Gender – Eine Theorie verändert die Gesellschaft

Von Franz Josef Stuhrmann in der fh 2/22

Der postmoderne Individualismus in unserer Gesellschaft begünstigt einen Lebensstil, der die Stabilität der Bindungen zwischen den Menschen schwächt. Als Folge umgreifenden Individualismus‘ hat sich seit einigen Jahren – von vielen Menschen unbemerkt – eine neue Theorie etabliert, die im besonderen Maße die sozialen Strukturen verändert: Die Gendertheorie.

Gender ist keine intellektuelle Kuriosität, deren wir uns allein durch stichhaltige Argumente wieder entledigen könnten. Die politische und kulturelle Durchsetzung der Gendertheorie konfrontiert uns mit Entscheidungen, die das Gewissen der Menschen in ihrer konkreten Lebenswirklichkeit mit einbeziehen. Es ist eine Entscheidung zwischen der wissenschaftlich fundierten biologischen Wahrheit über Mann und Frau und der pseudowissenschaftlichen Genderidee. Die Gesellschaft muss eine Entscheidung treffen: Entweder sie passt sich dem Geist der neuen Weltkultur an und folgt mit vollem Einverständnis den neuen Normen oder aber sie identifiziert sich mit der Natur und deren Gesetzmäßigkeiten.

Der vorliegende Artikel soll dazu beitragen, grundlegende Sachinformationen in die aktuelle Genderdiskussion einzubringen und Antworten auf folgende Fragen zu geben

im Teil 1:

  • Auf welchem geistigen Hintergrund basiert die Gendertheorie?
  • Bedeuten Gleichberechtigung und Gleichstellung in der Gendertheorie dasselbe?

im Teil 2:

  • Welche familienpolitischen Auswirkungen hat die Gendertheorie im Hinblick auf Elternrechte und Kindeswohl?
  • Was wird in der Gendertheorie unter Geschlechteridentität verstanden?
  • Warum ergibt die Anwendung der Gendertheorie in der deutschen Sprache keinen Sinn?

 

Auf welchem geistigen Hintergrund basiert die Gendertheorie?

Die Gendertheorie ist nicht aus dem Nichts entstanden, sondern greift Ideen der europäischen Geistesgeschichte auf. Sie ist eine Mischung aus marxistischen und feministischen Bestandteilen. Marx und Engels ging es um die klassenlose Gesellschaft. Es galt nicht nur die Proletarier vom Kapitalismus zu befreien, sondern auch die Ehefrau sollte aus der Unterdrückung ihres Ehemannes befreit werden. Sie sollte eine eigene Erwerbstätigkeit aufnehmen, um unabhängig zu werden. Die Erziehung der Kinder sollte vom Staat übernommen werden. Marx und Engels propagierten die Aufhebung der bürgerlichen Familie.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts entstand in England die Suffragetten-Bewegung, wo Frauen das Wahlrecht forderten, ein Recht auf Bildung, ein Recht auf Erwerbstätigkeit und weiteres, was bis dahin nur den Männern vorbehalten war. Diese Emanzipation breitete sich in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts weiter aus. Es ging um die völlig legitime Gleichberechtigung von Mann und Frau.1

Ende der 1960er und Anfang der 1970er Jahre wandten sich viele „Vertreterinnen“ der Emanzipation (sie nannten sich nun Feministinnen) radikaleren Positionen zu. Man vertrat die Meinung, dass eine wirkliche Befreiung der Frauen nur dann zu erreichen sei, wenn die gesamten gesellschaftlichen Strukturen aufgebrochen würden. Tugenden wie Treue, Fleiß, Disziplin, Tüchtigkeit und die elterliche Autorität, die doch unverzichtbare Werte des menschlichen Zusammenlebens sind, galten als nicht mehr zeitgemäß. Die Familie, bestehend aus Frau, Mann und Kind, als kleinster und unentbehrlicher staatstragender Gemeinschaft wurde in Misskredit gebracht. Somit war man der marxistischen Forderung nach Aufhebung der bürgerlichen Familie ein großes Stück nähergekommen.

