Zum inneren Zusammenhang der anstehenden Reformen im Sozialversicherungs- und Eherecht
Vortrag von Eva M. Welskop-Deffaa
im Rahmen der Festveranstaltung zum 25. Geburtstag des Verbandes der Familienfrauen und -männer dhg am 14. Februar 2004
I. Was mein ist, ist nicht dein
Seit 1986 setzt sich der Verband der Familienfrauen und -männer dhg für eine Reform des ehelichen Güterrechts in Deutschland ein: Vermutlich ist die dhg damit der Verband, der als erster erkannt hat, dass die Familienrechtsreform der 70er Jahre auf halber Strecke stehen geblieben ist. Wenn es darum geht, die Institution Ehe unter den Voraussetzungen der vollen Gleichberechtigung von Mann und Frau rechtlich zeitgemäß auszugestalten, muss auch das Güterrecht einer kritischen Revision unterzogen werden.
In dem wunderbaren Aufsatz "Was mein ist, ist nicht Dein" hat Helga Hach van Scherpenberg in der dhg-Rundschau 1992 die Folgen der Zugewinngemeinschaft plastisch geschildert. Sie hat damit die große Zustimmung zur Unterschriftenaktion grundgelegt, mit der sich die dhg damals für dieÄnderung des gesetzlichen Güterstandes einsetzte. Der Zeitpunkt war günstig: Im Zuge der Wiederherstellung der deutschen Einheit hätte es nahe gelegen, in einigen Rechtsbereichen Regelungen der DDR auf ihre Sinnhaftigkeit hin zu überprüfen und ggf. zu übernehmen.
Der Zeitpunkt aber wurde nicht genutzt – politisch obsiegten die Widerstände gegen eine Reform des Ehegüterrechts, die dhg erreichte ihr politisches Ziel nicht. Aber – sie resignierte nicht. In den zehn Jahren, die seither vergangen sind, konnten neue Allianzen geschmiedet, neue Mitstreiter gewonnen werden. Die Beharrlichkeit, mit der die dhg versucht, die rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zu verbessern, die für das alltägliche Leben von Mann und Frau in Ehe und Familie von großer Bedeutsamkeit sind, ist ansteckend.
II. Teilhabe Gemeinschaft Ehe – der gesetzliche Güterstand entscheidet
Die Argumente, die dafür sprechen, beim gesetzlichen Güterstand einen Tausch von der Zugewinn- zur Errungenschaftsgemeinschaft vorzunehmen, sind von der dhg vielfach dargestellt worden und lassen sich auf einen Kerngedanken zurückführen: Die gleichberechtigte Teilhabe von Mann und Frau am während der Ehe erworbenen Einkommen und Vermögen entspricht unter heutigen Vorzeichen optimal der Forderung nach Gleichberechtigung von Mann und Frau in der Ehe und zwar unabhängig von der konkret gewählten Arbeitsteilung in der Familie, unabhängig von den Verdienstmöglichkeiten des einen und des anderen. Die gleichberechtigte güterrechtliche Teilhabe ist die geeignete ökonomische Entsprechung zu § 1356 BGB, in dem es heißt: "Die Ehegatten regeln die Haushaltsführung in gegenseitigem Einvernehmen…. Bei der Wahl und Ausübung einer Erwerbstätigkeit haben sie auf die Belange des anderen Ehegatten und der Familie die gebotene Rücksicht zu nehmen." Das ökonomische Risiko und den ökonomischen Vorteil, die sich aus der einvernehmlichen Arbeitsteilung zwischen Ehemann und Ehefrau ergeben, müssen – so die Befürworter der Güterrechtsreform – beide Partner gemeinsam zu gleichen Teilen tragen. Es kann nicht sein, dass der Partner, der im Einvernehmen mit seinem Ehegatten – beispielsweise zugunsten der Kindererziehung – eigene Erwerbstätigkeit reduziert, sich dadurch in ein ökonomisches und rechtliches Unterhaltsverhältnis vom erwerbstätigen Partner bringt und gleichzeitig erhebliche ökonomische Risiken etwa der Altersarmut auf sich nimmt – sowohl für den Fall des Scheiterns der Ehe als auch für den Fall der Verwitwung. Die technische Zeichnerin etwa, die sich einige Jahre ausschließlich dem Haushalt widmet und den Alltag der ganzen Familie "managed", soll und will nicht auf Taschen- und Haushaltsgeld verwiesen werden, das ihr der erwerbstätige Ehemann zur Verfügung stellt. Es geht ihr als Hausfrau – wie zu der Zeit, als sie erwerbstätig war – darum, aus dem gemeinsamen Einkommen gemeinsam zu wirtschaften.
