Offener Brief

 

Offener Brief an die drei Kandidaten für den CDU-Vorsitz 

Deutscher Bundestag

Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Braun,
Sehr geehrter Herr Dr. Merz,
Sehr geehrter Herr Dr. Röttgen,

die Mitglieder und ehrenamtlich Aktiven des Verband Familienarbeit e.V. verfolgen gespannt die Aussagen der drei Kandidaten für den CDU-Vorsitz zu den von ihnen im Falle der Wahl angestrebten Entwicklungen der Partei. Keines dieser Ziele soll von uns als vernachlässigbar angesehen werden. Allerdings: wir vermissen schmerzlich das Thema Familienpolitik. Es kommt schlicht in allen Stellungnahmen nicht vor. Sollte es Ihnen tatsächlich entgangen sein, welchen entscheidenden Anteil die CDU am massiven Niedergang hat, den die Institution Familie in den vergangenen 65 Jahren erlebte? Das begann mit der großen Rentenreform, die Konrad Adenauer 1957 durchführte, in der er den Anspruch auf Alterssicherung allein an die Erwerbstätigkeit knüpfte, obwohl die elterliche Familienarbeit mit der Erziehung eigener Kinder die Existenzbedingung für das umlagebasierte System schlechthin ist. Eltern, die ihrer Erziehungsverantwortung gerecht werden wollen und deshalb zugunsten der Kinder zeitweise oder dauernd auf Erwerbsarbeit verzichten, sind seither von Altersarmut bedroht.

Gefördert wurde die familienfeindliche Entwicklung durch den sich davon ableitenden Feminismus, der selbst verdientes Geld und den davon fälschlicherweise abgeleiteten Rentenanspruch zu einem Merkmal gelungener Frauenemanzipation erhob und dabei geflissentlich völlig ignorierte, dass Mütter ohne die Anerkennung ihrer Familienarbeit als lohnwerte Leistung und entsprechende Bezahlung von jeglichem Gleichberechtigungsanspruch ausgeschlossen wurden. Statt Kindern wurde eine möglichst umfassende Erwerbstätigkeit zum Maß für soziale Sicherheit.

Daran orientierten sich auch alle folgenden familienpolitischen „Fortschritte“, bis hin zu einem Elterngeld, das in Lohnersatzfunktion den ohnehin gut gestellten Eltern eines ersten Kindes bis zu 1.800 € /mtl. einbringt. Eine Mutter, die bereits ältere Kinder betreut ohne gleichzeitig noch erwerbstätig zu sein, muss sich mit dem Mindestsatz von 300 € begnügen, denn angeblich hat sie ja „nicht gearbeitet“!
Hinzu kommt die einseitige staatliche Subventionierung ausschließlich der Krippenbetreuung, während Eltern, die ihre Kinder selbst betreuen wollen, im Regen stehen gelassen werden.

In den Jahren der Regierungskoalition mit der SPD hat die CDU widerstandslos an der sozialistischen Dekonstruktion der Familie mitgewirkt. Motto: Eltern sind beide voll erwerbstätig, während ihre Kinder im entsprechenden Umfang fremdbetreut werden. Kein Gedanke an die Vorgabe des GG 6.2, das den Eltern die vorrangige Entscheidungsfreiheit darüber zusichert, wie und durch wen ihre Kinder erzogen werden sollen! Kein Gedanke auch an die besondere Verantwortung, die eine Orientierung am christlichen Glauben den Eltern zuschreibt! Fazit: Wenn die CDU die bevorstehenden 4 Jahre in der Oppositionsrolle dazu nutzen will, wieder ein eigenes Profil als konservative Kraft zu gewinnen, ist die Familienpolitik eines der wichtigsten Themen. Die Einführung eines elterlichen Erziehungseinkommens, zumindest für die ersten drei Lebensjahre eines Kindes, zur Anerkennung der Gleichwertigkeit von Familienarbeit und Erwerbsarbeit, ist überfällig. Am leichtesten wäre das über eine entsprechende Reform des Elterngeldgesetzes möglich: Um eine tatsächliche Wahlfreiheit herzustellen, hat sich das Elterngeld im Grundsatz an der Höhe der staatlichen Subventionen für einen Krippenplatz zu orientieren, die aktuell mit monatlich ca. 1000 bis 1200 € beziffert werden. Eltern, die sich für Krippenbetreuung entscheiden, hätten dann dieses Geld für deren Finanzierung zu investieren. Nach Maßgabe der Entwicklungs- und Bindungsforschung ist der Elterngeldbezug auf die ersten 36 Lebensmonate des Kindes auszudehnen.

Das seit 65 Jahren bis heute bestehende Prinzip „Eltern investieren, andere profitieren“ ist nicht zukunftsfähig. Es hat bereits heute die Lebensgrundlage der Familien weitgehend zerstört und infolge des Geburtendefizits auch unser Sozialsystem in Schieflage gebracht. Die einseitige Förderung der Fremdbetreuung ist nach allen seriösen Erkenntnissen nur ideologisch, aber niemals sachlich begründbar. Sie widerspricht auch eindeutig den Forderungen unseres Grundgesetzes.

Wir freuen uns festzustellen, dass einzelne Abgeordnete der CDU die Schieflage, in die die Familie als tragender Pfeiler unserer Gesellschaft manövriert wurde, erkennen und das Profil ihrer Partei dahingehend schärfen wollen.
Auf Wunsch sind wir gerne zur Kooperation bereit.
Zur weiteren Erläuterung fügen wir unser neues Faltblatt „Die Reform des Elterngeldgesetzes“ bei.

Mit freundlichen Grüßen

Gertrud Martin
Vorstandsmitglied im Verband Familienarbeit e.V.

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