„Stellungnahme zum Wert der emotionalen Erziehung in der Familie“

Europäischer Kongress "Demographie und Wohlstand: Neuer Stellenwert für Familie in Wirtschaft und Gesellschaft. " Berlin 12.06.-13.06.2002

Wir werden in den nachfolgenden Statements noch viel Kompetentes zur Bildung und Ausbildung der Kinder in Schulen hören. Ich möchte mich auf den vorschulischen Bereich, also die emotionalen Grundlagen und Voraussetzungen der intellektuellen Bildung konzentrieren.
Auch für diesen Bereich werden nach "Pisa" die Weichen neu gestellt. Jetzt ist "Vater Staat" bereit, die Eltern schon bei der Erziehung der Allerkleinsten zu "unterstützen."

Das klingt an sich sehr positiv, aber nüchtern betrachtet kann von Unterstützung keine Rede sein. Man bietet den Eltern nicht etwa Hilfestellung, damit sie die Herausforderungen der Erziehungsarbeit besser bewältigen, sondern fördert mit allen Mitteln die Fremdbetreuung von Kindern. Es geht dabei – ganz nach französischem Vorbild – um Fremdbetreuung von der Wiege weg. Gefordert wird der flächendeckende Ausbau von Kinderkrippen und Kindergärten (Modellversuche, beides zu verbinden sind in Bayern schon durchgeführt worden).

Auf diese Weise, so wird argumentiert, würden die Kinder von Leuten erzogen, die ihr Handwerk gelernt haben. Den Eltern aber wird damit nicht nur Erziehungskompetenz aberkannt, sondern auch die Erziehungsverantwortung entzogen.

Diese Politik "verkauft" man uns als besonders kinder- und familienfreundlich im Sinne der optimalen "Vereinbarkeit von Familie und Beruf".

Tatsächlich handelt es sich – wie Mme Bruneau gestern ganz klar forderte – um eine "feministische Familienpolitik". Eine Familien-politik, basierend auf den konservativ-feministischen Vorstellung, das wahre Glück der emanzipierten Frau liege in der Erwerbsarbeit – ja, mehr noch: eine Frau sei überhaupt nur dann emanzipiert, wenn sie erwerbstätig sei.


Mit dieser Ideologie wurde in den vergangenen Jahrzehnten systematisch die private Erziehungs- und Familienarbeit abgewertet, während die Erwerbsarbeit geradezu glorifiziert wurde. Aus meiner Sicht geraten wir dabei von einem Rollenklischee in das nächste. Früher hieß es "Kinder-Küche-Kirche", heute "Kinder und Karriere". So kommen wir vom Regen in die Traufe.

Das Ziel muss und kann dagegen nur die echte Wahlfreiheit zwischen Familien und Erwerbsarbeit sein.

Zahlreiche Umfragen, die hier von Herrn Prof. Kirchhof, Herrn Dr. Geisler und Landrat Kretz eindeutig bestätigt wurden, belegen: Wenn Frauen die Wahl hätten, würden zwei Drittel von Ihnen in den ersten Lebensjahren ihrer Kinder lieber Erziehungsarbeit als Erwerbsarbeit leisten.

Dem kann ich nur zustimmen, denn die Familie ist das optimale Trainingsfeld für die soziale und emotionale Entwicklung von Kindern. Zu Hause hat das Kind Zeit und Ruhe, sich selbst und seine nächste Umgebung zu erkunden. Es kann seine individuellen Eigenheiten entfalten, erfährt Interesse an seiner Person und findet Verständnis für seine Schwächen und Sensibilitäten. Hier kann es sozusagen Kraft sammeln für das "richtige Leben".

In der Kinderkrippe dagegen muss es – so wie die Dinge liegen – von Anfang an um Aufmerksamkeit und Zuwendung kämpfen. Es steht in harter Konkurrenz zu einem halben Dutzend anderer Kinder, denen die Erzieherin ebenso gerecht werden muss. Es scheint mir unwahrscheinlich, dass dieser emotionale Stress durch die Fachkompetenz der Erzieherin aufgewogen werden kann. Vielmehr scheint mir die Fachkompetenz auf dieser frühkindlichen Ebene völlig überbewertet.

