Tiefschlaf der Politik seit Jahrzehnten – Ausgabe 2006/3

Rentenversicherung krankt an veralteter Arbeitsbewertung

Ein Beitrag von Monika Bunte

Einer meiner dicken Ordner platzt bald. Es ist der, in dem ich alle Ausgaben von dhg-Rundschau und Familienarbeit heute abgeheftet habe, und das seit 25 Jahren.
Denn seit 1981 begleitet mich die Zeitschrift unseres Verbandes.

Vor gut zwanzig Jahren war darin ein Interview abgedruckt. Die klugen Fragen stellte unsere Redakteurin und damalige Bundesvorsitzende Ute Alt dem Bevölkerungswissenschaftler Prof. Dr. Josef Schmid. – Aus Anlass des 25.Jubiläums unserer Zeitschrift und der immer noch großen Aktualität des Themas haben wir uns entschlossen, den Leitartikel von 3/1985 auf der folgenden Seite nochmals abzudrucken und empfehlen die Lektüre dieses historischen Textes sehr.

Vorab einige Hinweise und Anmerkungen: Schmid beantwortet die Frage bezüglich der schon erkennbaren und möglichen Folgen des Geburtenrückgangs damit, dass aus der Bevölkerungspyramide in Deutschland ein Pilz wird: breiter Pilzschirm auf gedrungenem Stiel. Der Stiel ist inzwischen um einiges länger geworden. Schmid sieht auch den Erhalt der industriellen Standards gefährdet. Aus heutiger Sicht geht es aber weniger um die industriellen Standards, weil da Rationalisierung und "Freisetzungen" greifen, jedoch sind die Standards bei Dienstleistungen, vor allem im Sozialbereich, brüchig geworden. Ein weiteres Thema ist die Bildung. Tatsache ist heute, dass ca. 25% der SchulabgängerInnen keinen Abschluss haben oder nicht ausbildungsfähig sind. Das berücksichtigt die derzeitige Politik nicht.

Im Interview wird deutlich festgestellt, dass Probleme in der Rentenfinanzierung auftreten werden. – Muss ich darüber überhaupt noch ein Wort verlieren? Ist das Desaster nicht offenbar genug? Die so genannten Beiträge fehlen wegen der Erwerbslosigkeit, aber sie fehlen auch wegen der nicht geborenen Kinder. Drei Kinder schaffen zwei Erwerbsarbeitsplätze. Und wir haben schon vor über fünf Legislaturperioden auf die fehlenden Kinder und das Dilemma der Alterssicherung hingewiesen.
Bei der nächsten an Schmid gerichteten Frage bezüglich der Frauenrolle würde ich heute eine andere Antwort geben, und er selbst würde es wohl auch tun. Er meinte 1985, es gäbe kein festes Rollenschema mehr, in das Frauen zu drängen wären. Meine Meinung dazu: es gibt die alte Rolle Hausfrau kaum noch; wir sprechen lieber von Familienfrau. Dafür gibt es eine mehr oder weniger verordnete neue Rollenverheißung: "Vereinbaren (und überbelastung) ist schön".

Dass es ein Fehler ist, auf aktive Bevölkerungspolitik zu verzichten, nur weil ihr schnell das Etikett "faschistisch" verpasst wird, haben wir früher schon thematisiert. "Verantwortung für die Quantität der nachwachsenden Generation" von Seiten des Staates, das wünschen wir uns schon lange. – Bei fortschreitendem Geburtenrückgang werden die Lichter ausgehen, hieß es vor 20 Jahren. Deshalb plädierte Schmid dafür, die Menschen nicht nur nach ihrer offiziellen Erwerbstätigkeit zu bewerten und zu entlohnen.

Er war für Wahlfreiheit: wählen können zwischen Familienarbeit oder Erwerbsarbeit oder einer Mischung aus beidem.

Inzwischen haben wir ein Elterngeld mit Geburtsfehlern (vgl.Fh 1/2006) und immer noch keine Bezahlung der in der Familie geleisteten Arbeit. Und es fehlen eben die Mütter (und Väter) der Kinder, die jetzt geboren werden könnten. Seit Jahrzehnten haben unsere Politikerinnen und Politiker zwar ein Vierjahresraster im Kopf, aber geschlossene Augen und Ohren.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert