Gender – Eine Theorie verändert die Gesellschaft (Teil 2)

Beitragsbild: Gender

 

Von F. J. Stuhrmann in der fh 3/2022

Die Gendertheorie stellt Behauptungen in den Raum und lässt dabei naturwissenschaftliche, insbesondere biologische Fakten und Forschungsergebnisse völlig außer Acht. Auf Grundlage des Sozial-Konstruktivismus1 leugnet sie die Welt und ihre Naturgesetze. Der Mensch wird zu einem Spielfeld degradiert, auf dem sich immer neue „Konstruktionen“ und Mischformen von „Geschlechtern“ ergeben.

 

Was wird in der Gendertheorie unter Geschlechtsidentität verstanden?

Eine exakte und wissenschaftlich fundierte Definition des Begriffes „Geschlechtsidentität“ sucht man in der Gendertheorie vergebens. Er wird vielmehr als Worthülse gebraucht, um eine Vielzahl von Geschlechtern zu erfassen.2

Bekanntlich geht die Gendertheorie davon aus, dass die Geschlechterbestimmung sozial konstruiert und somit wandelbar sei. Eine Formulierung wie: „Geschlecht ist das, was du daraus machst.“,3 ist bezeichnend für die Genderliteratur. Zwischen dem weiblichen und männlichen Geschlecht gibt es angeblich eine Reihe von Geschlechtern, mit denen sich Menschen als soziale Wesen identifizieren können. Beispielhaft seien folgende Geschlechter möglich:

cis: Damit sind Menschen gemeint, deren Geschlechtsidentität mit dem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht übereinstimmt.

inter: So nennen sich Menschen, deren körperliche Merkmale weder ausschließlich weiblich noch ausschließlich männlich sind, sondern entweder beides gleichzeitig oder nichts von beidem. Auch die dritte Option »divers« kann in die Personalpapiere eintragen werden.

queerDamit bringt man zum Ausdruck, dass man die gesellschaftliche Norm der Zweigeschlechtlichkeit, also die binäre Beschränkung der Geschlechter auf Mann oder Frau, ablehnt. Und auch bei der persönlichen sexuellen Orientierung steht dieser Begriff für ein solches Verständnis von Vielfalt.

NeutroisNeutrois-Menschen empfinden sich als neutral, wenn es um das Geschlecht geht.

non-binärDas sind Überbegriffe für alle, die die Beschränkung der Geschlechter auf Mann oder Frau ablehnen – Geschlecht sei viel mehr als das.

androgyn: Damit beschreibt man ein Äußeres, bei dem gängige Vorstellungen von Weiblichkeit und Männlichkeit nicht zu erkennen sind, also eine Zuordnung unmöglich ist.

trans*Trans*Menschen leben in einem anderen Geschlecht als dem, das ihnen bei der Geburt zugeteilt wurde.

genderfluid: Wenn die Geschlechtsidentität zwischen verschiedenen Geschlechtern wechselt, und man sich mal mehr dem einen, mal mehr dem anderen zugehörig fühlt, nennt man das genderfluid.4

Behauptungen wie: „Selbst in der Biologie und auch in der Medizin kennt man ganz viele Geschlechter: Das anatomische, das hormonelle, das genetische, das chromosomale und einige mehr“ zeigen schonungslos die Unkenntnis der Gendertheoretiker auf, denn die naturwissenschaftlichen Fakten aus Biologie, Medizin und Physiologie bestätigen derzeit eindeutig die Existenz eines zweigeschlechtlichen Geschlechtertypen. Demnach wird Geschlecht definiert als Entwicklungsrichtung eines Organismus hin auf die Produktion einer bestimmten Art von anisogametischen (ungleichartigen) Keimzellen. Es gibt davon genau zwei: Eizellen und Spermien.5 Folglich gibt es nur zwei Geschlechter, weiblich und männlich. Frauen sind folglich erwachsene Menschen, deren Körper Entwicklungsschritte zur Produktion von Eizellen aufweisen. Bei Männern sind es Spermien.

