Mein Geld | Dein Geld – Unser Geld – Ausgabe 3/2005

Finanzielle Arrangements in Paarbeziehungen.
Ein Beitrag von Sabine Allmenröder

Frühjahrstagung der Deutschen Gesellschaft für Hauswirtschaft (dgh) vom 8. April 2005 an der Universität Bonn. Ein hinterfragender Bericht.

Darf ich vorstellen: Karola und Klaus. Die beiden sind 32 Jahre alt, seit knapp sieben Jahren ein Paar und leben auch fast von Beginn an zusammen. Sie sind nicht verheiratet. Bei ihnen lebt Karolas Tochter (elf Jahre), deren Vater aber nicht Klaus, sondern ein früherer Partner von Karola ist.

Ich habe die beiden auf der Frühjahrstagung der dgh in Bonn kennen gelernt. Dr. Tatjana Rosendorfer, ökotrophologin an der Universität München, hat sie mir und den anderen ZuhörerInnen ihres Vortrags: "Mein Geld – dein Geld – unser Geld" über Geldarrangements in Paarbeziehungen, vorgestellt. Klaus und Karola sind eines von zwölf Paaren, bei dem beide Partner über ein eigenes Einkommen verfügen, die die Wissenschaftlerin zweimal innerhalb von drei Jahren nach dem Umgang mit ihrem Geld befragt hat.

Ich bin nur fünf Jahre älter als Karola und Klaus, doch lebe ich in einer völlig anderen Welt, sozusagen in einem Paralleluniversum: während ich im Beziehungs- und Familienmodell der 50er und 60er Jahre hängen geblieben bin, der so genannten bürgerlichen Kleinfamilie, haben die beiden und ihre Tochter es geschafft: sie sind in der "zweiten Moderne" angekommen. Tatjana Rosendorfer schildert deren Lebenssituation wie folgt:
"Beide sind in der Softwarebranche tätig, zunächst als Angestellte. Doch in den drei Jahren bis zur Wiederholungsbefragung hat sich Klaus als IT-Consultant selbständig gemacht, nachdem sein Arbeitsplatz bei einem großen Elektronikkonzern unsicher geworden war; Karola will sich nun ebenfalls im Softwarebereich selbständig machen.

Wie sehen die Geldarrangements bei Karola und Klaus aus?

Das Paar praktiziert eine fast vollkommene Trennung seiner Geldangelegenheiten. Diese Trennung umfasst sowohl die Einnahmenseite als auch die Ausgaben für den Lebensunterhalt sowie Investitionen, Geldanlagen, Risikovorsorge und Versicherungen. In der Praxis wird dies folgendermaßen realisiert: Jeder Partner verfügt über ein eigenes Bankkonto, auf dem das eigene Geld verwaltet wird. Zur Bestreitung gemeinsamer Lebenshaltungskosten wurde ein gemeinsames Konto eingerichtet, auf das beide einen jeweils festen Betrag per Dauerauftrag überweisen. Von diesem gemeinsamen Konto werden die Miete, Nebenkosten, Telefongebühren und ähnliche Ausgabeposten abgebucht.

Für Bareinkäufe wie beispielsweise Lebensmittel und andere Dinge des täglichen Bedarfs existiert ein gemeinsamer Geldbeutel, in den ebenfalls jeder Partner einen gleich hohen Betrag einzahlt. Wenn Karola und Klaus ausgehen (Restaurant, Kneipe), so zahlt jeder für sich, es sei denn, einer lädt den anderen ausdrücklich ein. Werden größere Anschaffungen wie Möbel oder Unterhaltungselektronik getätigt, so wird von vornherein festgelegt, wer diese Gegenstände im Falle einer Trennung erhalten würde. Demnach ist der gesamte Hausrat den jeweiligen Partnern zugeordnet, einen gemeinsamen Besitz gibt es nicht. Für die Dokumentation der Besitzverhältnisse werden Listen geführt (Excel-sheets); Geräte oder Möbelstücke werden auch mit Namensschildern versehen, so dass jederzeit ersichtlich ist, wem was gehört. Zur Trennung der Geldangelegenheiten gehört schließlich, dass beide jeweils ihre eigene Vorsorge für das Alter, eigene Sparverträge und Versicherungen abgeschlossen haben. Dabei wählen Karola und Klaus durchaus unterschiedliche Vorsorgestrategien und Finanzdienstleistungsprodukte.

