Lechts oder rinks? (Teil 1 und 2)

Beitragsbild: Deutscher Bundestag

Von Beri Fahrbach-Gansky aus der fh 1/24

Teil 1:

Der Verband Familienarbeit e.V. wurde und wird zunehmend als „rechts“ eingestuft. Diese Zuschreibung sorgt für Unbehagen. Mit diesem Artikel will ich Klarheit schaffen. Unser Verband war schon immer ein bunter Haufen. Wir hatten und haben Mitglieder von verschiedenen Parteien, die in der Vergangenheit auch noch viel gegensätzlicher waren. Die unterschiedlichsten Glaubensrichtungen und Weltanschauungen waren und sind vertreten. Das ist unsere Stärke! Der Feminismus, der ja eher „links“ verortet wurde und wird, ist immer noch stark vertreten. Uns vereint das gemeinsame Interesse an der Aufwertung, Anerkennung und finanziellen Absicherung der Familienarbeit und an sozialer Gerechtigkeit für Familien, z.B. im Rentenrecht, usw.

Ich will drei Beispiele anführen von Erlebnissen und Erfahrungen, die mich zunehmend stutzig werden ließen. Mir geht es im Folgenden nicht um spezielle Themen. Sie dienen lediglich als Beispiel:

1. Als junge Mutti – geprägt auf eine Orientierung an Mutter Natur – war es für mich selbstverständlich, meinen Kindern eben auch natürliche, artgerechte Entwicklungsbedingungen zu bieten, also z.B. für meine Kinder da zu sein, so wie jede Affen- oder Rabenmutter selbstverständlich für ihre Kleinen sorgt. Jean Liedloff, selbsternannte Ethnologin im südamerikanischen Urwald, schwärmte einer ganzen Generation von Müttern von den indianischen Müttern und ihren natürlich aufwachsenden Kindern vor.1 Umso erstaunter war ich, dass der Kurs der Grünen in eine ganz andere Richtung triftete: Freilauf für die Hühner, artgerechte Haltung für Schweine. Aber bei den Menschenkindern war da nicht nur keine Rede davon, es wurde ausdrücklich Massenkinderhaltung gefordert. Natürlich mit anderen Worten. Was Schweinchen und Hühnchen krank macht, misshandelt und Tierschützer auf den Plan ruft, sei für das Menschenkind „frühkindliche Bildung“. Auch die CDU – wenn auch schwerfälliger – propagierte zunehmend das nicht gelebte Familienleben als das neue Familienleben unter dem Zauberwort „Vereinbarkeit von Beruf und Familie“.

2. 2020 fand hier eine Kundgebung mit Hauptthema „Demokratie und Grundrechte“ statt: Auf der anderen Seite des Platzes waren Antifa und Grüne sehr lautstark zu einer Gegendemo versammelt. Der Veranstalter der Demokratie-Demo lud die Gegendemonstranten mehrfach ein: Wo ist das Problem? Lasst uns miteinander reden! Wir wollen doch dasselbe! Warum bekämpft ihr uns? Usw. Die Gegendemonstranten gingen nicht darauf ein und drehten lieber ihre Lautsprecherboxen lauter. Das hat mich schon sehr irritiert.

3. In unserem Städtchen wurde 2022 zu einem politischen Abend der Bündnisgrünen im Festzelt eingeladen. Zwei hochrangige Politiker waren angereist und warben unverhohlen für Waffenlieferungen und für die Verlängerung der Laufzeit der Atomkraftwerke, angeblich zu dem Zeitpunkt nicht vermeidbar. Vor dem Festzelt sammelten sich Demonstranten – ausgerechnet von der AfD aufgerufen – darunter frustrierte Grüne, die „Kriegstreiber“ schrien.

In meiner Jugend hatten die Grünen viel Erfolg mit dem Motto: „Frieden schaffen ohne Waffen!“ und den legendären Aufklebern „Atomkraft – Nein, danke!“. Und jetzt? Wo ist da rechts oder links oder grün? Ich war verwirrt.

Diese Erfahrungen ließen mich zu dem Schluss kommen, dass sich die Begriffe „rechts“ oder „links“ oder „grün“ eigentlich nicht mehr zweifelsfrei zuordnen lassen Dagegen schien der Mainstream, Medien, Politik und Prominenz, noch sehr genau zu wissen was rechts und links ist: „Rechts“ war auf einmal grundsätzlich nichts Ehrenwertes und Gesellschaftsfähiges mehr, sondern grundsätzlich verderbt. Alles was sich rechts von Angela Merkel befand – und das war fast alles – war nun „radikal rechts“. Sehr großzügig wird dieses Etikett allen Andersdenkenden verpasst und eben auch dem Verband Familienarbeit e.V.

