Ausgabe 3/2003 – Zwischen Bilderbuch-Ehe und Scheidung

SPD gegen Gesetzentwurf zum "Gläsernen Ehekonto"
Ein Beitrag von Gesa Ebert – Arbeitskreis Eherecht

Finden Sie auch, dass nicht erwerbstätige Familienfrauen und -männer ebenso wie Hausfrauen und Hausmänner endlich ein ausdrückliches Recht haben sollten, zu wissen, wieviel der Ehepartner verdient ?
Finden Sie darüber hinaus auch, dass das Einkommen in einer Ehe nicht absurderweise erst dann gemeinsam werden soll, wenn es zur Trennung und Scheidung kommt?
Aufruf – Eilt !

Dann schreiben Sie bitte unbedingt einen oder auch mehrere Briefe (oder auch nur eine Karte) an verschiedene Abgeordnete oder Fraktionen mit der Aufforderung, dem Gesetzentwurf für das "Gläserne Ehekonto" zuzustimmen und die "Zugewinngemeinschaft" zu modernisieren.
Deutscher Bundestag, Platz der Republik 1, 11011 Berlin.
Auch die Justizministerin sollte wissen, dass Reformbedarf besteht:
Bundesjustizministerin Brigitte Zypries, 11015 Berlin.

Ganz wichtig sind auch Briefe von betroffenen Frauen (Männern?), die ihren alltäglichen Kampf ums Wirtschaftsgeld oder um Geld für persönliche Bedürfnisse schildern. Vor allem die SPD-Abgeordneten müssen erfahren, dass es zwischen der rundum harmonischen Ehe und der geschiedenen Ehe eine breite Palette von gelebten Ehen gibt, in denen das Thema Geld sehr wohl eine Rolle spielt! Sie können auch dazuschreiben, dass Sie darum bitten, dass die dhg, der Verband der Familienfrauen und -männer e.V. – und auch der Katholische Deutsche Frauenbund – bei den Beratungen gehört werden, dass Sie hoffen, dass sich die Partei X dem Anliegen der Familien
frauen nicht verschließt.

Debatte im Bundestag über Geld in der Ehe

Schneller als erwartet fand am 10. April im Bundestag die erste Lesung des wieder über den Bundesrat eingebrachten Gesetzentwurfs zum "Gläsernen Ehekonto" statt, über den in der letzten Ausgabe von Familienarbeit heute berichtet wurde. Diesmal wurden die Reden nicht nur zu Protokoll gegeben, es wurde wirklich geredet.
Eine Bundestagsabgeordnete informierte sich einige Tage vorher bei der dhg über unsere Erfahrungen. Sämtliche Mitglieder des Rechtsausschusses sowie einige des Familienausschusses bekamen unsere Stellungnahme.
Nun liegt der Entwurf zur Weiterberatung in den Ausschüssen. Damit er dort wirklich auch bearbeitet wird und nicht nur liegt, sollten viele Briefe aus der Bevölkerung kommen. Die Gefahr ist, dass die SPD den Gesetzentwurf in die Schubladen versenkt, wie damals im Jahr 2000 schon einmal. Das darf nicht wieder passieren!
Gibt es einen Unterschied in der Haltung der Parteien zwischen den Reden vom 13. Oktober 20001* und den jetzigen, trotz unveränderter Machtverhältnisse? Ja, den gibt es: Die CDU lehnte den Gesetzentwurf damals ab – befürwortet ihn aber jetzt mit guten Argumenten. Nur die SPD sieht weiterhin keinen Handlungsbedarf.

Das Wichtigste aus den Reden in der Reihenfolge, wie sie gehalten wurden:

Die SPD-Abgeordnete Sabine Bätzing behauptete, dass es den Auskunftsanspruch schon gäbe, das Gesetz also überflüssig sei. Sie stellte die Frage, ob denn "eine Partnerschaft, eine intakte Ehe" – nur über diese werde hier geredet – zusätzliche Regelungen und Eingriffe vom Staat brauche. "Trauen wir unseren Ehepaaren nicht mehr zu, ihre persönlichen Angelegenheiten – dazu zähle ich auch die familiären Finanzverhandlungen – in eigener Verantwortung mit dem nötigen Vertrauen und Respekt in ihren eigenen vier Wänden zu führen?" – (Irmingard Schewe-Gerigk von BüNDNIS 90/DIE GRüNEN kommentierte dies so: "Das wäre schön!") – Sabine Bätzing weiter: "Schritte, die zur Verbesserung der Rechtsstellung des haushaltshaltsführenden Ehegatten im Verhältnis zum erwerbstätigen Partner beitragen, werden wir begrüßen." (Der Zwischenruf von Dr. Norbert Röttgen, CDU/CSU: "Was sind denn Ihre Vorschläge?" blieb unbeantwortet.)

