Aus der fh 2/22 von Nadine Thoma
„Wer eine humanistische Pädagogik und Gesellschaft (Anm. Autorin) will, muss die Gleichberechtigung der Frau auf sein Programm schreiben.“ (Adler in: „Klassiker der Tiefenpsychologie“ 1997)
Hier meint er allerdings einen anderen Weg als den aktuell feministisch populistisch frankierten. Denn Gleichberechtigung heißt nicht automatisch, dass die Frau das gleiche tun muss, was ein Mann tut. Vielmehr bedeutet es – in meinen Augen – die Gleichstellung der Wertigkeit ihrer Arbeit, unabhängig, ob „erwerbstätig“ oder innerhäuslich pflegerisch geleistet.
Minderwertig ist die von den Eltern geleistete fürsorgliche und erzieherische Kinderpflege keineswegs, allenfalls wird sie als dies verkannt oder ihr Wert gar geleugnet, da ihr die monetäre Entlohnung, wie sie bei sog. Erwerbsarbeit geleistet wird, bis heute versagt bleibt.
Wie Gemeinwohl stiftend Kinderaufzucht (neudeutsch: Kinderbetreuung) ist, wurde in vielen Beiträgen unseres Verbandes anschaulich erörtert, beispielsweise im Zusammenhang mit der Sicherung des umlagebasierten Rentensystems. Allein die einst von Eltern umsorgten, inzwischen arbeitsfähigen und -willigen Erwachsenen sichern unser seit 1957 bestehendes Rentensystem.
Bekämen die Eltern, die schlichtweg die Existenzgrundlage dieses Systems darstellen, ein adäquates, an der Erwerbsarbeit gemessenes Entgelt als elterliches Erziehungseinkommen (EEE) und später dann im Rentenalter auch „Elternpunkte“ und nicht nur eine fast ausschließlich an Erwerbstätigkeit gekoppelte Verrentung, wäre dieses System sozialverträglich, gerecht und humanistisch wertebasiert. Dass dem nicht so ist, dürfte mit Hilfe der ehrenamtlichen Arbeit der Mitglieder des Verband Familienarbeit e.V. bekannt sein.
Die Ungerechtigkeit unserer Gesellschaft gegenüber der für ihre Existenz unentbehrlichen elterlichen Erziehungsleistung scheint allerdings keine Grenzen zu kennen. Der Feminismus versucht hier lediglich populistisch abzufedern.
Modern, bzw. „political correct“, erscheint, dass Frauen auf dem Erwerbsarbeitsmarkt mitmischen sollen, um ihre Gleichwertigkeit zum Ausdruck zu bringen. Dass zudem die alleinerziehenden Mütter mit ungleich höheren Hürden zu kämpfen haben, als Frauen ohnehin schon, wird gern ignoriert, verschwiegen oder gar „weggegendert“.
Nach moderner Auffassung soll also, wenn ich es recht verstehe, Frauen-Erwerbsarbeit den weiblichen Minderwert ausgleichen?! Und dies auf einem vom Patriarchat geprägten Arbeitsmarkt.
Als minderwertig empfinde ich – selbst dreifache Mutter – allenfalls die Einstellung der Gesellschaft und der Politik, dass ich für meinen so genannten „Erziehungsurlaub“ ein kleines Almosen („Elterngeld“) empfange, aber erst nachdem ich mich durch einen Antrags- und Verwaltungsdschungel gekämpft habe. Um dann, nach einer in keiner Weise den evolutionsbiologischen Vorgaben entsprechenden, verkürzten Zeit meine „U3“-Kinder in staatlich subventionierte, als „frühkindliche Bildungseinrichtung“ euphemisierte „Ganztagsbetreuung“, abzugeben, um damit „frei“ von meinen Kindern „richtig“ arbeiten zu gehen. Das ist nicht nur eine Missachtung meiner mütterlichen, sondern auch meiner weiblichen Ur-Anlagen.
Mich machte es glücklich, und ich empfand es als sinnstiftend und erfüllend, meinen Kindern bis zu ihrem Schuleintritt eine Umwelt zu sichern, die ihren Entwicklungsbedürfnissen entsprach. Auch wenn ich dadurch zur Hartz-IV-Abhängigen wurde. Heute, nach ausgiebigem Studium der Psychologie, Psychotherapie, Individual- und Sozialpsychologie, der Philosophie und Soziologie, weiß ich, dass ich damit einen WERTvollen Beitrag, sowohl für meine Kinder, als auch für die Allgemeinheit geleistet habe. Erst diese Erkenntnis hat mich Jahre nach meinem „Erziehungsurlaub“ auch erkennen lassen, dass ich mich als leistungsfähig und gleichwertig, also nicht als minderwertig ansehen darf.
Dabei wurde die immense Bedeutsamkeit der innerhäuslichen, familiären Erziehung bereits vor ca. 100 Jahren von Alfred Adler auf das Deutlichste aufgezeigt. Er sah damals schon, dass für die Entwicklung von Neurosen (heute sind darunter vielfältige psychische Störungen wie Narzismus, Borderline, Depression, Burn-out, Angst- und Zwangsstörungen, sozial-emotionale Persönlichkeitsstörung u.v.m. zu zählen) häufig die Ursache in einer Gemeinschafts- und Aufgabenflucht und einer Liebesunfähigkeit zu finden sei. Erst die Fähigkeit bzw. Bereitschaft eines Individuums für gemeinschaftliche und gemeinnützige Interaktionen, wie Kommunikation und Kooperation, sichern die Entwicklung eines reifen, antiautoritären sozial-fähigen Menschen. Schon er erfasste „die Fragen des großen sozialen Zusammenhangs“ und hob „vor allem drei Aufgabenbereiche hervor, die sich aus den kosmischen und sozialen Bedingungen des Menschseins naturnotwendig ergeben: Arbeit, Liebe und Gemeinschaft.“ Auch monierte er: Soll die seelische Gesundheit der Heranwachsenden gesichert sein, muss zuoberst die Beziehungsfähigkeit gestärkt werden. Erziehung sei – das betonte er immer wieder – keine „Einbahnstraße“, sondern kann nur auf der Basis von Selbstentfaltung und Selbstwertsteigerung gewährleistet werden und dies bedinge, dass Eltern und Kinder sich gemeinsam bilden und kultivieren müssen. „Es ist unsere Aufgabe, uns selbst und unsere Kinder zu den Instrumenten des sozialen Fortschritts zu entwickeln“, so Adler in „Klassiker der Tiefenpsychologie“ (1997). Die Erziehenden müssen weitläufige Bildungsarbeit leisten, damit Kinder in der „sehr komplizierten“ Kultur ihren richtigen Weg finden können. Dabei wurde von der Individualpsychologie höchster Wert auf die Erziehung durch die Mutter gelegt. „Sie ist die erste Kontaktperson des Kindes; an ihr soll dieses einen verlässlichen Mitmenschen erleben.“ (ebd.) Doch dazu – und das bezeugte auch Adler bereits – braucht es eine tragfähige Ehe und/oder eine unterstützende Gesellschaft, damit die Mutter diese gesellschaftstragende Aufgabe übernehmen kann. Und gemäß der Psychohygiene braucht es „Anerkennung“. Dies könnte nicht besser gelingen als durch ein familienpolitisch gestütztes elterliches Erziehungseinkommen (EEE) und eine an Eltern und Kindern orientierte Medienberichterstattung.
Nadine Thoma ist MA SpoWi, Psychologie, Soziologie, dreifache Mutter, Wildnis-Pädagogin, Humanistin, psy. Beraterin, Betreuerin in beson- derer Wohnform