Eine vernünftige Mutter, ein vernünftiger Vater, hat einem Säugling weit mehr zu bieten als die Schulweisheit einer jugendlichen Erzieherin vermitteln kann. Gelerntes Wissen ist eine gute Sache, aber um einem Kleinkind gerecht zu werden, um einen Zweijährigen zu verstehen, braucht es nicht nur Verstand sondern auch Einfühlungsvermögen und diese spezifische Form von Vertrautheit, die nur in engsten und intimen Beziehungen wachsen kann. Keine andere Betreuungsform kann auch nur annähernd diese Nähe ersetzen. Im Zusammenleben mit den Eltern erfährt das Kind normalerweise ein inniges Gefühl von Geborgenheit und Angenommenheit und erlebt sich selbst als glückbringend und positiv. Das sind die besten Voraussetzungen für die Entwicklung eines gesunden Selbst-Wertgefühls und Selbst-Bewusstseins und ein Fundament, auf dem das Selbstvertrauen wächst, das Kinder brauchen, um später Verantwortung für sich und für andere zu übernehmen.

Eltern bieten grundsätzlich etwas Einmaliges: Sie bieten buchstäblich Bedingungs-lose Liebe. Liebe jenseits von öffnungszeiten, Urlaubsregelungen und Terminabsprachen und damit das elementare Gefühl von Sicherheit, Vertrauen und ungeteilter Anteilnahme. Sie gewähren dem Kind nicht nur Schutz, Wärme und materielle Sicherheit, sondern auch Entwicklungshilfe, Krisenmanagement, Seelsorge, Beratungsdienste aller Art. Sie bieten praktische Hilfestellungen vom ersten Schrei bis zur Volljährigkeit und oft darüber hinaus, denn die Beziehung zu den Kindern ist unauflöslich – unkündbar.

Alles andere ist heute wandelbar, Paare trennen sich, Freunde kommen und gehen, aber die Eltern bleiben immer Eltern, die Kinder bleiben immer Kinder und sogar Geschwister begleiten einen meist durch alle Höhen und Tiefen des Lebens. Die viel zitierten "Familienbande" sind heute die einzige soziale Sicherheit, die wir haben.

Die Familie ist die soziale und emotionale Keimzelle der Gesellschaft in einer ansonsten vollkommen kopflastigen, überintellektualisierten Welt. überall zählen heute Bildung, Wissen, Klugheit, Intelligenz und Intellekt weit mehr als Gefühl und Intuition. Auch "Pisa" hat nur die intellektuellen Fähigkeiten der Kinder abgefragt. Deren soziale oder emotionale Kompetenzen spielten für die Beurteilung keine Rolle. Da die Kinder nicht gut genug waren, soll nun die Intellektualisierung noch stärker und noch früher vorangetrieben werden.

Unseren Kindern bleiben also inzwischen nur noch die ersten drei Jahren, um im "Trainingslager Familie" die Grundlagen für emotionale Intelligenz und soziale Kompetenz zu erwerben. Diese kurze Zeit auch noch zu beschneiden, den Kindern diese Gelegenheit zu rauben wäre ein kapitaler Fehler. "Kapital" hier durchaus auch im wirtschaftlichen Sinne verstanden: Nicht von ungefähr hat das Kinderhilfswerk Unicef die Länder der Welt dazu aufgerufen, vor allem in die ersten drei Jahre des Kleinkindes zu investieren, denn jeder Dollar, den wir für das Kleinkind ausgeben, hilft uns später, sieben Dollar zu sparen.

Eigentlich sollte man meinen, dass die Politik für solche wirtschaftlichen Argumente offen ist und entsprechende familienpolitische Weichen stellt. Aber was den Familien im Augenblick an Unterstützung angeboten wird, das ist Politik nach dem marktwirtschaftlichen Prinzip: "Liefern Sie die Kinder, wir kümmern uns um die Details."

Es ist eine Politik, die in ihrer rationalen, leistungsorientierten und rein materialistischen Ausrichtung geradezu dem Wesen und der Idee der Familie widerspricht.
Die Familie ist mehr als eine Wirtschafts- und Konsumgemeinschaft und Kinder sind mehr als ein Organisationsproblem im Leben der modernen Frau. Kinder sind ein Wert an sich. Sie sind unser kostbarstes Gut und unser wertvollstes Kapital.
Deshalb kann eine zukunftsorientierte Familienpolitik einzig darin bestehen, für die Familien und damit für die Kinder die optimalen Lebensbedingungen zu schaffen.

Das heißt im Klartext:
Wir brauchen Wahlfreiheit und deshalb brauchen wir ein Erziehungsgehalt, statt staatlich subventionierter Fremdbetreuung. Wir brauchen eine Politik, die es Eltern (Müttern und Vätern) ermöglicht, frei zu entscheiden, wer, wann, wo und wie lange ihre Kinder betreut.

ViSdP: Ulrike Horn, M.A.
Pressereferentin des Verbandes der Familienfrauen und -männer und Buchautorin

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