von Gertrud Martin aus der fh 1/23
An die Präsidentin des VdK-Verbands
Frau Verena Bentele
Linienstr. 131
10115 Berlin
Betrifft: Ihre Stellungnahme zur Absicht der Bundesregierung, die weibliche Erwerbsbeteiligung zu fördern – Artikel in der VdK-Zeitung vom März 2022
Sehr geehrte Frau Bentele,
zum internationalen Frauentag 2022 veröffentlichte die VdK-Zeitung auf der Titelseite einen Artikel „Kinder, Küche, keine Karriere“. Dazu meldet der Verband Familienarbeit e.V. sich kritisch zu Wort.
Zweifellos ist es gut und richtig, dass es Lobbyverbände gibt, die die Interessen ihrer Mitglieder offensiv vertreten. Allerdings sollte dies mit Augenmaß und Blick auf das soziale Ganze geschehen. In dem o.g. Artikel werden Sie mehrfach zitiert, z.B.: „Doch wenn etwa die Minijob-Grenze angehoben wird und steuerliche Anreize wie das Ehegattensplitting erhalten bleiben, werden Frauen sich weder aus Teilzeitfallen noch aus alten Rollenbildern befreien“. An anderer Stelle fordern Sie, die Arbeit in der Familie fair zu verteilen, ein „Rückkehrrecht in Vollzeit nach Teilzeitphasen“, den Ausbau von Kinderbetreuungsangeboten und Ganztagsschulen, sowie „familienfreundliche Arbeitszeiten“. Diese Forderungen und die dahinterstehenden falschen Vorstellungen von sozialer Gerechtigkeit sind in Politik, Gesellschaft und Medien bereits zum Ohrwurm geworden, werden dadurch aber nicht richtiger. Nach unserer Überzeugung dokumentieren sie eine problematische Auffassung vom Wert der Familie als tragendem Pfeiler nicht nur der Wirtschaft und unseres Sozialsystems, sondern unserer Gesamtgesellschaft. Die in den Familien geleistete Betreuungs- und Erziehungsarbeit ist das Fundament dieses Pfeilers! Und es ist ein handfester Skandal, dass diese Arbeit den Eltern immer noch unentgeltlich abgefordert wird, obwohl doch dieselbe Arbeit – wenn sie von öffentlichen Betreuungseinrichtungen übernommen wird – durch Elternbeiträge und hohe staatliche Zuschüsse finanziert wird. Warum fördert der Staat einseitig nur die Fremdbetreuung und lässt die selbst betreuenden Eltern leer ausgehen? Damit treibt er beide Eltern in die Erwerbsarbeit oder in die Armut und dazu, ihre Kinder baldmöglichst nach der Geburt in fremde Hände zu geben. Diese Bevormundung der Eltern verstößt eindeutig gegen die Vorgaben unseres Grundgesetzes Art 6.2, in dem festgelegt ist, dass der Staat nicht berechtigt ist, verschiedene Arten der Betreuung ungleich zu fördern.
Die Forderung, die Betreuungs- und Pflegearbeit innerhalb der Familie „fair“ zu verteilen, mutet wie ein schlechter Witz an. Was ist „fair“, wenn Ungerechtigkeit anders verteilt und dadurch das Gesamteinkommen der Familie weiter geschmälert wird, weil der Mann meist das höhere Erwerbseinkommen hat? Was ist „fair“, wenn Kinderlose voll erwerbstätig sein können, während Eltern ihre unbezahlte Familienarbeit mit einer bezahlten Teilzeitarbeit „vereinbaren“ sollen? Auch das Schlagwort „Vereinbarkeit“ ist eine Irreführung, denn in Wirklichkeit werden durch die gesteuerte Auslagerung der Erziehungsarbeit aus der Familie die Eltern, aber besonders die Mütter diskriminiert, die diese Arbeit zum gesunden Aufwachsen der Kinder selbst tun wollen.
Erlauben Sie bitte abschließend noch einen Blick auf die Situation der Kinder. Die Wissenschaftler aus der Hirn- und Entwicklungsforschung warnen dringend davor, durch zu frühe Fremdbetreuung den U3-Kindern die Möglichkeit zu nehmen, eine feste Bindung zu Mutter/Vater aufzubauen. Diese Bindung und die daraus gewonnene Selbstsicherheit sind entscheidend für die spätere Bildungsfähigkeit und das Neugierverhalten der Kinder. Diese sollten bis zu ihrem 3. Geburtstag in der Obhut ihrer Herkunftsfamilie bleiben können. Eine verantwortungsbewusste Elternarbeit ist auch im Interesse der Wirtschaft zu fördern, um leistungsfähige und -bereite Nachwuchskräfte zu sichern.
Das Fazit aus den geschilderten Sachverhalten ist in einem einfachen Satz zusammenzufassen: Würde die elterliche Erziehungsarbeit in den ersten drei Jahren annähernd „fair“ bezahlt, z.B. durch ein verlängertes Elterngeld und starke Steuererleichterungen in Form eines Familiensplittings, so kämen wir einer familienfreundlichen Gesellschaft deutlich näher!
Mit freundlichen Grüßen
Gertrud Martin
im Auftrag des Vorstands