Die Gütertrennung in der Ehe mit nachehelichem Zugewinnausgleich, wie sie die Zugewinngemeinschaft seit 1957 regelt, schafft zwar für die scheiternde Ehe die Möglichkeit, die während der Ehe entstandenen Vermögensungleichgewichte auszugleichen. Sie ändert aber nichts daran, dass während bestehender Ehe der Ehepartner, der auf eigene Einkünfte verzichtet, in eine unterhaltsrechtliche Abhängigkeit gerät, die zur "einvernehmlichen gleichberechtigten Arbeitsteilung", wie sie § 1356 BGB fordert, nicht gut passt.
Die Errungenschaftsgemeinschaft als gesetzlicher Güterstand, für die sich dhg und andere Verbände (u.a. Katholischer Deutscher Frauenbund, Deutscher Juristinnenbund, Zentralkomitee der deutschen Katholiken) seit geraumer Zeit einsetzen, bildet ökonomisch ab, was von Politik und Rechtsprechung wiederholt als Inbegriff der Wirtschaftsgemeinschaft Ehe beschrieben wird: Mit Erwerbsarbeit und Haushaltsführung tragen beide Ehegatten gemeinsam gleichwertig zum Familienunterhalt bei.
Um 2004 dem Ziel näher zu kommen, das 1992 verfehlt wurde, scheint es nützlich, die Argumente, die seither von verschiedenen Seiten gegen eineÄnderung des Güterrechts angeführt werden, kritisch zu beleuchten und die inneren Zusammenhänge zwischen Eherecht und Sozialversicherungsrecht aufzudecken. So kann u.U. die Chance genutzt werden, im Zuge der großen Reformen dieser Jahre eine abgestimmteÄnderung im Ehegüter- und Sozialversicherungsrecht zu erreichen.
DieÄnderung des Güterrechtes stelle, so sagen einige Kritiker, einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Vertragsfreiheit der Eheleute dar. Man könne nicht davon ausgehen, dass heute (noch) alle Eheleute eine so weitgehende Wirtschaftsgemeinschaft einzugehen beabsichtigten, wenn sie vor das Standesamt treten. Der größer gewordene Individualismus, die größere Bereitschaft der Frauen, ihren Lebensunterhalt aus eigenem Einkommen zu sichern, die zunehmende Zahl der Eheverträge – all das spreche dafür, dass im Grunde viele Eheleute lieber eine losere wirtschaftliche Verbindung eingehen wollten.
Dieses Argument geht an der Sache vorbei: Schon heute sieht das deutsche Eherecht neben dem gesetzlichen Güterstand Wahlgüterstände vor und daran wollen die Befürworter einer Reform des gesetzlichen Güterstandes nichts ändern. Es geht im Gegenteil nur darum, den gesetzlichen Güterstand so auszugestalten, dass er dem Bild der Ehe als Lebens-, Wirtschafts- und Verantwortungsgemeinschaft bestmöglich entspricht. Die Funktion des gesetzlichen Güterstandes besteht schließlich darin, den "Normalfall" abzubilden, das Leitbild, auf das sich dann die Parallelregelungen im Steuer- und Sozialrecht vorrangig beziehen. Dabei muss sich gerade der gesetzliche Güterstand an der Vorgabe messen lassen, die Verhandlungsposition des schwächeren Partners beim Vertragsabschluss Heirat zu stärken. Festzuhalten ist: EineÄnderung des gesetzlichen Güterstandes, die die Möglichkeiten ehevertraglicher Abreden und die Existenz von Wahlgüterständen nicht angreift, berührt die Vertragsgestaltungsfreiheit der Brautleute in keiner Weise.