In den 1980er Jahren entstanden an Universitäten erste Frauen- und Geschlechterforschungszentren, die die von den Marxisten vertretenen Thesen erneut aufgriffen. Die angeblich universelle Unterdrückung der Frau durch den Mann und die Frau-Mann-Ehe galten als Ursprung aller Unterdrückung. Um die Befreiung für die Frau zu erreichen, genügte es nach Vorstellung der Feministinnen nicht, die männlichen Privilegien abzuschaffen, sondern der Mensch müsse von der „Klasse des Geschlechtes“, d.h. von der Frau-Mann-Einteilung, befreit werden: Wenn die Unterschiede zwischen Frau und Mann Ursprung aller Ungerechtigkeiten sind, kann das Ziel nur die „Gleichheit“ sein.

Die Akzeptanz dieser Weltanschauung, die auf rein feministisch-akademisch basierten Ansichten beruht, liegt wohl auch in der Tatsache begründet, dass die Verantwortlichen in den politischen Parteien Teil der gehobenen Gesellschaft geworden sind. In ihren Reihen organisieren sich die gebildeten und bessergestellten Kreise der Mittelschicht, während Angehörige der sozio-ökonomisch bedrängten und abgehängten Schichten ausgegrenzt werden. Aus den Mittelschichtparteien gehen Berufspolitiker hervor, die die älteren milieuverbundenen Repräsentationspolitiker verdrängen und sich als akademische Professionals des selbstbezogenen Politikbetriebs etabliert haben. Die politische Managerklasse unterwirft sich uneingeschränkt der Logik der Wirtschaft, und sie stemmt sich nicht mehr gegen die wachsende soziale Ungleichheit.2

Den endgültigen Durchbruch und den Griff nach der Macht schaffte die Gendertheorie 1997 im „Amsterdamer Vertrag“. Dort wurde unter dem Begriff „Gender-Mainstreaming“ die Theorie als Strategie von der Europäischen Union beschlossen. Im Artikel 2 des EG-Vertrages ist die Förderung der Gleichstellung von Männern und Frauen als eine Aufgabe der Europäischen Union festgelegt. Der Artikel 3, Absatz 2 des EG-Vertrages hält fest, dass die Gemeinschaft bei allen Tätigkeiten darauf hinwirkt, Ungleichheiten zu beseitigen und die „Gleichstellung“ von Männern und Frauen zu fördern.

Die Verankerung des Gender-Mainstreaming-Prinzips im Amsterdamer Vertrag ist nicht ohne Auswirkungen auf die Politik zur „Gleichstellung“ von Frauen und Männern in der Bundesrepublik Deutschland geblieben. Ergänzend zur nationalen Gesetzgebung hat die Bundesregierung mit einem Beschluss des Bundeskabinetts vom 23. Juni 1999 Gender-Mainstreaming als durchgängiges Leitprinzip anerkannt. In die Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien wurde dementsprechend die Verpflichtung aller Ressorts aufgenommen, den Gender-Mainstreaming-Ansatz bei allen politischen, normgebenden und verwaltenden Maßnahmen der Bundesregierung zu beachten.

Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist die Tatsache, dass nunmehr von „Gleichstellung“ und nicht mehr von „Gleichberechtigung“ von Mann und Frau gesprochen wird, obwohl im Artikel 3, Absatz 2, GG ausführlich nur auf die „Gleichberechtigung“ Bezug genommen wird.

 

Bedeuten Gleichberechtigung und Gleichstellung in der Gendertheorie dasselbe?

Gleichberechtigung

Gleichberechtigung ist die in der allgemeinen Menschenrechtserklärung sowie den Verfassungen demokratischer Staaten grundrechtlich zugesicherte Garantie des gleichen Rechtsstatus und Rechtsschutzes sowie der rechtlichen Gleichberücksichtigung aller Menschen unabhängig vom Geschlecht, von seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, von seinem Glauben und von seiner religiösen und politischen Anschauung.

