Geschickte Briefe

Beitragsbild: Symbolbild Kidergeld

Aus der fh 2/22

Wir begrüßten die neue Familienministerin Lisa Paus

Betr.: Reform des Elterngeldgesetzes Villingen, 23.04.2022

Sehr geehrte Frau Ministerin Paus,

Sie treten dieser Tage das Amt der Familienministerin an. Für all Ihr Beginnen wünscht der Vorstand des Verband Familienarbeit e.V. Ihnen eine glückliche Hand.
Mit Interesse haben wir Ihre Rede an den Bundesvorstand von Bündnis 90/Die Grünen vom 16.04.2022 zur Kenntnis genommen, in der Sie sich dafür bedanken, für das Amt der Ministerin vorgeschlagen worden zu sein. Sie sagten: „Das BMFSFJ wird mit mir eine Feministin an der Spitze haben, die einen besonderen Fokus auf die strukturelle Benachteiligung der Frauen legen wird ….“ Und Sie meinen damit alle Frauen? Auch die Mütter?

Das Schreiben, das wir Ihnen hier vorlegen, war ursprünglich an Ihre Amtsvorgängerin, Frau Anne Spiegel, gerichtet. Der Sachverhalt, um den es uns geht, ist unverändert drängend:
Der Berichterstattung Ihres Hauses war zu entnehmen, dass der Etat des BMFSFJ gegenüber dem Entwurf vom Juni 2021 um 147 Mio. € auf insgesamt 12,58 Milliarden erhöht wird. Für deren Verteilung werden viele Töpfe genannt, darunter auch das Elterngeld mit jetzt insgesamt 7,73 Milliarden €.

Zunächst ist diese Nachricht erfreulich. Die Kritik des Verband Familienarbeit e.V. daran ist nach wie vor, dass das Elterngeld in seiner Funktion als Lohnersatz äußerst unsozial ist! Eltern, die per se schon gut situiert sind, bekommen den höchsten Lohnersatz; Eltern, die ohnehin in engsten Verhältnissen leben (Mehrkindeltern, Alleinerziehende, Studierende und Auszubildende) werden mit einem Bruchteil davon, bzw. dem Mindestbetrag abgespeist.

Es ist uns unerklärlich, wie eine sich als sozial verstehende Ampelregierung dieses skandalöse Konzept bedenkenlos weiterführen kann! Einer Verlautbarung der Grünen entnehmen wir, dass Sie „eine überzeugte und erfahrene Kämpferin für soziale Gerechtigkeit“ sind und die Kindergrundsicherung mitentwickelt haben, die Sie jetzt umsetzen wollen. Noch ist allerdings nicht definitiv geklärt, aus welchen Einzelkomponenten sich diese Grundsicherung zusammensetzen wird, sprich: welche der seitherigen vielfachen Instrumente der „Familienförderung“ dadurch abgelöst werden sollen. Aber sicherlich wird das Thema Kinderbetreuung, die Sie erklärtermaßen qualitativ verbessern und flexibler gestalten wollen, eine wesentliche Rolle spielen.

In diesem Punkt dürften allerdings Ihre Vorstellungen von denen unseres Verbands wesentlich abweichen, denn wir verstehen unter „Familienförderung“ nicht allein eine milliardenschwer staatlich organisierte Fremdbetreuung der Kinder, möglichst ab Geburt, also die umfängliche Trennung von Eltern und Kindern mit dem Ziel, beide Eltern für die Erwerbsarbeit freizustellen. Vielmehr wollen wir erreichen, dass die staatliche Finanzierung der Kinderbetreuung sich gerecht auf alle Betreuungsarten erstreckt, also auch die elterliche Betreuung entsprechend umfasst. Das sieht übrigens auch das Grundgesetz so vor! Ein Urteil des BVerfG vom 10.11.1998 (BVerfGE 99, 216, Rn 64) stellt klar: „Nach Art.6 Abs.1 GG steht die Familie unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung. Das Wächteramt des Staates (Art.6 Abs. 2 Satz 2 GG) berechtigt den Staat aber nicht, die Eltern zu einer bestimmten Art und Weise der Erziehung ihrer Kinder zu drängen. Das Grundgesetz überlässt die Entscheidung über das Leitbild der Erziehung den Eltern, die über die Art und Weise der Betreuung des Kindes, seine Begegnungs- und Erlebnismöglichkeiten sowie den Inhalt seiner Ausbildung bestimmen. Diese primäre Entscheidungsmöglichkeit der Eltern beruht auf der Erwägung, dass die Interessen des Kindes in aller Regel am besten von den Eltern wahrgenommen werden.“

In der Anlage übersenden wir Ihnen ein Faltblatt, in dem unser Verband eine sozial orientierte Reform des Elterngeldgesetzes vorschlägt. Wir würden es sehr begrüßen, wenn dieser Vorschlag in Ihrem Hause Beachtung fände. Seine Realisierung mit einer Laufzeit von 3 statt einem Jahr hätte gleichzeitig den Effekt, dass auch die Beteiligung der Väter an der elterlichen Erziehungsarbeit erleichtert würde, da eine solche Regelung sicher auch für viele Väter attraktiv wäre.