Manche sehen gar in Familienverbänden Parallelen oder eine Weiterführung des Mutterkultes im Nazideutschland. Belege gab es für eine solche Behauptung nie. Das sind schon sehr harte, beleidigende Vorwürfe! Wie konnte das geschehen? Ich sehe im Mütterkult des Nationalsozialismus eine knallharte Bekämpfung aller Mütterlichkeit: Kinder gebären für den Führer und seine Ideologie! Eine „schwarze Pädagogik“ machte Stimmung gegen Bindung und Bemuttern.

Wo Ideologien zum Leitfaden allen Handelns werden, führt das leicht in totalitäre Strukturen. Rechte und linke Ideologien haben das gemeinsam. Das beweisen auch die neueren Denkrichtungen, wenn sie in den Ideologiestatus erhoben werden, wie z.B. Gender und Veganismus.

Von daher kam mir auch schnell der Verdacht, dass diese Worte „rechts“ und „links“ und „grün“ im Grunde ihres geschichtlichen Bezugs und ihres Inhaltes entleert wurden. Als Worthülsen und höchst negativ besetzt, werden sie all jenen aufgeklebt, die nicht dem Mainstream folgen.

Der Verband Familienarbeit e.V. pflegt ein Welt- und Menschenbild, in dem Mütter als Mütter und Väter als Väter noch selbstverständlich und natürlicherweise vorkommen, und wir thematisieren soziale Gerechtigkeit in Bezug auf Familien. Das ist nicht erwünscht. Deshalb werden wir auch angegangen.

In den letzten Jahren haben auch Grüne und Linke Kritik an den Vorstellungen und den angeblichen alternativlosen Programmen der Regierung geübt. Wenn eine linke Person und eine als „rechts“ beschimpfte die gleichen Kritiken vorbringen, wird es mit der Zuschreibung von rechts und links kniffelig. Geradezu ein Eigentor schießen die Diffamierenden, wenn sie bei denjenigen eine Gefährdung von Recht und Ordnung sehen, die eigentlich Recht und Ordnung noch einklagen, wie eben unserer Verband Familienarbeit e.V. Vor Gericht gewonnene Klagen bieten reichlich Zeugnis: Es geht nicht um rechts oder links sondern um Rechtswidrigkeiten.

Eine Rechtsprechung, die denen Recht gibt, die sich für Recht einsetzten? Darf das noch sein? Auch hier beobachtet man leider ungute Entwicklungen: Klagen werden einfach nicht angenommen. Urteile ignorieren wichtige Sachverhalte. Gesetze werden geändert oder neue erlassen, um damit zu verhindern, was zu verhindern ist. Dazu gehören für mich auch die angepeilten Kinderrechte und das Selbstbestimmungsgesetz, mit denen Elternrechte untergraben werden.

Gewissermaßen in der Falle sitzen die Diffamierer, wenn sie sich immer mehr darüber definieren, was sie nicht seien, nämlich das, was sie selber als rechts definieren und diffamieren. Das ist für sie gefährlich. Warum berufen sie sich nicht auf ihre ursprünglichen, z.B. linken Werte? Weil da so mancher Widerspruch schnell offensichtlich würde? Kann man es sich also sparen, sich über derlei Diffamierungen aufzuregen? Einfach ignorieren?

Nein, es rückt uns in die Nähe von Totalitarismus und Massenmord. Es wird gar getan, als müsse man die Gesellschaft vor uns schützen. Damit wird dann legitimiert, dass man Andersdenkende immer härter angeht, z.B. durch Zensur.

 

1 Jean Liedloff, Auf der Suche nach dem verlorenen Glück: gegen die Zerstörung unserer Glücksfähigkeit in der frühen Kindheit, Verlag C.H.Beck München 1980

[Forts. in Familienarbeit heute 02/2024]

 

Teil 2:

In dieser Fortsetzung des in Fh 1/2024 abgedruckten 1. Teils des Artikels „Lechts oder rinks“ sollen weitere Diffamierungen und Beschimpfungen unseres Verbandes thematisiert werden: Es geht um die politische Zuordnung unseres Verbandes zur (extrem) rechten Ecke.

Im ersten Teil zum Thema habe ich anhand eigener Erfahrungen dargestellt, dass sich rechts und links nicht mehr zweifelsfrei zuordnen lassen. Parteien, die früher für Naturverbundenheit standen, – das wäre für mich z.B. auch eine „natürliche“, „artgerechte“ Kindererziehung – oder für „Frieden schaffen ohne Waffen“ oder „christlich“ oder „sozial“, vertreten das allenfalls noch sinnentleert als Fassade. Und „rechts“ ist nun all das, was nicht regierungskonform ist, egal welche Werte wirklich zugrunde liegen. Jede Person und jede Vereinigung, die es wagt, Kritik zu üben, noch eine eigene, abweichende Meinung zu haben, bessere, grundrechtskonformere Vorschläge zu machen, wird angegangen.

Weil unser Verband Familienarbeit e.V. auch eine regierungskritische Meinung vertritt, sich für die Aufwertung, Anerkennung und finanzielle Absicherung der Familienarbeit und für soziale Gerechtigkeit für Familien einsetzt, wird auch er in die (extrem) rechte Ecke gestopft.

