Ist Familienarbeit emanzipatorisch?

Wider die geschlechtsspezifische Arbeitsbewertung

"Emanzipation"
Was heißt das eigentlich? In der ursprünglichen Bedeutung, im römischen Recht, war damit gemeint: die Entlassung eines Familienmitgliedes aus der hausherrlichen Gewalt.
Allgemein verstehen wir heute darunter,…
die Befreiung aus Abhängigkeit von benachteiligten Bevölkerungsgruppen in einer Gesellschaft (Juden, Arbeiter und ganz zum Schluss die Frauen).
Hier soll es jetzt um die Befreiung der Frau gehen. Also um ihre rechtliche, politische, wirtschaftliche, soziale Unabhängigkeit. Dazu gehört, laut "Philosophischem Wörterbuch"

– und dies ist bislang gängige öffentliche Meinung – u.a. die

– "besondere Unterstützung der Frauen hinsichtlich Bildung und Qualifizierung

– Einbeziehung der Frauen in das gesellschaftliche Leben und

– die Befreiung der Frau von der Bürde der Hauswirtschaft".

Emanzipation für eine Kinder erziehende und den Haushalt führende Frau war und wäre demnach also völlig ausgeschlossen. Oder andersherum: Nur über Erwerbsarbeit ist angeblich für die Frau ein nicht-bevormundetes Leben möglich. Allerdings wird auch einer Kinder erziehenden oder den Haushalt führenden Frau Emanzipation zugestanden; es dürfen nur nicht die eigenen Kinder samt eigenem Haushalt sein. Eine emanzipierte Haus- oder Familienfrau – ein Widerspruch in sich also?

Betrachten wir die Erwerbsarbeit von Frauen näher: Wie sieht es denn mit ihrer Nicht-Abhängigkeit aus?

Von den 27,2 Millionen Frauen im erwerbsfähigen Alter (zw. 15 und 64 J.) in Gesamt-Deutschland sind 15 Mill. tatsächlich erwerbstätig; das sind 55,2 %. über die Hälfte dieser erwerbstätigen Frauen (53,2%) hat keine Kinder zu versorgen. Vollzeit erwerbstätig sind 9,5 Mill. (34,7%), teilzweit erwerbstätig 5,6 Mill. (20,4 %) Frauen (1995). 12,2 Millionen Frauen sind demnach nicht erwerbstätig. Näheres dazu beim Kapitel Familienhausarbeit.

1. Es ist davon auszugehen, dass nur Vollerwerbstätige ausschließlich vom eigenen Einkommen leben können; also allerhöchstens ein Drittel der verdienenden Frauen. Und sogar das ist fraglich, denn wiederum fast ein Drittel der vollerwerbstätigen Frauen erhalten einen Lohn, der nicht einmal 50 Prozent des durchschnittlichen Einkommens aller Vollerwerbstätigen beträgt (1990 waren das in der Bundesrepublik annähernd zwei Millionen Frauen).

2. Die große Masse der erwerbstätigen Frauen ist demnach vom Partner finanziell abhängig.

Trotzdem ist natürlich nicht zu verkennen:
diese Frauen

– bekommen Anerkennung für einen Teil ihrer Arbeit in Form von Geld, über das sie selbst verfügen können

– können bei zerrütteter Ehe, bei Misshandlungen durch den Ehemann, leichter eine Scheidung erwägen

– stehen im Alter finanziell besser da, als wenn sie längere Zeit familientätig gewesen wären.
Außerdem

– werden diese Frauen als arbeitende Menschen anerkannt und

– es wird ihnen über die außerhäusliche Arbeit ein eigener sozialer Status zuerkannt.

Und dies alles ganz unabhängig davon, was sie für eine Tätigkeit ausüben (wie bei Männern eben auch). Es ist völlig unerheblich, ob diese Arbeit sinnvoll und wichtig, interessant oder verantwortungsvoll ist. Sie kann genauso gut langweilig, völlig unsinnig oder sogar schädlich für die gesamte Menschheit sein (z. B. Produktion und Verkauf von Wegwerfartikeln, von immer schnelleren Autos, von Umweltgiften, von immer ausgefeilteren Waffen einschließlich der verheerenden Landminen und Giftgas).

Dies spielt alles keine Rolle. Nach dem wirklichen Wert einer bezahlten Arbeit für die Gesellschaft wird nicht gefragt. Allerdings erhöht sie das Bruttosozialprodukt, fließt also als "Wertschöpfung" in die volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen ein (und bringt Steuern); sogar die Folgekosten von schweren Unfällen und von Umweltverseuchungen gehen hier positiv ein!