Die strikte Trennung der Kassen hat zur Folge, dass beide Partner nach Abzug der fixen und variablen Lebenshaltungskosten einen individuell frei verfügbaren Einkommensanteil haben, über dessen Verwendung keine Aushandlung nötig ist. Jeder ist daher für seine
finanzielle Situation verantwortlich und kann mit dem eigenen Geld machen, was er will. Die ökonomische Eigenverantwortlichkeit und Unabhängigkeit, die sich in der Regel nur realisieren lässt, wenn man alleine lebt und wirtschaftet, schafft für das Paar K. eine wesentliche Voraussetzung für das Gelingen ihrer Partnerschaft."1

Zweite Moderne contra Normalfamilie

Wow! So also sieht sie aus, die "zweite Moderne". Wenn ich das geahnt hätte, dass in meinem Land, zu meiner Zeit ein solches Leben möglich ist! Warum nur habe ich den magischen Spiegel nie gefunden, der mir den übertritt in diese Galaxie erlaubt hätte? Stattdessen erkenne ich mich voll Entsetzen im Modell der "bürgerlichen Kleinfamilie" aus den fünfziger Jahren wieder, das Tatjana Rosendorfer in ihrem Vortrag ebenfalls erläutert: "Dieses Modell ist zum einen gekennzeichnet durch die Verkoppelung einer aus Liebe geschlossenen Ehe und der Elternschaft. Zum anderen weist die Normalfamilie eine geschlechtsspezifische Aufgabenteilung auf, in der der Mann als Familienernährer in der Regel allein für die ökonomische Sicherung zuständig ist, während die Frau als Hausfrau und Mutter auf den Haushalt, die Versorgung der Kinder und den emotional-affektiven Bereich verwiesen ist. Die normativ festgelegte Rollenkomplementarität von Mann und Frau hatte zur Folge, dass somit auch die Ordnung von Liebe und Geld geregelt war: Das vom Mann erzielte Einkommen galt fraglos als gemeinsames Familieneinkommen und bedurfte dem normativen Modell zufolge keiner Aushandlung. Im Gegenzug dazu erfüllte die nicht oder allenfalls teilzeit erwerbstätige Ehefrau ihre Haus- und Familienarbeit und verwaltete dazu das ihr zur Verfügung stehende Haushaltsgeld."1

Tausche Liebe gegen Geld ?

Oh Gott, dass ist wirklich hoffnungslos rückständig. Ich sitze im Hörsaal, gelähmt von der jähen Erkenntnis. Wie … wie konnte mir das passieren? Klaus und Karola können es sich leisten, auf die Tauschbarkeit von Geld gegen Nicht-Geld zu verzichten:
"Karola und Klaus lehnen beide den dem Geld innewohnenden Verpflichtungscharakter vehement ab und räumen daher dem Geld keine Möglichkeit der Konvertibilität ein. Geld kann nur gegen Geld getauscht werden und gegen nichts anderes, nicht gegen Liebe, Zeit, emotionale Unterstützung, Hausarbeit oder anderes. Damit meiden Karola und Klaus dieses symbolisch offene Feld und entziehen auf den ersten Blick dem Geld die Grundlage für Macht."1

Und ich? Ich tausche Geld gegen Liebe, Zeit, emotionale Unterstützung, Hausarbeit und anderes. Igitt! Das klingt so … unanständig. Prostituiere ich mich damit am Ende? Bei meinem Mann und mir ist alles Geld "Reproduktionsgeld" (noch so ein unanständiges Wort!), lerne ich bei Tatjana Rosendorfer. "Reproduktionsgeld ist Geld, das für die Notwendigkeiten des alltäglichen Lebens eingesetzt wird, wobei hier all das "notwendig" ist, was das Paar zur Realisierung seiner gemeinsamen Beziehung als notwendig erachtet"1, sagt die Wissenschaftlerin. Auf diese Weise mit Geld umzugehen "setzt ein kollektivistisches Beziehungskonzept voraus, ein Beziehungskonzept, in dem das Gemeinsame Vorrang vor individuellen Entfaltungsinteressen hat. Häufig geht dies mit dem Geldarrangement einer gemeinsamen Kasse einher: Alles Geld ist gemeinschaftlich und soll daher auch weitgehend für gemeinschaftliche Zwecke verwendet werden. Individuelle Konsuminteressen müssen da u.U. gerechtfertigt oder eben ausgehandelt werden."1

Ja, so erlebe ich das auch. Eigentlich schätze ich diese Einstellung an meinem Ehepartner ungemein, und ich finde es wertvoll, dass meine Kinder in diese gemeinschaftsorientierte Lebenseinstellung hineinwachsen.

