Marianne Dierks
Zur Reproduktionsarbeit in Familien mit qualifizierten, berufsorientierten Müttern.
VS Verlag für Sozialwissenschaften, 2005. ISBN 3531147439. 444 Seiten, 44,90 Euro
Buchbesprechung von Monika Bunte
Ich möchte ein Buch loben, das sich mit Frauen am Ende eines höchst erfolgreichen Erwerbslebens beschäftigt, die aber auch Mütter sind.
Wie haben sie den Spagat hingekriegt zwischen Führungsposition und Familien-Hausarbeit? Marianne Dierks arbeitet auf der Basis von Interviews und umfangreicher Literatur in ihrer Doktorarbeit heraus: Der Begriff Vereinbarkeit bedeutet, gleichwertige Dinge miteinander zu verbinden. Er suggeriert Balance. Damit wird die Dominanz der Erwerbsarbeit verschleiert. Die Haus- und Familienarbeit wird trivialisiert, marginalisiert und proletarisiert. Das soll kein Vorwurf sein. Beruflich erfolgreiche Frauen haben keine andere Wahl.
In Fallbeispielen wird gezeigt, welche Arrangements nötig sind, um berufliche Karriere und Kinder-Haben zu verknüpfen. Es geht um späte Mutterschaft, kontinuierliches Vereinbaren und langfristige Erwerbsunterbrechung, wobei nur langfristige Erwerbsunterbrechung im sog. Drei-Phasen-Modell ein Vereinbarkeitsarrangement ist, das die Gründung einer Familie mit mehr als 2 Kindern zulässt. Marianne Dierks beschäftigt sich mit den unterschiedlichen Hauptphasen des Familienlebens: Kleinkindalter, Schulzeit, Jugendalter und junge Erwachsene.
Da derzeit über Kleinkindphase und Fremdbetreuung als Königsweg zur Teilhabe von Müttern am Erwerbsleben viel und oft diskutiert wird, erscheint es mir angebracht, auf die Aspekte einzugehen, die Jugendliche und junge Erwachsene betreffen. Es gilt, „ein elterliches Sicherheitsnetz, eine Basisstation für Krisen und Konfliktsituationen bereit zu stellen“. Natürlich geht es auch um den Vater und seine Verantwortung, aber so wie bei ihm dominiert auch bei der beruflich erfolgreichen Mutter mit Kindern in Pubertät und Adoleszenz die Berufsarbeit.
Wenn eine gelingende Vereinbarung zwischen beruflichen und familiären Pflichten geschildert wird, erfolgt das in den Interviews über eine unmittelbare Entwertung der zu leistenden Reproduktionsarbeit. Die familiäre Arbeit wird auf Kochen und Putzen reduziert. Oft wird sie delegiert, und die Unterstützungsleistung durch hilfreiche Geister wird gar nicht erwähnt.
Top-Positionen bringen nicht nur starke Belastungen für die erwerbstätigen Mütter, sondern auch für die Heranwachsenden. Eine kontinuierliche Entwicklungsbegleitung ist nicht möglich. Jugendliche brauchen zur gelingenden Berufsfindung häufig Beratung durch die Eltern. Wer diese Unterstützung nicht erhält, wechselt häufiger die Ausbildung. Es kann auch zu Verhaltensformen kommen, die Konflikte mit dem Gesetz mit sich bringen (totale Verweigerung, Drogen).
Zum Schluss ein Zitat aus dem Schlusswort bei Marianne Dierks: „Der Mythos des problemfreien Gelingens eines parallelen beruflichen und mütterlichen Engagements bleibt erhalten. Aber genau diese im öffentlichen Raum unterlassenen bewussten Distanzierungen von der alltäglichen Arbeit für Kinder entwerten die von Eltern und z. Zt. noch insbesondere von Müttern geleistete kindbezogene Alltagsarbeit und damit all diejenigen, die diese kontinuierlich verrichten.“