Vom Deutschen Juristinnenbund (djb) wurde das Thema „geschlechtergerechte Verteilung der häuslichen elterlichen Erziehungs- und Pflegearbeit“ aufgegriffen. Die Präsidentin, Frau Prof. Wersig, bezeichnete die fehlende Geschlechtergerechtigkeit bei der Verteilung von Sorgearbeit als „strukturellen Missstand“ und als mit dem Gleichstellungsgebot des Grundgesetzes unvereinbar. Nach unserer Überzeugung wird hier das Gleichstellungsgebot des GG falsch gedeutet. Es bezieht sich auf eine „Gleichstellung vor dem Gesetz“ und keinesfalls auf die innerfamiliäre Aufteilung der Sorgearbeit, die dem freien Beschluss der Eltern unterliegt. Entscheidend ist aber, dass alle Eltern vor dem Gesetz, also auch bei der Finanzierung der Kinderbetreuung „gleichgestellt“ werden und zwar unabhängig davon, wie sie diese Betreuung regeln. Der „strukturelle Mangel“ bezieht sich auf die fehlende Akzeptanz des „Rechts der Eltern auf Selbstbestimmung“. Die Bundesregierung sollte sich der Gleichbehandlung der Eltern vor dem Gesetz verpflichtet wissen, wie es das GG fordert, statt den Eltern durch einseitige Finanzierung der Fremdbetreuung „vorzuschreiben“, wie sie die Kindererziehung zu organisieren haben. Nach unserer Auffassung wurde vom djb zu wenig über eine selbstbestimmte Regelung der Kinderbetreuung nachgedacht. Geschlechtergerechtigkeit wird am ehesten dann erreicht, wenn die elterliche Betreuungsarbeit etwa mit einer durchschnittlichen Erwerbsarbeit finanziell „gleichgestellt“ wird, wie es bei Fremdbetreuung der Fall ist.

Der Vorstand des Verband Familienarbeit e.V. fordert eine Gleichstellung der Erziehungsarbeit mit einer durchschnittlichen Erwerbsarbeit und zwar unabhängig davon, ob diese in der Familie durch die Eltern oder außerhalb durch familienfremde Betreuer/innen erfolgt. Diese Reform kann auf der Grundlage der o.g. neuen Finanzausstattung durchaus kostenneutral erfolgen!

Wir bedanken uns im Voraus für die zeitnahe Beantwortung unseres Schreibens.

Mit freundlichen Grüßen,
Gertrud Martin

 

Wir bezogen den Deutschen Juristinnenbund mit ein

Betr. Ihre Stellungnahmen zur geschlechtergerechten Verteilung der elterlichen Sorge- und Pflegearbeit 22.04.2022

Sehr geehrte Frau Prof. Dr. Wersig,

anbei übermittle ich im Auftrag des Vorstands des Verband Familienarbeit e.V. Ihnen zur Kenntnis den Brief, den wir aktuell an das Bundesfamilienministerium gerichtet haben. Darin beziehen wir uns auf eine Stellungnahme des Deutschen Juristinnenbunds zum Thema „geschlechtergerechte Verteilung der elterlichen Erziehungs- und Pflegearbeit“. Es bleibt uns unerfindlich, warum auch Juristinnen sich in diesem Zusammenhang lediglich mit der Gleichstellung der Geschlechter in der Erwerbsarbeit befassen, jedoch keinen Anlass sehen, gegen die vom Staat den Eltern zugemutete Ungerechtigkeit der Nichtbezahlung ihrer häuslichen Erziehungsleistung zu argumentieren. Diese Leistung ist doch die Basis schlechthin für unser gesamtes Staatswesen, und wir finden es skandalös, dass diejenigen, die diese Leistung erbringen – egal ob Mütter oder Väter – dafür unglaubliche finanzielle Benachteiligungen in Kauf zu nehmen haben! Der aus Steuern finanzierte, milliardenschwere Ausbau fast ausschließlich des Fremdbetreuungsangebots verstößt eindeutig gegen die Vorgaben des Grundgesetzes zur Gleichbehandlung aller Arten von Kinderbetreuung! Stört Sie das nicht?

Wir würden uns über Ihre Antwort sehr freuen.

Mit freundlichem Gruß,
Gertrud Martin

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