Tatsächlich gibt es auch Menschen, die über beide Geschlechtsmerkmale verfügen, sogenannte Zwitter oder intersexuelle Menschen. Aber auch bei ihnen liegt keinesfalls ein drittes Geschlecht vor, sondern sie verfügen über beide – männliche und weibliche – Geschlechtsausprägungen.

Bis zum heutigen Tage sind über eine Millionen Lebewesen erforscht worden; ein drittes Geschlecht wurde bei keinem Lebewesen festgestellt.

Bedauerlich in diesem Zusammenhang ist, dass auch das Bundesverfassungsgericht im Herbst 2017 in seiner Entscheidung von der Existenz eines dritten Geschlechtes ausging. Begründet wurde das damit, dass die binäre Geschlechtsauswahl Personen diskriminiere, die sich keinem der beiden Geschlechter – männlich oder weiblich – zuordnen können. Diese Tatsache verstoße gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht. Daraufhin beschloss der Bundestag Ende 2018 die Einführung der Auswahlmöglichkeit „divers“ im Geburtenregister. Diese Option richte sich, so der Gesetzestext, an „Menschen, die wegen einer Variante ihrer Geschlechtsentwicklung weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht eindeutig zugeordnet werden können“.

Diese Annahme, ein „drittes Geschlecht“ zu besitzen, ist – wie im Vorherigen ausgeführt – falsch.
Nun kann man sich die Frage stellen, warum der Bundestag Gesetze beschließt, deren Grundannahmen auf Unkenntnis beruhen? Die Antwort liegt vermutlich unter anderem in der Tatsache begründet, dass gerade mal eine Handvoll Naturwissenschaftler als Volksvertreter im Bundestag sitzen.

 

Welche familienpolitischen Auswirkungen hat die Gendertheorie im Hinblick auf Elternrechte und Kindeswohl?

Elternrechte und Kindeswohl sind Rechtsbegriffe des Familienrechts, die im Grundgesetz, im Bürgerlichen Gesetzbuch und der EU-Grundrechtecharta verankert sind und das Wohlergehen und die Entwicklung eines Kindes oder Jugendlichen schützen sollen. Allerdings wird der Schutz unserer Kinder und Jugendlichen hinsichtlich der Sexualerziehung in öffentlichen Einrichtungen im höchsten Maße sabotiert. Welche Gründe sind dafür verantwortlich?

Schon seit einigen Jahren hat in den Kindergärten und Schulen die Sexualerziehung auf Basis der Gendertheorie Einzug erhalten. Die Grundbedürfnisse eines Kindes sind Schlafen, Essen, Spielen und liebevolle Zuneigung. Daraus leiten sich die pädagogischen Anforderungen wie Pflicht zur Fürsorge und Geborgenheit sowie der Schutz der körperlichen und seelischen Integrität ab. Ein Recht auf Sexualerziehung gehört sicherlich nicht dazu. Dieses Recht obliegt ausschließlich den Eltern. Das Ziel dieser, von Politik, Feministinnen, Gewerkschaften und queeren Lobbyverbänden vorangetriebenen Sexualpädagogik, ist zum einen die Akzeptanz der Leugnung des biologischen Geschlechtes und zum anderen die Akzeptanz aller denkbaren „sexuellen Orientierungen“ mit den dazugehörigen sexuellen Praktiken. Selbst Kinder ab 4 Jahren sollen mit Lebensstil und -praktiken homosexueller Personen konfrontiert werden. Jugendliche in der Hochphase der Pubertät, einer ohnehin schon schwierigen Lebensphase, werden in den Schulen ermuntert, ihre sexuellen Wünsche auch in wechselnden Partnerschaften zu erforschen. Bewusst werden sie in ihrer heterosexuellen zweigeschlechtlichen Identität verunsichert, sexuelle Minderheiten dagegen in ihrem Anderssein bestätigt.

Was hier geschieht, hat mit Freiheit, Toleranz und Antidiskriminierung nichts zu tun, sondern diese hedonistische, auf körperliche Lust reduzierte Sexualerziehung missachtet die natürliche Schamgrenze und zerstört damit die Einheit der Person, die nicht nur einen Körper hat, sondern auch ein Herz, das sich nach Liebe und Familie sehnt.6 Treue, Beständigkeit und Mut zur Verantwortung, die Wertebasis der Familie werden systematisch ausmanövriert.

