Ein Beitrag von Monika Bunte
Wie lange sind wir schon dran an dem Thema Schule und hauswirtschaftliche Bildung im weitesten Sinn? – In Nordrhein-Westfalen starteten wir (mehrere Verbände im Landesfrauenrat) eine Initiative, und sie reichte bis ins Ministerium für Schule und Weiterbildung unter der SPD-Ministerin Fischer.
Bei einem Gesprächstermin wurde uns hoch und heilig zugesichert, wir sollten bezüglich der Curricula in Haupt-, Real- und Gesamtschulen in Kenntnis gesetzt werden. Frohgemut verließen wir das Ministerium und hörten nie wieder etwas davon.
über die Landesfrauenräte in Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg, Hessen und Schleswig-Holstein versuchten wir, die Verantwortlichen in der Schulaufsicht für ein Pflichtfach "Soziales Management an allgemeinbildenden Schulen" in die Pflicht zu nehmen, und die Bundeskonferenz der Landesfrauenräte ist auch angesprochen.
Aber jetzt! Die Deutsche Gesellschaft für Hauswirtschaft (dgh), deren Mitglied der vffm ist, greift in ihrem Mitteilungsorgan "Hauswirtschaft und Wissenschaft"1) dieses Thema auf. In einem Artikel beschreibt Professor Michael-Burkhard Piorkowsky den Haushalt als sozioökonomische Basisinstitution. Der Haushalt erbringt produktive Beiträge für die eigene Lebenslage und gleichzeitig für das Humanvermögen2) der Gesellschaft. (Piorkowsky meint, dieser Sachverhalt sei entweder selbstverständlich oder aber in Vergessenheit geraten. Ich dagegen meine, er wurde bewusst negiert, verschmäht, verschleiert und verhöhnt.)
Professor Piorkowsky führt in seinem Artikel weiter aus: wir sind Analphabetinnen und Analphabeten im hauswirtschaftlichen, ökonomischen und finanzwirtschaftlichen Bereich. Dieses Analphabetentum führt zu ökonomischen, ökologischen und sozialen Defiziten im Denken und Handeln. Wir stoßen allerorten auf Ernährungs- und Einkommensarmut, auf Umweltbelastungen durch nicht-nachhaltigen Lebensstil, auf Partnerschaftskonflikte und soziale Desorientierung. Wegen der überragenden Bedeutung der "Basisstation" können wir die Definitionsmacht nicht der Mainstream-ökonomik überlassen.
Folgende Vorschläge stellt Professor Piorkowsky zusammen: die Wissenschaft muss "Hauswirtschaft" neu denken und propagieren. Die Verankerung dieses Denkens muss insbesondere im allgemeinbildenden Schulwesen stattfinden. Die Meßlatte für das Bemühen um Hauswirtschaft soll die massiv an Bedeutung zunehmende ökonomische Bildung in neuen Schulbüchern sein. Darin spielen allerdings der Haushalt und die darin geleistete Familienarbeit nicht nur keine Rolle, sondern beides wird sogar teilweise direkt verhöhnt.
Aktueller Anlass für all die überlegungen bezüglich "Neue Hauswirtschaft" sind Erkenntnisse über einen erschreckend lückenhaften Wissensstand von Jugendlichen und Erwachsenen über die ökonomie des Alltags. Dieser Mangel hat gravierende Folgen, vor allem in Verarmungsprozessen. Zugleich wachsen objektiv die Anforderungen an die Akteursrolle der Mitglieder in Privathaushalten. Diese Aktivität wird von Seiten der Politik unter dem Stichwort "mehr Eigenverantwortung"
massiv eingefordert.
Mehr Eigenverantwortung kann aber nur gelingen bei ergänzender Infrastruktur und vorsorgenden Bildungs- und Beratungsangeboten. Bereits Kinder und Jugendliche brauchen grundlegende sozioökonomische Fähigkeiten, damit "lebenslanges Lernen" überhaupt anschlussfähig ist. Dazu ist Orientierungswissen und Instrumentalwissen erforderlich. Mit anderen Worten und vereinfacht ausgedrückt: Was ist eigentlich los? Und wie geht“s weiter?
Beim dgh-Projekt ist auch der Bundesverband der Verbraucherzentralen eingebunden und Unterstützung gibt es seitens der UN.
Gegliedert werden die Themen, die gelernt und erfahren werden sollen, in so genannte Module. Die Module im schulischen Bereich beim sozioökonomischen Grundkurs heißen z. B.: "Langfristig denken – planen und kontrollieren – nachhaltig handeln", "berufliche Zukunft entwerfen", "Haushalt- und Familiengründung planen", "Lebensformen und Versorgungssysteme im Alltag verstehen", "Alltags- und Lebensprobleme meistern".
Die neuen Module in der Erwachsenenbildung heißen: "Neue Haushalts- und Familienarbeit", "Neue Erwerbsarbeit und Netzwerkaktivitäten", "Neues Konsum- und Finanzmanagement" und "Neue Medien für Haushalt und Beruf".
Zitat: "Wenn in den allgemeinbildenden Schulen keine haushalts- und familienbezogenen Grundlagen für die Alltags- und Lebensplangestaltung gelegt werden, dann müssen diese später häufig "on the Job" nach der Methode Versuch und Irrtum erlernt und gelegentlich mit hohem "Lehrgeld" bezahlt werden, weil vorsorgender Rat nicht eingeholt wird. Wer rundum versorgt wird – als Kind und als Erwachsener – und sich nicht um die vermeintlichen Banalitäten des Alltags kümmern muss, der wird keine Sensibilität für die grundlegenden Fragen der Haushaltführung entwickeln sowie vor- und nachsorgende Bildung und Beratung in diesem Bereich für überflüssig halten."
Ich finde im letzten Absatz das Wort Sensibilität bemerkenswert. In der Tat liegt da in meinen Augen ein entscheidendes Defizit. Es fehlen auf Grund mangelnder Sensibilität aber auch Wettbewerbe, bei denen mehr als ein Blumentopf zu gewinnen ist. In der Frankfurter Allgemeinen vom 21.06.2006 lese ich unter der überschrift "Ausgezeichnete Jugend" einen Bericht auf der Seite "Schule und Wirtschaft", die an jedem ersten Donnerstag im Monat erscheint. Auf dieser Seite publizieren Jugendliche eigene Artikel zum Thema Wirtschaft. Jetzt gibt es hohes Lob und Prämien für bestimmte Beiträge von Einzelnen und auch Schulklassen. Bei der Preisverleihung hält ein hochkarätiger Vorstandsvorsitzender die Festrede. Ein Vertreter vom Bundesverband Deutscher Banken verteilt die Preise. Ein Fotograf macht schöne Fotos und ein Bild erscheint in der Zeitung. – So muss man es wohl machen, wenn etwas vorankommen soll. Die Frage ist, wer sponsert die Preise für das Fach "Alltagsmanagement", und wer macht aus der Preisverleihung einen spektakulären Festakt?
Quellen:
1) Literatur: Hauswirtschaft und Wissenschaft Heft 2/2006, Hrg: Deutsche Gesellschaft für Hauswirtschaft. Bezug: Posted in Uncategorized