von Hans Ludwig
„Bezahlung der Familienarbeit – wie können wir dies erreichen?“ Mit dieser Frage beschäftigte sich Anfang des Jahres eine Arbeitsgruppe beim zweiten bundesweiten Strategietreffen des Familiennetzwerkes in Bad Hersfeld (1).
Mit dabei war auch der Managementberater und Zukunftsforscher Peter Mersch, der in seinen Büchern „Land ohne Kinder, Wege aus der demographischen Krise“(2) und „Die Familienmanagerin“(3) für eine Professionalisierung von Familienarbeit plädiert. Vordergründig scheinen Merschs Thesen den Zielen des Verbands der Familienfrauen und -männer nahe zu stehen. Doch die Lektüre trägt dann vielmehr zu der Erkenntnis bei, was bei unseren eigenen Ansätzen eines Gehaltes für Familienarbeit und eines Erziehungs- und Pflegeeinkommens nicht passieren darf und wo wir den Fallstricken einer falschen ökonomisierung rechtzeitig entgegentreten können und müssen.
Die in den Titeln der beiden Publikationen ausgesprochenen Erwartungen werden voll eingelöst. Die demographische Krise wird als Problem dargestellt, als Lösung wird der Beruf der Familienmanagerin empfohlen. Damit soll gleichzeitig das zweite große Problem entschärft werden, dass nämlich in Wissensgesellschaften ein anderer Menschentyp verlangt wird, der von der Mehrzahl der bisherigen Erziehenden nicht erwartet werden kann.
Das vorgelegte Konzept weist auf den ersten oberflächlichen Anschein hin eine gewisse Nähe zu jenen Ansätzen auf, die im Verband der Familienfrauen und -männer e.V. vertreten werden: Gehalt für Familienarbeit bzw. Erziehungs- und Pflegeeinkommen (PEPe) einschließlich einer Qualifizierungsoffensive für den „Beruf“ Familienarbeit.
Im Folgenden sollen die entscheidenden Unterschiede deutlich gemacht werden, damit es in der öffentlichen Diskussion keine Verwechslungen gibt und damit die Ansätze des vffm gegen solche immunisiert werden, die eine staatlich selektierte Familienmanagerin wollen.
Ob die demographische Entwicklung so ausschließlich als Krisenerscheinung zu deuten ist, ist noch nicht ausdiskutiert. Auch wenn Peter Mersch alles an Kronzeugen aufbietet, was Rang und Namen hat: Gary Becker, Kurt Biedenkopf, Herwig Birg, Jürgen Borchert, Christian Leipert, Martine und Jürgen Liminski, Meinhard Miegel, Michael Opielka, Frank Schirrmacher, Franz-Xaver Kaufmann.
Da trübt es den wissenschaftlichen Anspruch nur wenig, dass seine hauptsächliche Informationsquelle wohl Wikipedia ist, jenes Internet-Lexikon, das bei wissenschaftlichen Arbeiten als Quelle immer häufiger abgelehnt wird.
Es entspricht der gegenwärtigen Hauptströmung von ökonomie und Philosophie und der des gerade eingeführten Elterngeldes, die Familienarbeit eher als Hobby anzusehen. Das Elterngeld will ja den Spagat schaffen zwischen angeblicher Fachkräfte-Knappheit und Kinderlosigkeit von Akademikerinnen und Akademikern mit Hilfe des Konzepts „Vereinbaren“. Als Alternative zu diesem Konzept benutzt Peter Mersch die durch die Vorwerk-Werbung publik gewordene Bezeichnung „Familienmanagerin“.
Die Notwendigkeit zur zunehmenden Professionalisierung der gesellschaftlichen Reproduktion ergibt sich nach Peter Mersch aus drei zum Teil gegenläufigen Trends.
– „Unattraktivität der Reproduktion aufgrund fehlender Vergütung
– Bedeutungszuwachs der Reproduktion als Folge der starken Gewichtung von Wissen und kognitiven Fähigkeiten in Wissensgesellschaften,
– zunehmender Zwang zur Spezialisierung bei der Nachwuchsproduktion aufgrund des Rückganges der Zahl gebärfähiger Frauen.“4) Letztendlich handele es sich bei dem vorgeschlagenen „Familienmanager-Konzept“ um eine ähnlich weitreichende Organisationsänderung innerhalb der gesellschaftlichen Reproduktion wie die Einführung der allgemeinen Schulpflicht zu Beginn der Industrialisierung.