Gehen wir einmal durch eine Stadt und sehen uns an, wer welche Arbeit verrichtet. Sicher, es gibt interessantere Berufe. Frauen sind jedoch überwiegend an folgenden Erwerbsarbeitsplätzen tätig:
in der Produktion

– Fertigung von industriellen Massenprodukten an Montagebändern (den ganzen Tag stupide Handgriffe)

– nähen in Industriebetrieben
im Verkauf

– bei Selbstbedienung keine Beratung mehr

– starke Spezialisierung: nur Kaffee, Eis, Zeitungen, Fahrkarten

– Regale auffüllen, immer wieder

– Auskunftsstelle im Kaufhaus

– Kassendienst in Museen, Parkhäusern, Kaufhäusern
im Büro

– einfache Schreib- und Registraturarbeiten

– Telefondienst

– Datenerfassung am Bildschirm
im Dienstleistungsbereich

– servieren im Café

– Hilfsarbeit in Großküchen

– waschen, bügeln

– putzen

– Post zustellen

– Aufsicht in Museen

Viele dieser Tätigkeiten sind einseitig; viele – nicht alle – sind geistig wenig anspruchsvoll. Die Bezahlung ist gering. Können wir da pauschal sagen, Erwerbsarbeit macht
– unabhängig
– bringt persönlich weiter
– ermöglicht Selbstverwirklichung
– erweitert den Horizont
– emanzipiert im weitesten Sinne ?

Es geht mir nicht darum, gegen die Erwerbstätigkeit von Frauen zu sprechen. Mein Anliegen ist, auf UNGEREIMTHEITEN in der Frauenbewegung und in der öffentlichen Diskussion hinzuweisen, die sich für mich so darstellen: Erwerbsarbeit wird pauschal als Draußen-Arbeit, als positiv und persönlich weiterbringend hingestellt; Familienhausarbeit dagegen pauschal als Drinnen-Arbeit, als negativ und geistig hemmend angesehen.

Wird aber diese "Drinnen-Arbeit", also die Erziehungs- und Versorgungsarbeit, teilweise verlagert in Kindertagesstätten, Pflegeheime, Kantinen, Wäschereien etc., dann ist sie plötzlich ernstzunehmende Arbeit: entlohnt, sozial abgesichert, gesellschaftlich anerkannt, wenn auch nur in dem Rahmen, den man den Frauen zugesteht.

Die Arbeit wird nun, da sie entlohnt verrichtet wird, nicht mehr als minderwertig angesehen, obwohl sie nun viel einseitiger ist. Ja, sie muss noch nicht einmal nach draußen verlagert werden. Es geht auch so:

Meine Nachbarin oder Freundin kommt zu mir und führt meinen Haushalt und betreut meine Kinder. Ich arbeite dafür in ihrer Wohnung, versorge ihre Kinder. Wir stellen uns gegenseitig zum gleichen Tarif ein, es geht null-zu-null auf. So werden – quasi im Herdumdrehen – aus zwei angeblich nicht arbeitenden Familienfrauen zwei voll erwerbstätige Mütter. Als Nebenprodukt haben wir zwei "neue Arbeitsplätze" geschaffen, die es vorher angeblich nicht gegeben hat. Innovation pur!

Nicht nur Männer denken unlogisch, Frauen können das auch. Aber das heißt nicht, dass wir diesem Unsinn zustimmen müssen. Es wird höchste Zeit, dass jede Frau, die sich still über dieses vernebelte Denken ärgert, das auch laut ausspricht.
Nicht jede erwerbstätige Frau ist emanzipiert, bei weitem nicht! Andersherum sind viele familientätigen Mütter sehr emanzipierte Frauen!

Eine Familienfrau muss sich allerdings beim derzeitigen öffentlichen Klima und wegen der bestehenden Gesetze ein sehr hohes Maß an Selbstbewusstsein erarbeiten, und zwar aus eigener Kraft. Um dies zu erreichen, ist es wichtig oder zumindest hilfreich, dass sie sich bewusst macht, was und wie viel sie da eigentlich arbeitet und wem die Arbeit nützt. Ebenso nötig ist, dass sie sich befreit von den Vorurteilen anderer, sie also schlicht überhört bzw. sich dagegen wehrt und sie zurückweist. Sehen wir uns zu diesem Zweck die Familienarbeit näher an.