Beteiligung anstatt Taschengeld

Ute Granold, CDU/CSU, führte aus, dass der Gesetzentwurf eigentlich nur das umsetzen wolle, was das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 5. Februar 2002 (Anrechnungsmethode verfassungswidrig) festgestellt habe. Sie zitierte daraus: "Kindererziehung und Haushaltsführung stehen gleichwertig neben der Beschaffung des Einkommens. Daraus erfolgt der Anspruch auf gleiche Teilhabe am gemeinsam Erwirtschafteten während und nach der Ehe … so haben beide Ehegatten grundsätzlich auch Anspruch auf gleiche Teilhabe am gemeinsam Erwirtschafteten, das ihnen zu gleichen Teilen zuzuordnen ist." – Die Abgeordnete weiter: "Lassen wir ganz schnell das entwürdigende Taschengeld für die Familien- und Hausfrauen in der Versenkung verschwinden! In einer partnerschaftlichen Ehe ist kein Platz für Bittsteller. Die Basis ist vielmehr Gleichberechtigung: Beteiligung statt Taschengeld; denn Letzteres bekommen Kinder … Wir haben uns als Politiker und Gesetzgeber um alle Lebensformen zu kümmern, damit die Wahlfreiheit auch wirklich eine solche ist. Wir diskutieren dieser Tage über den Bericht der Bundesregierung zum Stand der Beseitigung jeder Form der Diskriminierung von Frauen … Heute haben wir die Möglichkeit, einen kleinen Beitrag zu leisten, ein Signal zu setzen, eine gesetzliche Klarstellung vorzunehmen, die nichts kostet, die aber einen großen Erfolg bringt: nämlich endlich die Aufwertung der Hausfrauentätigkeit."

BüNDNIS 90/DIE GRüNEN unterstützen das Ziel, die nicht erwerbstätigen Ehefrauen rechtlich zu stärken. Die Abgeordnete Irmingard Schewe-Gerigk wies darauf hin, dass noch immer fast jede dritte Ehefrau ausschließlich Hausarbeit und Kindererziehung übernehme; das seien knapp vier Millionen Frauen. Ziel sei, diese zu stärken, auch wenn ihre Zahl – erfreulicherweise – immer kleiner werde. Den vorgesehenen "echten Auskunftsanspruch" wertet sie als Vorteil für die Frauen. "Eine getrennt lebende oder geschiedene Ehegattin besitzt dieses Recht und ich sehe nicht ein, weshalb eine Ehefrau weniger Rechte haben sollte." Klärungsbedarf gäbe es aber wegen eventuell veränderter Ansprüche von Gläubigern durch das vorgesehene Teilhaberecht.

Kein Auskunftsrecht – auch Männer betroffen –

Die FDP (als Initiatorin) stimmt dem Gesetzentwurf zu. Die Rednerin Sybille Laurischk betonte, dass der erwerbstätige Ehepartner heute lediglich "in groben Zügen" über Einkommen und Vermögen Auskunft geben müsse. "Im Unterschied hierzu gibt das Bürgerliche Gesetzbuch den getrennt lebenden oder geschiedenen Ehegatten einen Auskunftsanspruch im Detail, der einklagbar und durchsetzbar ist."
Nicht nur, wenn Frauen Kinder erziehen, bräuchten sie klare Informationsmöglichkeiten, sondern auch, wenn sie alte Eltern oder andere hilfsbedürftige Familienmitglieder pflegen. In der Regel seien das Ehefrauen; aber zunehmend mehr Männer würden den Haushalt führen oder zuverdienen, auch durch die Lage auf dem Erwerbsarbeitsmarkt bedingt. "Ich wünsche mir, dass die Bundesjustizministerin den Ge-
setzentwurf aus dem Bundesrat aktiv fördert und ihn nicht in der familienpolitischen Schublade liegen lässt."