Zur Erreichung ganz unterschiedlicher Ziele wie Generationengerechtigkeit, Familiengerechtigkeit, ausgewogene demografische Entwicklung, Qualifizierung in der Wissensgesellschaft, u.a.m. wird die Einführung des Berufs der Familienmanagerin vorgeschlagen. „Eine Familienmanagerin ist eine professionelle Erzieherin (bzw. ein Erzieher) mit entsprechender Ausbildung und Arbeitsvertrag, die in vielen Aspekten etwa einer staatlich beschäftigten dänischen Tagesmutter entspricht, anders als diese aber nicht ausschließlich für das Betreuen fremder Kinder, sondern in erster Linie für das Aufziehen eigener Kinder bezahlt wird. Je mehr Kinder eine Familienmanagerin betreut, desto mehr verdient sie.“ (Die Familienmanagerin Seite 174)
Finanziert werden könnten sie über die Kinderlosensteuer. „Kinderlose würden also auf diese Weise ihre eigentlich gesellschaftlichen Aufziehungsleistungen an Familienmanagerinnen outsourcen“, wobei unterstellt wird, dass der Regelkreis zwischen Familienmanagerinnen und Kinderlosensteuer in der Lage ist, sich selbst auszubalancieren. Auch Zuwendungen von Unternehmen und private Spenden werden als Finanzierungsquelle erwähnt.
Vielleicht ein extremes Beispiel, aber es zeigt das dem Modell zugrundeliegende Denken: „Eine Familienmanagerin könnte aber auch mit einem Familienmanager verheiratet sein, der selbst sieben Kinder adoptiert hat (Waisenkinder, zum Teil aus der Dritten Welt, zum Teil Kinder aus einer erfolgreichen Beratung im Rahmen eines geplanten Schwangerschaftsabbruchs). In diesem Fall würde die Familie zusammen 14 Kinder aufziehen und dafür ein monatliches Gehalt von über 10.000 EUR erhalten.“ Dazu wird unterstützend die biografische Fertilitätstheorie herangezogen: „Eine Familienmanagerin kann wesentlich leichter für das Aufziehen von sieben eigenen Kindern gewonnen werden, als sieben Singles für jeweils ein Kind.“
Gegenüber dem Konzept eines Erziehungs- und Pflegeeinkommens, auch dem eines Gehaltes für Familienarbeit, fällt auf, dass hier das demografische Element dominant ist. Das wird an anderer Stelle noch deutlicher, wo die letztlich vom Staat festzulegende Anzahl von Familienmanagerinnen direkt als bevölkerungspolitisches Instrument vorgesehen ist.
Mit unserem herkömmlichen Menschen- und Familienbild verträgt sich auch kaum die unverhüllte Absicht, über eine qualitative Selektion das Humankapital für die Wissensgesellschaft zu rekrutieren, was von der großen Zahl der bisherigen „nicht qualifizierten“ Eltern wohl nicht zu erwarten sei.
Schließlich stößt negativ auf, wie unverhüllt hier kapitalistisch deformiertes betriebswirtschaftliches Denken unvermittelt auf den Familienhaushalt übertragen wird. So sehr die ökonomische Sicht auf die Probleme wichtig ist, die einseitige, eher kapitalistischen Wurzeln und Interessen verpflichtete Sicht der hiesigen Betriebswirtschaftslehre eignet sich dafür sicherlich nicht.
Fußnoten:
1) Bericht von Helga Vetter in Fh 01/2007
2) Peter Mersch, Land ohne Kinder, Wege aus der demographischen Krise. Norderstedt 2006, ISBN 3-8334-4922-5, 196 Seiten
3) Peter Mersch, Die Familienmanagerin, Kindererziehung und Bevölkerungspolitik in Wissensgesellschaften, Norderstedt 2006, ISBN- 3-8334-5481-4, 208 Seiten
4) Peter Mersch, Die Familienmanagerin, S. 18