In politischen Kontexten fungiert „Gleichberechtigung“ heute meist als Sammelbezeichnung unterschiedlicher, in der Regel über die garantierte Rechtsgleichheit hinausgehenden sozialpolitischen Forderungen und Maßnahmen. Insofern diese die Angleichung der sozialen Freiheiten und Lebenslagen der Mitglieder verschiedener Gruppen (insbesondere der Geschlechtergruppen) zum Ziel haben, steht der Begriff hier in engem Zusammenhang mit dem der „Gleichstellung“.3

Gleichstellungsdilemma in der Arbeits- und Familienwelt

In den Gendertheorie wird der Gleichheitsbegriff umgedeutet. Es geht dort nicht mehr um Chancen- und Rechtsgleichheit, sondern um Austauschbarkeit, die programmatisch umgesetzt wird, indem man eine verpflichtende statistische Gleichheit für alle Arbeits- und Lebensbereiche fordert, d.h. eine 50/50 Mann-Frau-Quotengleichheit. Um sie zu erreichen, müssen alle Frauen möglichst bald nach einer Geburt wieder vollzeitig einer Erwerbsarbeit nachgehen und die Kinder weitgehend der staatlich geförderten Fremdbetreuung überlassen oder Frau und Mann müssen sich Erwerbs- und Familienarbeit jederzeit zu 50 Prozent teilen.4

Das Festhalten an dieser statistischen Vorgabe hat für Familien enorme negative Auswirkungen. Besonders eindrücklich kann dies an den Neuregelungen von Elternzeit und -geld seit 2007 illustriert werden. Von diesen Neuregelungen profitieren zunehmend besser gestellte und -qualifizierte, gut in den Arbeitsmarkt integrierte Eltern von den (Geld)-Leistungen, während sich Schlechterstellungen für Gruppen wie Studierende, Nichterwerbstätige oder zugewanderte Eltern ergeben. Hier entwickeln sich neue Differenzen zwischen unterschiedlichen Gruppen von Müttern (und Vätern) entlang ihres „Wertes“ für den Arbeitsmarkt. Aus Gleichstellungsperspektive geht die Verbesserung von Geschlechtergerechtigkeit zu Lasten der sozialen Gerechtigkeit. In der deutschen Familienpolitik war die Gleichstellungsgerechtigkeit immer wieder Gegenstand kontroverser Diskussionen. Während die Anhänger des Gender-Mainstreaming den familienpolitischen Wandel aus gleichstellungspolitischen Gründen begrüßten, äußerten andere Kritik angesichts der selektiven Wirkung der jüngeren familienpolitischen Reformen auf Mutter und Vater je nach Stellung am Arbeitsmarkt und der Höhe des Einkommens. Die Familienpolitik steht vor dem Zwiespalt, sich bei der Gestaltung von Reformen zwischen Geschlechtergleichstellung und anderen Kategorien sozialer Gerechtigkeit entscheiden zu müssen.

So wird etwa die „Gleichstellung im Erwerbsleben“ gefordert, wobei vor allem die „gleiche Teilhabe“ gemeint ist. Es wird zwar von „Arbeitsmarkt“ gesprochen, gemeint ist aber nur der Erwerbsarbeitsmarkt. Nur durch eine Teilhabe am Erwerbsleben könne für Lebensunterhalt und soziale Absicherung gesorgt werden. Das entspricht zwar der heutigen Rechtslage, aber es wird ausgeblendet, dass diese Verhältnisse auf einer Minderbewertung der elterlichen Erziehungsarbeit beruhen. Schließlich werden aber nach dem heute geltenden Umlageverfahren die Renten einer Generation allein durch die Kinder dieser Generation bezahlt und damit auch allein durch die elterliche Kindererziehung erarbeitet. Diese existenzielle Grundlage unserer sozialen Sicherheit wird einfach unterschlagen.5