Was mich stört, sind nur die hohen Zusatzkosten: Ich bezahle für diese luxuriöse Lebenseinstellung einen hohen Preis: Betriebswirte nennen es die Kosten für entgangenen Nutzen und in meinem Fall bedeutet es den Verzicht auf ein eigenes Einkommen und eine eigene Altersabsicherung. Das ist das einzige, was mich echt stört an meiner/unserer ach so steinzeitlichen Lebensgestaltung.

Rentensystem ohne Kinderkasse – kurzsichtiger Garant für den Wahlsieg

Und dafür mache ich die Architekten unseres Renten- und Steuersystems verantwortlich. Herr Adenauer hat 1957 (schon damals wider besseres Wissen) das Konzept des Nationalökonomen Wilfrid Schreiber2 nur halb übernommen und statt der Kinderkasse und der Rentenkasse nur eine Rentenkasse unter dem falschen Begriff "Rentenversicherung" eingeführt, von der zu allem überfluss auch noch die Beamten und die Freiberufler ausgenommen waren. Die Last des Alterns und irgendwann nicht mehr für den Lebensunterhalt arbeiten zu können, war danach kollektiv abgesichert, die Last aber, Kinder großzuziehen und deshalb nicht erwerbstätig sein zu können, blieb Privatsache.

Diesen Zusammenhang erläutert Gabor Steingart in seinem Artikel "Der deutsche Defekt".3 "Schon sehr früh räumt der Volkswirt und Jesuitenpater Oswald von Nell-Breuning, ein Mitverfechter der damaligen Rentenreform, den Jahrhundert-Irrtum ein. Er forderte die politische Führung damals auf, [mit folgenden Worten“> vor das Volk zu treten: "Liebe Leute, was wir euch da erzählt haben von der bruttolohnbezogenen Rente, ist Unsinn. Wir haben den Unsinn selbst geglaubt. Wir haben den Strukturwandel im Altersaufbau der Gesellschaft nicht vorausgesehen und wir haben seine Bedeutung völlig verkannt.""

Von Nell-Breuning forderte die Politiker zur Umkehr auf. Jedoch umsonst: Der Geldsegen für die Rentner bringt Adenauer den Wahlsieg. "Wann werden die Folgen dieser Entwicklung sichtbar werden?" soll er gefragt haben. In vierzig Jahren – der über 80jährige Politiker winkt ab … Seither hat das Bundesverfassungsgericht mehrfach darauf hingewiesen, dass die derzeitige Steuer- und Rentenpolitik dem Auftrag des Grundgesetzes – zur Förderung der Familie als Basis unserer Gesellschaft – entgegenläuft. Geändert hat sich nichts.

Und danach richten sich die Leute: Alt werden sie immer noch, aber vor dem Kinderkriegen können sie sich hüten – und das tun sie auch. Sie hüten sich überhaupt sehr davor, sich eventuell einen Klotz ans Bein zu binden, so wie Karola und Klaus: Bei ihnen ist "das Reproduktionsgeld auf das absolute Minimum reduziert und daher größtmögliche Einkommensanteile für individuelles Extensionsgeld reserviert", analysiert Rosendorfer, und fährt fort: "Doch lässt sich die Illusion von der Entmachtung des Geldes in ihrer Beziehung nur solange aufrechterhalten, solange ihre beruflichen Entwicklungen weitgehend symmetrisch verlaufen und sich ähnliche ökonomische Erfolge einstellen."1

Mit anderen Worten: Mehrere Kinder, um die sich ein Ehepartner verstärkt kümmert, sind ebenso "nicht vorgesehen" wie die Möglichkeit, dass es für einen von beiden mal beruflich nicht mehr so gut läuft, ganz zu schweigen vom gegenseitigen Einstehen bei Krankheit oder anderen Unglücksfällen.

Und doch muss ich sagen: diese Lebenseinstellung ist die konsequente Ausrichtung auf die von der Politik geschaffenen aktuellen Rahmenbedingungen.
Wer es anders macht, schädigt sich zurzeit sehenden Auges selbst! Dass sich das ändert, dafür müssen wir einstehen. Wilfrid Schreibers Modell sah vor, "dass der berufstätige Familienvater für den Opa zahlt und für die Kinder kassiert, Alleinstehende zahlen für beide" 3. Zu einem solchen System müssen wir hinkommen (allerdings so, dass die Familienmutter an den Finanzen gleichberechtigt ist). Alles andere ist systematische Ausbeutung von Familienarbeit.

Quellen:
1) Zitate aus dem Redemanuskript von Dr. Tatjana Rosendorfer
2) Wilfrid Schreiber war von 1949 bis 1959 Geschäftsführer des Bundes Katholischer Unternehmer (BKU)
3) SPIEGEL special "Die Deutschen", Heft Nr.4, 2005, S.122 ff.

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