Diese Sexualerziehung ist ein unerträglicher Eingriff in die vom Grundgesetz (GG) geschützten Elternrechte. Artikel 6 GG schützt den Bestand der Elternschaft und die Eltern-Kind-Beziehung im Hinblick auf Pflege und (Sexual-)Erziehung ihrer Kinder. Dieses den Eltern verfassungsrechtlich gegenüber dem Staat gewährleistete Freiheitsrecht dient in erster Linie dem Kindeswohl, das zugleich oberste Richtschnur für die Ausübung der Elternverantwortung ist. Die gesetzlich verankerte Erziehungspflicht und Erziehungsfreiheit beruhen auf der stillschweigenden Übereinkunft zwischen Eltern, Staat und Gesellschaft, dass Eltern ihrer selbstgestellten natürlichen Aufgabe Genüge leisten. Staat und Gesellschaft haben sich im Hintergrund zu halten. Die Möglichkeit, ins Familiengeschehen einzugreifen, tritt erst ein, wenn die Eltern zur Gefahr für ihre Kinder werden. Als Fazit ist festzuhalten, dass die Gendertheorie darauf abzielt, die Gesellschaft umzuerziehen, indem sie Familie als überholte Lebensform attackiert, in der veraltete Rollen- und Denkmuster befördert werden, und dies geschieht umso leichter, indem man bei den Kindern anfängt. Vergessen zu sein scheint die Tatsache, dass Sexualität das Intimste im Selbstverständnis eines jeden Einzelnen ist und Garant für das Fortbestehen der Menschheit. Die Reduzierung der Sexualität auf den reinen Lustgewinn gemäß der Genderideologie ist unerträglich und in jeglicher Form abzulehnen.

Aber schon ziehen erneut dunkle Wolken am Horizont der Elternrechte auf. Mit dem geplanten Selbstbestimmungsgesetz beabsichtigt die Ampel-Koalition, ein gesellschaftsveränderndes Gender-Ideologie-Projekt umzusetzen. Das neue Selbstbestimmungsgesetz soll es Kindern ab 14 Jahren erlauben, ohne Zustimmung der Eltern, ihren amtlichen Geschlechtseintrag zu ändern. Hierdurch wird die Erziehungsfunktion der Eltern stark geschwächt. Sollten Eltern sich weigern ihr Einverständnis zu geben, so soll das Familiengericht die Entscheidung der Eltern ersetzen.7

Durch die Verbreitung in Funk und Fernsehen, dem Internet und vor allem in den sozialen Netzwerken, überschwemmt die Transgender-Ideologie die Kinder und Jugendlichen mit schwindelerregender Geschwindigkeit. Bereits jetzt fühlen sich immer mehr Heranwachsende in der Pubertät als im falschen Körper geboren. Gerade dieser Lebensabschnitt, in dem Kinder und Jugendliche Grenzen ausreizen möchten, wird es den Eltern versagt, einzuschreiten.8 An Schulen soll die Ideologie noch offensiver vorangetrieben werden. Die Koalition machte deutlich:

„Um Queerfeindlichkeit entgegenzuwirken, erarbeiten wir einen ressortübergreifenden Nationalen Aktionsplan für Akzeptanz und Schutz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt und setzen ihn finanziell unterlegt um. Darin unterstützen wir u.a. die Länder bei der Aufklärung an Schulen und in der Jugendarbeit.”9

 

Warum gibt die Anwendung der Gendertheorie in der deutschen Sprache keinen Sinn?

Sprache ist eine wunderbare Erfindung der Menschheit. Sie hat es ermöglicht, Kulturen und Geistesleistungen von zuvor ungeahnter Qualität zu schaffen. Die einzigartige Rolle der Sprache macht sie zu einem mächtigen Mittel der Realitätswahrnehmung und noch mehr der Interpretation der Welt und der eigenen Person. Sprache muss sich in Wort und Schrift pragmatisch entwickeln und darf nicht von oben herab beeinflusst werden. Alle dahingehenden Versuche sind bisher gescheitert.10 Sprache gehört allen!

