Der liberale Streit ums Betreuungsgeld
Eine Meldung des HBF vom 13. Juni 2007
Dass der SPD die staatlich voellig unkontrollierte Betreuung und Erziehung der Kinder in den Familien mehr als suspekt ist, hat nicht nur ihr Ex-Generalsekretaer Olaf Scholz vor Jahren in erfreulicher Klarheit auf den Punkt gebracht (vgl. HBF 2007a);
auch die SPD-Familienexpertin Kerstin Griese bestaetigte unlaengst ganz ungeschminkt ihre Ablehnung des Grundsatzes der Wahlfreiheit fuer Eltern bei der Betreuungsfrage (HBF 2007b).
Mittlerweile sind unter Fuehrung der Bundesfamilienministerin grosse Teile der CDU gern bereit, hier ebenfalls Abstriche zu machen, um bei der grossstaedtischen Frauschaft punkten zu koennen. So hat etwa Ursula von der Leyen im Fruehjahr in einer bundesweit verbreiteten Informationsbroschuere zum Elterngeld jeden Hinweis auf die 36-monatige Laufzeit der gesetzlichen Elternzeit vermieden (vgl. HBF 2007c).
Und der bei der letzten Berlin-Wahl gescheiterte CDU-Spitzen-Kandidat Friedbert Pflueger versucht sich nun nach seinem Ausflug in die OEkologie als „Familienpolitiker“ zu profilieren, indem er pauschal davor warnt, Vollzeiteltern mehr Geld zu geben (HPL).
Anlass fuer seine dezidierte Stellungnahme ist dabei die Forderung der CSU nach einem Betreuungs-Geld fuer Vollzeiteltern parallel zum Ausbau der Krippenplaetze. Kurz vor ihrem Parteitag sorgt nur auch bei der FPD das Thema fuer Streit. Wie bei der Union geht es darum, ob Vollzeit-Eltern tatsaechlich dieses Geld erhalten sollten oder ob eine Gutscheinloesung angestrebt werden sollte, mit der „sichergestellt“ wird, dass Eltern ausschliesslich staatlich abgesegnete Angebote nutzen (HPL). Fuer eine Partei, die sogar noch viel staerker als die Union die Formel von der Eigenverantwortung und Muendigkeit der Buerger bemueht, eine bemerkenswerte Debatte.
Dass dieses Bekenntnis zur Eigenverantwortung fuer den Buerger und die Forderung nach mehr staatlicher Regie bei der Kindererziehung sich nicht ausschliessen, kann man exemplarisch bei Michael Huether nachlesen (HPL), dem Chef des Arbeitgeberinstitutes (IW Koeln). Mehr Wahlfreiheit fuer Eltern koenne ja wohl nur bedeuten, die Moeglichkeiten fuer Eltern zur raschen Rueckkehr in die Berufstaetigkeit zu verbessern. Was sonst koennte das Ziel einer „bevoelkerungsorientierten Familienpolitik“ sein? Geld statt Gutscheine seien da vollkommen kontraproduktiv.
Dankenswerterweise stellt der Ex-Bundesverfassungsrichter und renommierte Steuerexperte Paul Kirchhof in einem durchdachten Meinungsbeitrag (HPL) klar, dass das Freiheitsverstaendnis der Verfassung und die Gutschein-statt-Betreuungsgeld-Loesung sich ausschliessen. Dabei erinnert er an die Arbeitsschutzgesetzgebung des 19. Jahrhunderts: Eines ihrer Hauptziele war es, die Bevormundung der Arbeitnehmer durch die Honorierung ihrer Arbeit mit Sachleistungen zu beenden und ihnen stattdessen Bargeld auszuzahlen, ueber dessen Verwendung sie dann selbstbestimmt entscheiden durften. – Wollen die „modernen“ Familienpolitiker tatsaechlich hinter diese Errungenschaft zurueck?