Kann man es sich also sparen, sich über solche Diffamierungen aufzuregen? Einfach ignorieren?
Nein, es rückt uns in die Nähe von Totalitarismus und Massenmord. Es wird gar getan, als müsse man die Gesellschaft vor uns schützen. Damit wird dann legitimiert, dass man Andersdenkende immer härter angeht, z.B. mit Zensur. Wir müssen uns natürlich deutlich distanzieren. Aber wovon genau? Und wie?Beschimpfung und Diffamierung bewirken Folgendes:

  • Sie suggerieren, wir seien nicht mehr Teil der Gesellschaft. Wer aber ist die Gesellschaft und wer gehört dazu? Wenn da welche sind, die das bestimmen und denen man dieses zugesteht, haben wir den Boden der Grundrechte und der Demokratie bereits verlassen.
  • Sie kaschieren, dass stimmige Argumente fehlen und dass eine sachliche Diskussion damit blockiert wird: Mit „Rechten“ dürfe man nicht diskutieren! Man darf sie schon gar nicht anhören!
  • Sie schüchtern ein und erreichen, dass die wahren Probleme nicht mehr benannt werden, denn schon das Benennen der Probleme ist „rechtsradikal“.
  • Da alle Vorstellungen und Meinungen, die nicht dem Mainstream entsprechen als (extrem) rechts diffamiert werden, ist faktisch keine Meinungsfreiheit mehr gegeben.

Ich schlage deshalb Folgendes vor:

1) Wenn wir uns von rechts distanzieren, sitzen wir schon in der Falle. Dann teilen wir die Deutung, dass rechts nur noch schlecht und böse sei, dass alles, was rechts von links, also fast alles, rechtsextrem oder radikal oder grundrechtsverletzend sei. Darauf dürfen wir uns nicht einlassen! Wir dürfen uns nicht in ein derart primitives schwarz-weißes rechts-links Weltbild hineinziehen lassen. Es gilt vielmehr zu betonen, dass wir als Verband überparteilich, weltanschaulich und ideologisch neutral sind. Und: Dass wir den Grundrechten verpflichtet sind. Wir sind ein Interessenverband! Es geht nicht um rechts oder links, sondern um Rechtswidrigkeiten und Grundrechtsmissachtungen, wie im Renten- und Sozialversicherungsrecht oder wie die durch die einseitige staatliche Förderung gegebene Nötigung der Eltern, ihre Kinder in Fremdbetreuung zu geben.

Ich persönlich habe beschlossen dieses unglückselige Rechts-Links-Denken hinter mir zu lassen. In Anbetracht dieses Wirrwarrs hat sich bei mir so etwas wie eine Rechts- Links-Schwäche entwickelt und eine Rot-Grün Schwäche dazu.

Ich plädiere dafür, alle – von rechts nach links, von grün bis schwarz – an den Grundrechten und überhaupt an unserem Grundgesetz zu messen. Dazu ein aktuelles Beispiel: In der WHO wurde eine Satzungsänderung auf den Weg gebracht, in der die Begriffe „Grundrechte“ und „Würde des Menschen“ gestrichen sind. Mehr und härter soll nun „Desinformation“ angegangen werden. Was Desinformation ist, bestimmt dann natürlich die WHO. Das ist ein offener Angriff auf Meinungs- und Pressefreiheit. Trotz all dem hat der Bundestag – außer der AfD – zugestimmt, dass die WHO mehr Macht erhalten soll. Im Hinblick auf die Grundrechte ist das katastrophal.

2) Ich schlage vor, die Prinzipien der Menschlichkeit und des Realitätsbezugs walten zu lassen. Das wäre ein Artikel für sich.
Im GG kommt kein „links“ und „rechts“ vor. Zur Demokratie gehören Meinungsvielfalt und unterschiedliche Haltungen. Existentiell für Demokratie und Grundrechte ist die Diskussion.

Paradoxerweise verletzen genau diejenigen, die vorgeben Demokratie zu schützen, die Grundrechte und die Spielregeln von Demokratie, indem sie anderen Vorstellungen das Existenzrecht absprechen und die Diskussion verweigern. Letzteres habe ich immer wieder erlebt und auch unserem Verband Familienarbeit e.V. wird in dieser Weise begegnet.

Der Verband Familienarbeit e.V. hat es nicht nötig, sich in die Rechtfertigungsecke drängen zu lassen. Auf keinen Fall sollten wir uns einschüchtern lassen.

Offensiv und vielleicht mit Kreativität und Humor sollten wir dem begegnen und vor allem die Widersprüchlichkeiten auf den Tisch bringen.

Es gilt weiterhin unsere Anliegen zu thematisieren und die Diskussion einzufordern. Schließen will ich mit einem Gedicht von Ernst Jandl, an das mich diese ganze Problematik erinnert:

lichtung
manche meinen
lechts und rinks
kann man nicht velwechsern werch ein illtum

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