10 Punkte für eine finanzielle Mehr-Kind-Politik (Fh 2016/2)

von Johannes Resch

In einer aktuellen Presseerklärung legt der DFV einen 10-Punkte-Katalog familienpolitischer Forderungen vor, den wir unseren Leser/innen gerne zur Kenntnis bringen wollen.

  1. Mehr-Kind-Politik ist mehr als Nachteilsausgleich: Sie muss Anreize und Spielräume schaffen, damit mehr Menschen sich ihre Kinderwünsche erfüllen können.
  2. Steuer- und Abgabengerechtigkeit. Eltern zahlen für jedes Kind verfassungswidrige Strafsteuern und Strafabgaben aufs Existenzminimum. Das macht auch erwerbstätige Familien arm. Der DFV fordert, den steuerlichen Kinderfreibetrag pro Kind auf die Höhe des Grundfreibetrags für Erwachsene (8.652 Euro) anzuheben und einen Kinderfreibetrag in gleicher Höhe in die Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung einzuführen. Das entlastet das Familienportemonnaie direkt und spürbar – ganz ohne milde Gaben.
  3. Das mit dem steuerlichen Kinderfreibetrag verrechnete Kindergeld muss die maximale steuerliche Wirkung des Kinderfreibetrags erreichen und auf eine existenzsichernde Höhe von 330 Euro mitziehen. Dieser Betrag garantiert allen Familien monatliche Steuergerechtigkeit und schützt Kinder aus einkommensschwächeren Familien vor Armut.
  4. Erhalt des Ehegattensplittings: Denn das Splitting ist keine „Eheförderung“, sondern die sachgerechte und verfassungskonforme Besteuerung der Ehe als Erwerbs- und Wirtschaftsgemeinschaft.
  5. Mehrwertsteuer, Energiesteuern & Co. belasten große Familien besonders stark. Als ersten Schritt fordert der DFV einen ermäßigten 7%-Mehrwertsteuer-Satz für Kinderprodukte. Perspektivisch muss es für Familien eine Rückerstattung aller Verbrauchsteuern geben, die auf den Kindesunterhalt entfallen.
  6. Finanzielle Absicherung der dreijährigen gesetzlich geschützten Elternzeit: Viele Mehr-Kind-Familien erhalten nur den kleinen Elterngeld-Sockelbetrag und stehen nach einem Jahr finanziell im Regen. Der DFV fordert ein Betreuungsbudget von 700 Euro bis zum vollendeten 3. Lebensjahr des Kindes, das als Subjektförderung direkt und in bar bei den Familien statt wie jetzt bei den Institutionen ankommt. Erst dann haben Familien Wahlfreiheit und können selbst über die passende Betreuungsform entscheiden – sei es häusliche Betreuung, familiennahe Kindertagespflege oder ein guter Krippenplatz.
  7. Gleichwertigkeit von Erziehungs- und Erwerbsarbeit: Mehr-Kind-Familien brauchen neue Optionen der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die zu ihren Bedürfnissen passen – z.B. familienflexible Lebensarbeitszeitmodelle und die besondere Anerkennung von Kindererziehung als Pluspunkt bei Einstellungen und Beförderungen.
  8. Familiengerechtes und bezahlbares Wohnen: Der DFV fordert die Wiedereinführung einer bundesweiten und unkomplizierten Wohneigentumsförderung für Familien und eine gezielte Mehr-Kind-Förderung im Sozialen Wohnungsbau.
  9. Gerechte Elternrente für Erziehungsleistung: Die rentenrechtlichen Kindererziehungszeiten müssen von 2 bzw. 3 Jahren auf 6 Jahre pro Kind verlängert werden. Auch bei weiteren Renteninstrumenten wie den Kinderberücksichtigungszeiten muss sichergestellt sein, dass sie pro Kind wirken und nicht per Zufall – abhängig vom Abstand und Zeitpunkt der Geburten.
  10. Alle Gesetze und Verordnungen gehören auf einen Familien-TÜV, der prüft, ob Regelungen und Leistungen zu Mehr-Kind-Familien passen und der Fehlentscheidungen aus dem Verkehr zieht.

Der Deutsche Familienverband (DFV) ist in Deutschland die größte unabhängige Elternorganisation zur Vertretung von Familieninteressen. Er ging Anfang der 1920er Jahre aus Gruppierungen der „Kinderreichen“ hervor. Damals war „Familie“ noch der Normalfall. Die gesellschaftliche Benachteiligung beschränkte sich auf „kinderreiche“ Familien, was eine entsprechende Interessenvertretung rechtfertigte. Bei der Wiedergründung nach dem Krieg stand aber schon der Wert der Familie als Gemeinschaft von Eltern mit ihren Kindern unabhängig von der Kinderzahl im Vordergrund.

Die etwas unterschiedlichen Sichtweisen des DFV und des Verbands Familienarbeit widersprechen sich nicht, sondern ergänzen sich. Die Formulierung „Mehr-Kind-Politik“ könnte den Eindruck erwecken, es gehe dem DFV wieder vor allem um die „Kinderreichen“. Nach unserer Auffassung wäre das falsch, weil nicht die Kinderzahl als solche, sondern der Arbeits- und Sachaufwand entscheidend ist, der allerdings mit der Kinderzahl steigt, aber eben auch schon bei einem Kind vorhanden ist. Unter Berücksichtigung von Punkt 6 der zehn Punkte des DFV dürfte mit „Mehr-Kind“ wohl eher „mehr als ein Kind“ gemeint sein, da beim Elterngeld in der Regel ab dem zweiten Kind ein niedrigeres Elterngeld bezahlt wird, wenn zwischen den Geburten das jeweils ältere Kind betreut und keine Erwerbsarbeit aufgenommen wurde. Aufgrund dieser Diskriminierung kann durchaus von „Ein-Kind-Politik“ gesprochen werden, der dann die „Mehr-Kind-Politik“ gegenüberzustellen ist.

Auch die Formulierung „Anreize schaffen“ (Punkt 1.) halten wir nicht für sehr glücklich. Wir wollen ja gerade nicht, dass der Staat für Eltern Anreize schafft, sich in einer vorgegebenen Weise zu verhalten. Vielmehr sollen sie echte Entscheidungsfreiheit haben. Das wird am ehesten durch den Abbau von Benachteiligungen erreicht und nicht durch Anreize. Gerade bezogen auf das Elterngeldgesetz ist festzustellen, dass die Diskriminierung der Eltern bei zweiten und weiteren Geburten „Anreize“ schafft, auf diese Geburten zu verzichten. Grundsätzlich stellt die elternfeindliche Ausgestaltung unseres Sozialrechts (z.B. gesetzl. Rentenversicherung) einen gewaltigen „Anreiz“ dar, auf Kinder überhaupt zu verzichten. Würde diese Ausgestaltung korrigiert, wären Anreize, Kinderwünsche zu verwirklichen, wohl überflüssig.