"Intakte Ehen"

Joachim Stünker, SPD, meinte, mit dem Gesetzentwurf würden den Frauen "Steine statt Brot" gegeben. Wenn die Teilhabe klargestellt werden solle, müsse logischerweise das eheliche Güterrecht geändert werden, das sei ja aber nicht vorgesehen. "All das, was vorgetragen wurde, ist schon heute geltendes Recht, geltende Rechtsprechung und in einer intakten Ehe kein Problem."

Dr. Norbert Röttgen, CDU/CSU, betonte, Anwälte würden bestätigen, dass Ehefrauen quer durch alle Bevölkerungsschichten oft noch nicht einmal wissen, was ihr Ehemann im Monat verdient; die Steuererklärung würde blind unterschrieben. Es sei eine erschreckende Tatsache, dass die SPD generationen- und geschlechtsübergreifend davor die Augen verschließe. – (Dirk Manzewski, SPD, rief hier dazwischen: "Sie sind völlig weltfremd!) – Röttgen sagte u. a. weiter, dass die eigentlich strukturkonservative Fraktion auf der linken Seite des Hauses sitze.

Familienfrauen stärken

Die baden-württembergische Justizministerin Corinna Werwigk-Hertneck, FDP, die den Antrag über den Bundesrat wieder eingebracht hatte, hält dieses Gesetzesvorhaben für sehr wichtig. "Es gibt keinen Auskunftsanspruch." (Die Ministerin war 20 Jahre lang Fachanwältin für Familienrecht.) "Wir Politikerinnen und Politiker sprechen immer wieder gerne davon, die Familien zu stärken. Dann müssen wir aber auch die Frauen stärken, die sich ganz für die Familie entscheiden. Sonst bleiben es wieder einmal nur hohle Worte."

In der Stellungnahme der Bundesregierung stehe, dass sich im Familienunterhalt die Ehegatten nicht mit individualrechtlichen, auf die persönliche Nutzenmehrung gerichteten Ansprüchen gegenüber stünden. Sie wies darauf hin, dass die Zurückstellung persönlicher Interessen hinter die Verwirklichung der gemeinsamen Ziele der Familie bislang einseitig in der Regel auf Kosten der Frauen erfolge. EineÄnderung des gesetzlichen Güterstandes sei ihrer Meinung nach nicht zwingend; er müsse allerdings vielleicht auf europäischer Ebene geändert werden.

Fazit

In den Reden im Oktober 2000 verwies auch die CDU noch auf die "intakte Ehe" und sah deshalb keinen Handlungsbedarf. Es ist sehr erfreulich, dass sie die Sache jetzt realistisch sieht!
Die SPD-Abgeordneten verschließen nach wie vor entweder die Augen vor der Wirklichkeit, also davor, dass es zwischen der Bilderbuchehe und der geschiedenen Ehe viele Zwischenstufen gibt. Oder sie wollen ganz bewusst die Position der Haus- und Familienfrauen kleinhalten, weil die Partei ja anstrebt, dass alle Mütter unabhängig von der Kinderzahl möglichst voll erwerbstätig sind. Ganz abgesehen davon, ob die Ganztagsbetreuung für alle Kinder wirklich die beste Lösung wäre und ob Kinder das möchten, und abgesehen davon, dass nachweislich nicht alle Mütter erwerbstätig sein wollen, wird nicht gesagt, wo denn die zusätzlich benötigten vier Millionen Erwerbsarbeitsplätze sind. Es werden ja ganz im Gegenteil immer noch mehr dieser heiß begehrten Stellen gestrichen. Das wird dazu führen, dass in immer mehr Ehen das Geld noch knapper wird. Auch deshalb ist es Zeit, klare Regelungen für Ehepaare zu schaffen.

Die SPD sagt, dass sie Verbesserungen begrüßen würde – schlägt aber bislang selbst keine vor, auch nicht zur Modernisierung des gesetzlichen Güterstandes.

Nicht einmal die weiblichen Abgeordneten der SPD-Fraktion scheinen zu wissen, dass es notwendig ist, Frauen in jeglicher Lebenssituation zu stärken. Glauben sie denn wirklich, eine von Taschengeld-Zuweisungen abhängige Familienfrau wird plötzlich zu einer selbstbewussten, ihre Rechte wahrnehmenden Frau, wenn sie erwerbstätig wird?

