Aus dem Leben einer Erzieherin

Beitragsbild: Kinder in Kita

 

Erzieherin Janine (Name geändert), 38 Jahre, schreibt:

„Ich habe mich als Erzieherin bewusst für die Arbeit mit Kindern ab 3 Jahren entschieden. Aber wegen Personalmangels helfe ich derzeit in einer U3-Gruppe aus und mache folgende Beobachtungen:

Als ich den Gruppenraum betrat, wurde ich freudig und erwartungsvoll von neun kleinen Menschen begrüßt. Ich setzte mich zu ihnen auf den Spielteppich und prompt wurde mein Schoß in Beschlag genommen. Ein anderes Kind brachte mir eine Holzeisenbahn und eine Handvoll Schienen und machte es sich neben mir auf dem Teppich bequem. Schon suchte ein weiteres Kind meine Aufmerksamkeit und versuchte mir deutlich zu machen, dass sich seine Puppe in fremden Händen befinde und es sie gerne wieder hätte. Ich war etwas verdutzt über diesen großen Vertrauensvorschuss. So viel Offenheit gegenüber Fremden kenne ich von meinen eigenen Kindern nicht. Es war viel los um mich herum, und ich war gleich mittendrin. Jedes Kind wollte seine Bedürfnisse mit mir teilen und jedes beschäftigte sich mit seinem ganz eigenen. Kontaktaufnahme zwischen den Kindern gab es nur, wenn die jeweiligen Interessen auf denselben Gegenstand gelenkt wurden und es zum Streit kam.

Da blies meine Kollegin auch schon zum Aufräumen: „Eins, zwei, drei, das Spielen ist vorbei…“ Es sollte nach draußen gehen. Während sie mit dem ein oder anderen Kind im angrenzenden Wickelraum verschwand, begann ich aufzuräumen und die Kinder zu animieren, das ein oder andere Teil an seinen Platz zu räumen. Den Sinn dieses Wortes hatte hier offensichtlich noch niemand verstanden. Während ich die eine Kiste einräumte, wurde die nächste Kiste wieder ausgekippt. Ich blieb tapfer am Ball und begleitete mein Handeln mit Worten. Gerade als ein Kind seine „Schlafkiste“ im Regal entdeckte und freudig nach seinem Schnuller angelte, kam meine Kollegin aus dem Wickelraum, mit den Worten „den brauchst du draußen nicht“ und nahm den Schnuller an sich: Wie gewonnen, so zerronnen… Nun ging es hinaus auf den Flur.

Meine Kollegin klärte mich darüber auf, wer seine Schuhe schon allein anziehen könne. Ein Mädchen protestierte lautstark gegen die Anforderung, die da an sie gestellt wurde. Sie blieb stur, meine Kollegin ebenfalls. Ein kleiner Junge saß auf der Bank mit seinem Schuh in der Hand und wirkte wie in Trance. Was um ihn herum passierte, forderte ihn so stark, dass er kaum in der Lage war, sich auf seine Aufgabe zu konzentrieren.

Als wir dann endlich draußen angekommen waren, waren alle neun Kinder schnell auf dem Außenspielgelände verteilt und unter die Kinder der anderen Gruppen gemischt. Einen Überblick zu bewahren war fast unmöglich. Nach ca. eineinhalb Stunden gingen wir zum Mittagessen rein. Nun hieß es: Schuhe aus, Puschen an, Hände waschen und an den Tisch. Als die Kinder auf ihren Hochstühlchen Platz genommen hatten, bekamen sie ein Lätzchen umgelegt, Teller und Tasse wurden auf den Tisch gestellt. Die Kinder aßen fast alle selbstständig. Die einen schneller, die anderen langsamer und meldeten sich, wenn sie noch einen Nachschlag haben wollten. Als das Zeitfenster für das Mittagessen abgelaufen war, wurden die Teller abgeräumt, egal ob sie leer oder noch voll waren. Manch ein Kind wusste gar nicht wie ihm geschah und schaute, mit dem Löffel in der Hand, seinem Tellerchen verdutzt hinterher. Nun kam der Waschlappen: zack zack, wie am Fließband. Wer sauber war, durfte von seinem Stühlchen klettern und sich auf dem Spielteppich bettfertig machen. Nun wurden die Kisten aus dem Regal geholt und über den Boden zu ihren Besitzern geschoben. Während die einen noch eine frische Windel bekamen, schnappten sich die anderen schon ihre Schnuller und Kuscheltiere und eroberten ihre „Schlafburg“. Währenddessen brachte ich den Essenswagen in die Küche und übergab die zwei „Großen“ an die Kollegin in einer der Ü3-Gruppen. Wer nämlich keinen Mittagschlaf mehr macht, spielt derweil bei den Drei- bis Sechsjährigen. Zurück im Schlafraum wies meine Kollegin mich ein, zu wem ich mich setzen sollte. Einige Kinder kommen allein zurecht und blieben ruhig in ihren Bettchen liegen. Andere benötigen noch eine intensivere Schlafbegleitung. Ich setze mich also zu einem kleinen Mädchen und streichelte ihm den Rücken. Ich musste an meine Kinder denken, die ich zuhause begleite, bis sie eingeschlafen sind. Hier kommt diese individuelle Zuwendung nur denjenigen zu, die sich anders nicht an die Situation anpassen würden. Alle anderen müssen alleine durch, mit dem Kuscheltier fest im Arm. Um kurz vor 12 waren alle eingeschlafen. Gerade pünktlich zu meinem Feierabend. Meine Kollegin ging nun in die Pause. Mit dem Babyphon. Ich hoffte für sie, dass die Kleinen in der nächsten halben Stunde ruhig bleiben, so dass auch sie sich etwas erholen konnte. Mein Einsatz dauerte drei Stunden und ich war erschöpft wie lange nicht. Es hat mich erstaunt zu beobachten, wie gut die kleinen Mäuse sich anpassen und mit den Anforderungen zurechtkommen. In so einer U3-Gruppe geht es nämlich laut, wuselig und vor allem durchgetaktet zu. Für individuelle Bedürfnisse gibt es hier nicht viel Raum, schon gar nicht in Zeiten des Personalmangels.“

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