Diese Auffassung wird allerdings nicht von der Gendertheorie geteilt. Nach deren Behauptung schließt das in der deutschen Sprache verwendete generische Maskulinum Frauen und Personen sexueller Minderheiten aus. Sie würden nicht sichtbar bzw. nur verschleiert dargestellt. Die deutsche Sprache sei ein Paradebeispiel für das Patriachat und die Unterdrückung von sexuellen Minderheiten. Eine Änderung der deutschen Sprache nach Maßgabe der Gendertheorie sei deshalb zwingend erforderlich.

Wer denkt bei den Sätzen: „Ich gehe zum Arzt“ oder „Ich gehe zum Apotheker“ ausschließlich an männliche Vertreter ihres Berufsstandes? Personenbezeichnungen wie der Arzt, der Apotheker, der Lehrer, der Soldat usw. unterliegen dem generischen Maskulinum, welches eine funktionale Zuordnung von Personen kennzeichnet, bei der das Geschlecht keine Rolle spielt. Die ständige Hervorhebung des Geschlechts in allen beliebigen und alltäglichen Zusammenhängen ist sachlich unangebracht, ja geradezu kindisch.

Es ist der Sexus, der das Geschlecht eines Lebewesens eindeutig definiert, die Frau, der Mann, der Kater, die Katze usw. Jedem normalen Menschen sind diese Unterschiede zwischen dem generischen Maskulinum und dem Sexus klar. Um auch sexuelle Minderheiten anzusprechen, fordern die „Genderisten“ beim Schreiben Kunstgriffe in Form von Sternchen*, Unterstrich_, Doppelpunkt :, oder eine besondere x-Form einzuführen. Beispielhaft: Vertreter*innen, Student_innen, Expert:innen, Profes10. Solche Vorstellungen von Sprache haben mit der allgemeinen und historischen Sprachwissenschaft nur sehr wenig zu tun.

Der für die amtliche deutsche Rechtschreibung zuständige deutsche Rechtschreibrat hat in seiner Sitzung vom 26.03.2021 solche künstlichen Eingriffe in die deutsche Sprache abgelehnt.
Steht zu hoffen, dass diese Diskussionen um künstliche Eingriffe in die deutsche Sprache bald ein Ende finden. Umfragen zufolge, lehnen ohnehin ca. 80% der Bevölkerung die genderbasierte Sprache ab.

 

Literaturverzeichnis und Hinweise

1. Der soziale Konstruktivismus ist eine Theorie, die die Bedeutung von sozialen Interaktionen und die Rolle der Kultur bei der Schaffung von Wissen hervorhebt. Sie erklärt, dass soziale Interaktion der Schlüssel zum Aufbau von Wissen ist. Ein Zusammenhang mit „natürlichen“ Gesetzmäßigkeiten wird dabei nicht angenommen.

2. Beispielhaft sei hier das Dokument der Friedrich-Ebert-Stiftung erwähnt, Dorothee Beck und Barbara Stiegler, Das Märchen von der Gender-Verschwörung, Eins, Zwei, Drei viele Geschlechter, Seite 11

3. www.liebesleben.de, Geschlechtsidentität und geschlechtliche Vielfalt

4. www.liebesleben.de, Geschlechtsidentität und geschlechtliche Vielfalt

5. Dossier „Ideologie statt Biologie im ÖRR“, Prof. Dr. Steinhoff, Seite 48

6. Die verlassene Generation, Gabriele Kuby, fe-Verlag, 2. Auflage, 2021

7. Eckpunkte des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und des Bundesministeriums der Justiz zum Selbstbestimmungsgesetz, Juni 2022

8. Deutschland-aktuell.net, 03.06.2022

9. https:/deutschland-aktuell.net/selbstbestimmungsgesetz-kindeswohl/

10. Vgl. Das Ende der Gendersprache, Michael Klein, Hendryk von Reichenberg, Papst Science Publisher, 2021

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