Große Unterstützung von Frauenseite

Auf dem ökumenischen Kirchentag Ende Mai in Berlin nahmen viele Frauen unsere Informationen zum "Gläsernen Ehekonto" mit und kündigten an, an den Bundestag schreiben zu wollen.
Als Mitglied des Beirats für Gleichstellungsfragen bei der Landeshauptstadt Stuttgart brachte ich den Antrag ein, dass die Frauenbeauftragte an den Bundestag sowie an die Bundesregierung schreibt und dazu auffordert, diesen Gesetzentwurf gründlich zu beraten. Darüber hinaus die Fortentwicklung des gesetzlichen Güterstandes hin zu einer Teilhabegemeinschaft zu prüfen, ebenso eine Verpflichtung der Standesbeamten, Eheschließende generell auf die Ausgestaltung des Güterrechts hinzuweisen. Der Antrag wurde einstimmig angenommen.

Die Antwort von Bundesjustizministerin Zypries liegt vor: Der Güterstand der Gütertrennung (welche die Zugewinngemeinschaft während der Ehe ja tatsächlich ist) entspreche "den Traditionen des deutschen Rechts"; eineÄnderung sei daher genau zu überlegen. Es müsse aber vielleicht ein europaweiter Modellgüterstand gefunden werden. Zum Auskunftsrecht äußerte sie sich nicht. In den Standesämtern könne ohne gesetzliche Regelung eine Broschüre zum Eherecht ausgelegt werden; das Ministerium könne das aber für die 500 000 Eheschließungen im Jahr nicht aus dem eigenen Etat finanzieren. Sie will die JustizministerInnen der Länder aber darauf hinweisen. Eine Information der Heiratswilligen sei dringend geboten.

Standesamt soll informieren

Anmerkung: Das Standesamt Stuttgart hat im Jahre 1995 abgelehnt, das Faltblatt zum Eherecht auszulegen, das auf unsere Initiative hin von der Stuttgarter Gleichstellungsstelle gemeinsam mit der dhg herausgegeben wurde. Lediglich an der Rathauspforte durfte es liegen – und dort lag es meistens nicht! Die Aussage der Bundesjustizministerin ist also eine deutliche Aufforderung, und ein Erfolg unserer jahrelangen Bemühungen.

Der Landesfrauenrat Baden-Württemberg nahm meinen Antrag ebenfalls einstimmig an; die Briefe gehen an alle Abgeordneten aus dem Bundesland.

Jedes Mal, wenn ich in Gremien oder Arbeitsgruppen über diesen Gesetzentwurf spreche und aus den Bundestagsreden die Passagen über die "intakte Ehe" zitiere, lachen die Frauen spontan oder es geht ein Geraune los. Den SPD-Abgeordneten kann ich nur dringend empfehlen, mit den "Menschen draußen im Lande" zu sprechen, vor allem natürlich mit den Frauen. Die Regierungspartei ist aufgefordert, sich mit der Realität zu befassen!

Deshalb weiterhin Briefe an die Bundestagsabgeordneten schreiben!

Vor allem die SPD-Abgeordneten müssen erfahren, dass dieses Gesetz zum "Gläsernen Ehekonto" sehr wohl nötig ist. In denjenigen Ehen, in denen es Streit ums Geld gibt, helfen klare Gesetze. Und den Ehen, in denen Geldangelegenheiten sowieso partnerschaftlich geregelt werden, schadet das neue Gesetz nicht.
PS: Einen vorformulierten Brief und Adressen können sie per Mail oder gegen einen mit einem Euro frankierten und adressierten Briefumschlag von der dhg-Geschäftsstelle erhalten. Adresse auf der Seite "Ansprechpartnerinnen" oder unter der Rubrik "Vorlagen". Die angekündigten Tipps zum Umgang mit den Familienfinanzen können wir aus Platzgründen in dieser Ausgabe leider nicht abdrucken; sie werden für die nächste Nummer vorgesehen.
* in Fh 2/2003 irrtümlich 13. Juni genannt.

Comments

  1. Francois schreibt:

    Mir war nicht bewusst, wie ‚gang und gäbe‘ solch ein verstecktes Konto noch ist. Da wir in unserer Partnerschaft enormen Wert auf Transparenz legen, war ich der Überzeugung, dies sei der Normalfall. Meine Schwester hat mir auch letztens davon berichtet, dass sie jetzt zur Scheidung einen Anwalt für Familienrecht mit einbeziehen möchte. Ihr Mann hat wohl nicht alles ganz so transparent gestaltet, wie er ihr sie das gerne glauben tat.

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