Familien(haus)arbeit
Von den 27,2 Mill. Frauen im erwerbsfähigen Alter (zw. 15 und 64 J.) in Gesamt-Deutschland sind 12,2 Mill. nicht erwerbstätig, verrichten also keine bezahlte Arbeit. Das sind 44,8 % aller Frauen. 2 Mill. davon (7,5 % der Frauen) sind bei den Arbeitsämtern erwerbslos gemeldet. Der große "Rest", also 10,2 Millionen – oder 37,3 % aller Frauen im erwerbsfähigen Alter – sind demnach Familienfrauen oder Hausfrauen. Sie werden hinter dem Begriff "Nichterwerbspersonen" versteckt (siehe auch Kapitel "Erwerbsarbeit").3

Die Statistik weist diese Zahl nicht aus, sie muss immer selbst errechnet werden. Haben die AuftraggeberInnen eine Scheu davor, diese 10 Millionen schwarz auf weiß zu sehen, weil sie selbst ja immer betonen, Hausfrauen seien eine Randgruppe, im Aussterben begriffen?

Dabei sind sie ganz eindeutig die größte Berufsgruppe überhaupt in Gesamt-Deutschland! Zum Vergleich: Das Statistische Jahrbuch 1997 weist als die mit Abstand größte Berufsgruppe bei den erwerbstätigen Männern und Frauen die "Büroberufe der kfm. Angestellten" aus, und zwar mit insgesamt nur 4,5 Millionen; davon sind 3,3 Millionen Frauen.
1974 veröffentlichte die Soziologin Helge Pross ihre Studie über Hausfrauen. Meines Wissens war das die erste Untersuchung überhaupt, die diesen Beruf betrifft. Helge Pross formulierte damals so: "Die Hausfrauen-Arbeit ist Leistung gegen Kost, Logis und Kleidung."

Ich füge hinzu: plus Gewinn-Beteiligung, aber nur, wenn die Ehe geschieden wird. Das ist in der Tat nicht sehr verlockend. Es ist demütigend!
Im Jahre 1980 haben die Vereinten Nationen aus Anlass des Jahrzehntes der Frau festgestellt: "Frauen leisten weltweit ZWEI DRITTEL der Arbeit. Dafür bekommen sie EIN ZEHNTEL des Lohnes. Und sie besitzen EIN HUNDERTSTEL des Weltvermögens."

Von diesen zwei Dritteln der Weltarbeit macht die Haus- und Familienarbeit den größten Teil aus. Die Arbeit, die Lenin 1918 so beschrieben hat: sie sei "geradezu barbarisch, unproduktiv, kleinlich, entnervend, abstumpfend, niederdrückend." (Sicher hat auch er sich nicht gescheut, trotzdem davon zu profitieren …) Grund genug, die Hausarbeit abzuschaffen. Nur, geht das überhaupt? Ist sie entbehrlich?

Oder, andersherum: Wie wird im Erwerbsbereich mit Berufen umgegangen, bei denen die Arbeitsbedingungen zu schlecht sind? Es werden Verbesserungen diskutiert, aber nie wird die Abschaffung des Berufes gefordert.

Wir alle wissen, dass es nirgendwo auf der Welt gelungen ist, die Hausarbeit wegzurationalisieren oder gerecht zwischen Frau und Mann zu teilen. Auch in den Ländern nicht, in denen fast alle Mütter erwerbstätig sind. Frauen machen eben diese Arbeit zusätzlich: am Abend, am Wochenende. So war es auch in den fünf neuen Bundesländern, als die noch DDR genannt wurden. 70 – 80 % der Familienarbeit mussten die Frauen nach ihren mindestens 40 Stunden Erwerbsarbeit noch verrichten, sagt die Statistik. (Trotz Kindertagesstätten waren das noch einmal 30 – 40 Stunden pro Woche.)

Ihre weitgehende finanzielle Unabhängigkeit vom Partner mussten und müssen die Frauen mit einer vollen zweiten Schicht bezahlen.
Für doppelte Arbeit gibt es einmal Lohn. Als Emanzipation habe ich das nie verstanden. Dazu kommt, dass die eigentliche Abhängigkeit vom Mann durch die Erwerbstätigkeit der Frau nicht aufgehoben ist: Die Orientierung an männlichen Wert-Maßstäben.

Und dazu zählt eben auch die Verachtung der sozialen Familienarbeit und im Gegensatz dazu die überbewertung der technischen Arbeit. Kurz gesagt: Arbeit an Maschinen wird viel höher bewertet als Arbeit mit und für Menschen.

…Aufgrund seiner außerodentlichen Länge, wird dieser Artikel von Gesa Ebert nicht vollständig aufgeführt. Sie können ihn für einen Unkostenbeitrag von 3,00 € bei unserer Materialstelle beziehen.