Das zweite Argument, mit dem sich die Befürworter einer Güterrechtsreform auseinandersetzen müssen, ist weniger rechts-, sondern stärker gesellschaftspolitisch akzentuiert: Mit der ökonomischen Stärkung des nicht-erwerbstätigen Ehepartners im Ehe(güter)recht würden, so die Befürchtung – für Frauen – neue Anreize geschaffen, die eigene Erwerbsbiografie zu unterbrechen. Traditionelle Rollenmuster würden erneut zementiert. An die Stelle einer wirklichen Emanzipation, die die gleichberechtigte Erwerbstätigkeit beider Ehepartner anstrebe, ziele die Stärkung der Teilhaberechte des nichterwerbstätigen Partners an den Einkünften und Vermögen des erwerbstätigen Partners auf eine Verfestigung der überkommenen und überholten Hausfrauenehe. Diese Argumentation steht – ausgesprochen oder unausgesprochen – hinter der Zögerlichkeit etlicher Politikerinnen. Sie überblicken die juristische Frage, um die es geht, nur zum Teil (was angesichts der Kompliziertheit der Materie keine Schande ist), wissen bei einer Initiative, die von der "Hausfrauengewerkschaft" ausgeht, aber genau, was sie von ihr zu halten haben: Der Ideologieverdacht, dem sich der Verband der Familienfrauen und -männer dhg ausgesetzt sieht, ist ja nicht deutlich geringer geworden, seit der Verband seinen Namen geändert hat.
Der Verdacht, die Güterrechtsreform drehe die Erfolge der Emanzipation zurück, ist jedoch unbegründet: Der ökonomische "Anreiz", aus dem Erwerbsleben auszusteigen, besteht in der Existenzsicherung, die durch die Ehe gewährleistet ist – unabhängig davon, ob es sich um einen rein unterhaltsrechtlichen oder um einen Teilhabeanspruch handelt. Für die zur Reduzierung der Erwerbsarbeit bereite Mutter und Ehefrau verändert die Güterrechtsreform die Anreize nicht wesentlich. Allerdings lohnt es sich näher zu betrachten, welche Veränderungen der Anreize für den "patriarchalischen Ehemann" durch die Stärkung der Teilhabegemeinschaft Ehe im Güterrecht entstehen. Wenn er nach der Güterrechtsreform davon auszugehen hat, dass ihm von dem, was er verdient, nur die Hälfte des Vermögensüberschusses gehört, könnte sich u.U. seine Bereitschaft verstärken, an die Stelle des Ein-Verdiener-Modells eine andere Form geteilter (Erwerbs-)Arbeit zu setzen. Denn im Gegensatz zum geltenden Recht würde es für seine ökonomische Stellung in der Ehe keinen Unterschied machen, ob er oder ob sie das Geld "nach Hause bringt". Für große Teile der jüngeren Männergeneration gilt – so hat es jüngst die DIW-Studie "Kinderlose Männer in Deutschland" bestätigt – nach wie vor die Verbindlichkeit einer männlichen Ernährerrolle. Junge Männer sehen sich mit der Erwartung konfrontiert, mit dem eigenen Einkommen die Familie zu ernähren. Das mit der Errungenschaftsgemeinschaft verbundene wirtschaftliche Verständnis der Ehe – "Mit dem, was meine Frau und ich erwirtschaften, ernähren wir unsere Familie" – könnte die Emanzipation der Männer von überkommenen Ernährervorstellungen befördern. Es bereitet den Boden für eine wirklich partnerschaftliche Verantwortung für das wirtschaftliche Wohlergehen der Familien – mit verschiedenen Optionen der Vereinbarkeit von Familie und Beruf für beide Partner.
Argument Nr. 3: Das Eherecht sei im Kern kein Recht, das die gelingende Ehe regle, sondern beschränke sich aus gutem Grund auf das Scheidungsfolgenrecht. Diesem Grundsatz sei die Zugewinngemeinschaft optimal verpflichtet, weil sie von den Scheidungsfolgen her denke und für diesen Fall einen gerechten Ausgleich schaffe. Für die bestehende Ehe halte sie sich so weit wie möglich zurück.
An diesem Punkt schimmern leidenschaftliche Diskussionen aus der Geschichte der Kodifizierung des Familienrechts durch, die seit der Diskussion um das BGB Ende des 19. Jahrhunderts ihre Spuren in der Prägung heranwachsender Juristen hinterlassen haben. Tatsächlich war die (Selbst-)Beschränkung des Familienrechts unter den konkreten Bedingungen einer patriarchalischen Gesellschaft unbestritten fortschrittlich und durchaus im Sinne der Frauen(bewegung). Die Zeiten aber haben sich geändert. Die Ehe ist nicht mehr die (quasi) naturrechtlich begründete Institution, die durch die Anerkennung des Mannes als "Haupt der Familie" und den Verlust der rechtlichen Selbständigkeit der Ehefrau gekennzeichnet ist, ein Verlust, dem im Güterrecht ein Bollwerk der Selbstbestimmung entgegengesetzt werden musste. Die Ehe ist heute ein Partnerschaftskontrakt, der mit anderen Formen der Partnerschaft Liebender konkurriert. Das Eherecht hat daher mehr und mehr auch die Aufgabe, Sinn und Ziel der Institution Ehe im Unterschied zu anderen Partnerschaften gesetzlich zu explizieren und zu formulieren.
