiben.
Die Familien, die zwei oder mehr Kinder haben, brauchen einen Elternteil, um die anfallende Familienarbeit zu erledigen, ihre Kinder gewissenhaft zu betreuen und zu erziehen, auf jeden Fall, um den Stress übersichtlich zu halten.
Für sie stellt sich die Frage nach Vereinbarkeit nicht, solange ihre Kinder klein sind und sie in Kindergarten und/oder Schule gehen. Denn gerade Schulkinder, besonders die älteren, pubertierenden, kosten in der heutigen Zeit der unzähligen heimlichen "Miterzieher" viel Zeit und Kraft, wie die betroffenen Eltern sofort bestätigen werden.
Alle diese Eltern, die die ihnen vom Art. 6 GG zugewiesenen Verantwortung einer individuellen und damit eine pluralistische Gesellschaft stützende Kindererziehung gerne selbst übernehmen, wollen der vordergründigen Parole der "Vereinbarkeit von Familie und Beruf" so nicht folgen.
Sie fühlen sich absolut benachteiligt, wenn künftige Familienpolitik nur die kleinen
Familien bzw. die Eltern subventioniert, die sich schnell nach der Geburt eines Kindes wieder in den Erwerbsberuf begeben und ihr Kind auf Staatskosten betreuen lassen. Die Familien, die mehr Kinder haben, so dass die Vereinbarkeit überhaupt nichtmöglich ist, gehen leer aus: keine Inanspruchnahme staatlich subventionierter Krippen, Ganztagsschulen, Horte und dafür
kein zweites Einkommen, das Ganze noch für eine überdurchschnittlich große Fami lie!

Deshalb werden alle diese Eltern in zunehmendem Maße ungeduldig und ungehalten, wenn die "Vereinbarkeit von Familie und Beruf" die einzige Antwort der Politiker-
innen und Politiker auf die drängenden Fragen der Familien- und Bevölkerungspolitik
bleibt.
Alle die Eltern, die ihr(e) Kind(er) selbst erziehen möchten, wollen vom Staat die gleiche Anerkennung und finanzielle Förderung haben wie diejenigen, die ihr Kind einer wie und von wem auch immer organisierten Fremdbetreuung anvertrauen.

Dies lässt sich am überzeugendsten lösen mit der Forderung der dhg nach einem "Gehalt für Familienarbeit":
Alle, die Kind(er) haben, bekommen es und können damit wirklich frei und ohne finanzielle Benachteiligung entscheiden, ob sie dies als Lohn für die von ihnen geleistete Familienarbeit behalten, oder ob sie dieses Geld nehmen, an eine selbst gewählte Person oder Institution für die Betreuung weitergeben, um selbst einer anderen bezahlten Arbeit nachzugehen.

Das Gehalt ist steuer- und sozialabgabepflichtig. Damit werden eine Menge der fehlerhaften Strukturen der heutigen Sozialpolitik beseitigt, z. B. die massive Benachteiligung all derjenigen im Rentenrecht, die ohne nennenswerten eigenen Rentenanspruch die Rentenzahler der Zukunft erzogen haben.

Ist dieses Gehalt für Familienarbeit erst einmal mit einer Anschubfinanzierung eingeführt, finanziert es sich in weiten Teilen selbst.
Die dhg ruft deshalb in diesem Jahr zu einer bundesweiten Unterschriftenaktion auf
Diese Aktion verfolgt mehrere Ziele:
Die dhg und ihre Forderung nach einem Gehalt für Familienarbeit muss bundesweit wieder ins Bewusstsein gerückt werden.
Wir möchten denen den Rücken stärken und sie für unsere Vorstellungen mobilisieren, die genau so denken, sich aber bislang mit ihren Vorstellungen zur gerechten Bewertung der Familienarbeit alleine fühlten.
Diese Unterschriften werden allen Parteien und den zuständigen Regierungsstellen in Berlin zugesandt, um unseren Forderungen den entsprechenden Nachdruck zu verleihen.
Die Aktion ist eine gute Gelegenheit auf uns und unsere Ziele aufmerksam zu machen.
Auf der Jahreshauptversammlung in Hil-
desheim im September 2001 wurde deshalb einem Antrag aus Bayern zugestimmt. Danach sollen ab kommendem Frühjahr alle Ortsverbände, Kontaktfrauen und Mitglieder eine entsprechende Aktion einleiten.
Eine solche Aktion macht viel Spaß: man hat das Ohr am Puls der Zeit und merkt, wie viele Menschen die Forderungen der dhg aus vollem Herzen unterstützen.
Eine Unterschriftenaktion in einem Ein-
kaufsmarkt nahe Regensburg erbrachte an zwei Vormittagen 200 Unterschriften. Von den angesprochenen Eltern kam sehr viel Zuspruch und Unterstützung. Vor allem junge Mütter fragten nach Vorträgen über die Arbeit der dhg.
Alle dhg-Mitglieder, die sich an der Aktion beteiligen wollen, können sich zwecks Information an Annette Erös* wenden. Sie wird auch die Unterschriftenlisten einsammeln und weiterleiten.
Unseren Mitgliedern geht mit dieser Aus-
gabe bereits eine Unterschriftenlisten zu, weitere Exemplare können angefordert werden bei: Edith Brenner*, Materialstelle.
*Adressen s. Seite 9 und 10