Gleichstellung der Geschlechter

Das Gender-Mainstreaming lehnt ein auf den Erkenntnissen der Evolutionsbiologie basierendes logisch-rationales Konzept zur Ergründung geschlechterspezifischer, physiologisch-biochemischer Prozesse ab. So ist man der Auffassung, dass Männer und Frauen grundsätzlich gleich seien und daher auch die gleichen Aufgaben übernehmen könnten und wollten. Die weiblichen und männlichen Verhaltensweisen würden durch herrschende Rollenverteilungen in der Erziehung (Sozialisation) entstehen und werden als soziales Geschlecht (Gender) bezeichnet. Somit hätte das biologische Geschlecht (Sex) keinen Einfluss auf das Verhalten der Menschen. Mann und Frau haben demnach keine biologisch vorbestimmten, natürlichen Eigenschaften; diese würden nur in der Gesellschaft konstruiert und sollten abgeschafft werden, um dem Ideal der Gleichheit gerecht zu werden.6 Evolutions- und Verhaltensbiologie halten solche Annahmen allerdings für völlig unsinnig. In der ganzen Tierwelt sind erhebliche Geschlechtsunterschiede in Körperbau und Verhalten der Normalfall. Männchen und Weibchen unterscheiden sich hierbei nicht nur anatomisch, sondern auch auf der chromo-somalen Ebene, auf der hormonellen Ebene usw., was die anatomischen Geschlechtsunterschiede und die Unterschiede im Verhalten erst zur Folge hat.

 

Literaturverzeichnis

1  Eberhard Kleina „Der Genderwahn“ Lichtzeichenverlag, 2. Auflage 2019

2  Vgl. Elmar Wiesendahl, Politikwissenschaftler, Semantic scholar, DOI:10.1007/978-3-658- 10390-3_17 Corpus ID: 185637835

3  Boshammer, uni-osnabrück.de, 2008

4  Christl Ruth Vornholdt, Dr. med., Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin, frühere Leiterin des Deutschen Instituts für Jugend und Gesellschaft

5  Dr. med. Johannes Resch, Arzt für Neurologie und Psychiatrie in Rubikon vom 03.04.2019

6  vgl. U. Kutschera, Das Gender-Paradoxon, 2. Auflage, LIT-Verlag

Comments

  1. Petra Behnert schreibt:

    Sehr gut geschrieben. Kann dem nur zustimmen. Ich kann den Genderwahn nicht mehr hören. Familie ist sehr wichtig. In der Politik wird das zu wenig berücksichtigt.

  2. Katharina Paul schreibt:

    Sehr gut geschrieben . Dieser ganze Gender-Wahnsinn muss aufhören. Die Politik sollte sich viel mehr um Familien kümmern- Themen die wichtig sind! Wo ist denn hier die Gleichberechtigung ?

  3. Martina Hahn schreibt:

    Kann dem Artikel nur zustimmen. Gender missachtet die Naturgesetze, um ein neues Gesellschaftsbild zu erstellen. Auf totalitärer Art und Weise versucht die Regierung, den Gender-Wahnsinn durchzusetzen. Unsere Kinder müssen vor dem Irrsinn geschützt werden.

  4. Ute Steinheber schreibt:

    Wir können und sollten uns wehren, z. B. indem wir weder schriftlich noch mündlich Genderspache benutzen. Indem wir politische Entscheider wie unsere Landtags-und Bundestagsabgeordnete daraufhin ansprechen oder anschreiben und die Befürworter nicht mehr wählen. Indem wir fordern, die unnötigen und teuren Genderlehrstühle samt Gender-Studiengänge abzuschaffen und dafür mehr Erzieherinnen, Lehrer oder Ärzte sowie Hebammen auszubilden. Personal, das gesamtgesellschaftlich dringend gebraucht wird!

    • Deborah Berg schreibt:

      Sehr ausführlich und sehr gut erklärt geschrieben.
      Das Gendern ist für mich nicht nachvollziehbar, es hat meiner Meinung nach, nichts mit Gleichberechtigung zutun. Für mich stellt sich immer wieder die Frage, muss man jedem und alles, auch wenn es vielleicht hart klingen mag, egal welchen Geschlechts man angehört oder welcher sexueller Orientierung man nachgeht, „einem Namen geben“? Und nein, dies hat nichts mit Diskriminierung zutun, noch dass Menschen, egal welchen Geschlechts oder Orientierung sie angehören, nicht toleriert werden, im Gegenteil! Es muss jedoch aufhören, dass unsere Gesellschaft und Politik meint, dass unser größtes Problem in der möglichen Benachteiligung oder gar Diskrimierungen der Sprache und Betitelung, jener Menschen unterschiedlichsten Orientierung steht. Meiner Meinung nach ist das Gendern ein Vorgaukeln von Toleranz, die es so oft gar nicht gelebt wird, sondern wieder nur eine Zeile mehr im Duden ist, damit bloß niemand an Benachteiligung denken mag.

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