Buchbesprechung von Gertrud Martin in der fh 1/23
Irene Götz (Hrsg.): „Kein Ruhestand“
Wie Frauen mit Altersarmut umgehen
Verlag Antje Kunstmann | 317 Seiten, 20 Euro | ISBN 978-3-95614-292-5
Nicht nur sein Umfang macht dieses Buch als Bettlektüre ungeeignet. Die gut recherchierten Fallbeispiele rauben einem den Schlaf. Es geht um vor allem westdeutsche Frauen, die dem gesellschaftlichen Leitbild der 50er und 60er-Jahre und dem Beispiel ihrer Mütter folgend, zugunsten der unbezahlten häuslichen Erziehungsarbeit für ihre Kinder ganz oder teilweise auf eine bezahlte Erwerbsarbeit verzichtet haben. Mit Minirenten bekommen sie nun die Quittung dafür, dass sie für dieses schändliche Alterssicherungssystem den Nachwuchs aufgezogen haben. Die meisten der 18 Interviewten müssen inclusive Aufstockung durch Grundsicherung oder Wohngeld von etwas über 1000,- € Monatseinkommen leben. Die offizielle Armutsgrenze liegt bei 1350,- €. Am Beispiel München wird gezeigt, dass viele – um über die Runden zu kommen – ihr vertrautes Umfeld verlassen müssen, um irgendwo im Umland eine bezahlbare Bleibe zu finden. Sie schämen sich ihrer Armut im Wissen darum, dass man ihnen diese als „selbstverschuldet“ anrechnet. Auch heute noch sitzen die Frauen (ggf. Männer, die sich in die Falle namens Gleichberechtigung locken lassen) zwischen den beiden Stühlen „unbezahlte Familienarbeit“ und „bezahlte Erwerbsarbeit“. Wie lange noch?
ich frage mich, was für ein menschenbild haben sie und wie stellen sie sich vor die augenblickliche lage zu verändern? welche ziele verfolgen sie? und bedeutet ihre kritik ein zurück ins mittelalter?
Ich frage mich, welches Menschenbild Sie haben und ob Sie wirklich die bestehende Ungerechtigkeit der Diskriminierung von Frauen und Eltern für richtig halten. Was die Autorin ändern will, entspricht dem, was wir als Verband verändern wollen. Wir wollen die Achtung und Honorierung jeder Arbeit, die für andere geleistet wird. Das gilt für Erwerbsarbeit in einer Fabrik, im Handwerk oder in einem Krankenhaus ebenso wie in einer Familie, wo KInder erzogen und Kranke zu betreuen und zu pflegen sind. Das heutige System, nachdem die Eltern, besonders die Mütter, die KInder erziehen, die dann später gezwungen werden, kinderlosen Erwerbstätigen höhere Renten zu zahlen als den eigenen Eltern, ist ein System, das weder gerecht noch auf Dauer lebensfähig ist. Dieser als „Kommunismus“ getarnte Versuch ist bereits einmal gescheitert. Der erneute Versuch mit Umfärbung von Rot zu Grün wird ebenso scheitern. Schade nur, dass bis dahin unendlich viel Schaden angerichtet wird, der von der nachfolgenden Generation wieder aufgearbeitet werde muss. Gegenfrage: Wie stellen Sie sich denn eine künftige gerechte Gesellschaft vor? Das heutige gedankenlose Gerede von der Gleichberechtigung der Frau, das in Wirklichkeit die bestehende massive Benachteiligung der Mütter verschleiert, kann doch nicht als vernünftiges Zukunftskonzept gelten, vor allem dann nicht, wenn die heutigen und künftigen KInder im Blick sind. .