von Monika Bunte
Wo anfangen, wenn es um Frauenrechte geht? An Olympe de Gouges, die im Zuge der Französischen Revolution 1789 Frauenrechte einforderte und dafür aufs Schafott stieg, kommt dabei niemand vorbei.
Ein dreiviertel Jahrhundert später ist des Allgemeinen Deutschen Frauenvereins und seiner Gründerin Louise Otto-Peters zu gedenken. Die Frauen strebten nach Bildung, und im Rahmen der Vereinstätigkeit (ebenso bei danach gegründeten Frauenvereinen) konnte Bildung vermittelt werden. Aber Bildung allein reichte nicht. Welchen Weg gab es zur Teilhabe an der Macht? Der Ruf nach dem Wahlrecht für Frauen wurde laut. Im Jahr 1902 gründete sich der Deutsche Verein für Frauenwahlrecht, wobei die SPD schon seit 1891 in ihrem Erfurter Programm eine solche Forderung formuliert hatte. Die Wahlkriterien sollten allgemein, gleich, unmittelbar, geheim und frei sein. Das „allgemeine“ Wahlrecht sollte sich auf Männer und Frauen beziehen.
Das „gleiche“ Wahlrecht (jede Stimme gilt gleich viel) widersprach dem damals geltenden Dreiklassenwahlrecht. Was bedeutete „Dreiklassenwahlrecht“? Der Staat teilte das gesamte Steueraufkommen in drei Klassen. Nach dem Motto: „Wer viel zahlt, kriegt auch viel“, konnten die Steuerzahler des ersten Drittels der gezahlten Steuern im jeweiligen Parlament auch ein Drittel der Abgeordneten benennen. Das war zum Beispiel in Essen allein der Industrielle Alfred Krupp. Die vielen Proletarier, die am Limit lebten und keine Steuern zahlten, waren zwar zahlreich, aber konnten keine wahlberechtigten Stimmen zusammenbringen.
Die Frauen aus der begüterten Schicht wären froh gewesen, das Dreiklassenwahlrecht ihrer Männer zu bekommen. Die proletarischen Frauen hingegen setzten sich vehement für das gleiche Wahlrecht ein.
Der Kampf der Frauen ums Wahlrecht war unsäglich hart; die Lächerlichkeit (man sehe sich nur die damaligen Karikaturen an!), die Verhöhnung, die Bespitzelung, die Bedrohung von Leib und Leben und die Folgen für Ehe und Familie bei einer wahlkämpferischen Mutter. Am härtesten war die Bedrohung bei den Suffragetten in England, wo Emily Pankhurst als „Kriminelle“ im Gefängnis zwangsernährt wurde.
Dann kam der Erste Weltkrieg. Die endlosen Auseinandersetzungen ums Wahlrecht wurden in Deutschland beiseitegeschoben. Die Frauen arbeiteten an der „Heimatfront“, entweder in bezahlter Erwerbsarbeit oder ehrenamtlich z.B. im „Verein für freiwillige Liebestätigkeit“.
Allen kriegerischen Widrigkeiten zum Trotz fand 1915 in Den Haag der Internationale Frauenfriedenskongress statt. Er kam auf die Anregung von Frauenrechtlerinnen zustande mit 1.136 Teilnehmerinnen aus zwölf Nationen.
Und dann kam 1918 das Kriegsende. Im Zuge der Novemberrevolution formulierte der „Rat der Volksbeauftragten“ das neue Wahlrecht, das auch Frauen zur Wahl zuließ. Am 19. 1. 1919 sind bei der Wahl zur Nationalversammlung erstmalig Frauen dabei. Die Wahlbeteiligung der Frauen betrug 80 %. Hochinteressant sind die damaligen Wahlplakate, und wer eine Ausstellung solcher Wahlplakate in einem Museum sehen kann, sollte das tun. Die Nationalversammlung arbeitet die Verfassung in Weimar aus, weil in Berlin zu viel Krawall war. Am 11. August 1919 unterzeichnet Reichspräsident Friedrich Ebert die 181 Artikel der Weimarer Verfassung mit dem wunderbaren Artikel 109 über das „allgemeine“ Wahlrecht, und „gleich“ ist das Wahlrecht auch!
Im ersten deutschen Reichstag 1920 mit 423 Abgeordneten sitzen 37 Frauen, darunter in der Fraktion der Deutschnationalen Volkspartei (DNVP) Dr. Käthe Schirmacher, die unseren Leserinnen und Lesern durch verschiedene Artikel in „Familienarbeit heute“ bekannt sein könnte, weil sie sich in ihrem Buch „Die Frauenarbeit im Hause“ schon im Jahr 1905 dafür einsetzte, dass es ein Gehalt für Familienarbeit (wie wir das heute nennen) geben müsse.
Ich komme noch einmal darauf zurück, dass es ein unsäglicher Kampf war, den Patriarchen das Wahlrecht für Frauen abzutrotzen. Er dauerte Jahrzehnte. Er wurde mit Ideenreichtum, Demonstrationen, harten Bandagen und auch Geschrei ausgetragen. Und der Erfolg war nur ein Teilerfolg.
Denn: Wie sieht es heute aus mit dem Kampf ums Stimmrecht für kleine Menschen, die dann doch achtzehn Jahre und groß werden? Sie können zwar Rechte und Pflichten haben ab Geburt, aber sie haben nicht das Recht zu wählen. Unsere unmündigen Kinder: wer kämpft für ihr Wahlrecht, und wer ist vehement dagegen? Die Gegner sagen: „Dann kriegen die da (die Eltern) ja mehr Stimmen. Dann stimmt one man/one vote nicht mehr“. Heißt das nicht: Kinder gehören nicht zum Volk? Aber grade sie sind es doch, die Beschlüsse, die heute gefasst und Gesetze, die heute erlassen werden am längsten auszubaden haben. Müssten da nicht die Eltern in Wahrnehmung ihres Sorgerechts für die Kinder die Wahlstimme erheben können? Aktuell gibt es zwar Bestrebungen, im Grundgesetz besondere Kinderrechte neu festzuschreiben. Den Eltern soll es aber verwehrt bleiben, diese Rechte zu vertreten.