Die Ergänzungen der Generalklausel des Eherechts in den letzten 25 Jahren sprechen hier eine deutliche Sprache. Genügte es bis 1977 zu formulieren "Die Ehegatten sind einander zur ehelichen Lebensgemeinschaft verpflichtet", so wurde 1977 die Ergänzung hinzugefügt "… und wird auf Lebenszeit geschlossen." Das war schon bisher so, veränderte sich aber nun von einer Selbstverständlichkeit zum bewusst zu akzeptierenden Vertragsinhalt. 1998 kam eine weitere Ergänzung hinzu: Sie..(die Ehegatten) tragen füreinander Verantwortung" – auch hier eine Ergänzung, die eine inhaltliche Klarstellung des "Wesens der Ehe" im Eherecht vornahm.
Das Eherecht ist aus dem Scheidungsfolgenrecht heraus gewachsen! Mit Folgen für das Güterrecht: Der gesetzliche Güterstand sollte das Leitbild gemeinsamen Wirtschaftens in der Ehe – unbeschadet aller möglichen vertraglichen Abweichungen – vorgeben, die Wahlgüterstände zeigen Variationsmöglichkeiten auf, die dem Sinn der Ehe als Lebens-, Wirtschafts- und Verantwortungsgemeinschaft nicht entgegenstehen.
Ein viertes: Wenn Befürworter der Ehegüterrechtsreform darauf verweisen, wie sehr Ehen durch die mit der Zugewinngemeinschaft angelegten Streitereien ums Haushalts- und Taschengeld gefährdet werden können, entgegen Gegner unisono: Eine Ehe ist mit dem Eherecht nicht zu retten. Die intakte Ehe braucht die ganzen gesetzlichen Regelungen nicht und in der kriselnden Ehe kann man mit Beratung und Hilfe viel mehr erreichen.
Zugestanden: DieÄnderung des Ehegüterrechts, namentlich die Einführung der Errungenschaftsgemeinschaft als gesetzlicher Güterstand, ist kein Garantieschein für gelingende Ehen. Aber sie formuliert einen Anspruch an die Bereitschaft beider Partner zu teilen, der klärt, worauf sich einlässt, wer heiratet. Ehe ist nicht nur Bettgemeinschaft und Liebesglück in guten Zeiten, Ehe ist auch Verantwortungs- und Wirtschaftsgemeinschaft – und das auch in weniger guten Zeiten. Wer sich mit diesem Anspruch konfrontiert sieht, wer dies weiß, wenn er/sie heiratet, wird manchen Streit um das Verhältnis von "dein" und "mein" in der Ehe vermeiden können, der heute nicht selten ausbricht, wenn nach der Geburt des ersten Kindes ein Partner aus dem Erwerbsleben ausscheidet und alle drei von einem Einkommen leben müssen. Mit der Geburt des Kindes ist das verfügbare Einkommen pro Kopf kleiner geworden – das ist Mathematik. Wem aber das verfügbare Einkommen zusteht, wem es sich verdankt, das hat mit Mathematik nichts zu tun, sondern ist Vereinbarung. Diese Frage ist zu entscheiden: In der Zugewinngemeinschaft ist sie zugunsten des Erwerbstätigen entschieden, in der Errungenschaftsgemeinschaft zugunsten der Gleichberechtigung.
Persönlich votiere ich entschieden dafür, dass diese Entscheidung nicht nur vom Gesetzgeber neu entschieden wird, indem er den gesetzlichen Güterstand ändert, sondern auch von jedem Paar, das bei der Anmeldung des Heiratswunsches im Standesamt ausdrücklich über gesetzlichen und Wahlgüterstände informiert werden sollte.
Obligatorisch provoziert man an dieser Stelle den entsetzten Ausruf: "Ja, wenn die Männer sich mit der Heirat so weitgehenden Teilhabeansprüche ausgesetzt sehen und darüber gut informiert sind, dann heiraten sie doch gar nicht mehr. Wollen Sie das?" Darauf gibt es zwei Antworten: 1. Wem die gesetzlichen Verpflichtungen einer Ehe zu weit gehen, der kann einen Ehevertrag abschließen, der einen weniger auf Teilhabe ausgerichteten Wahlgüterstand vereinbart. Diese Antwort sollte in jedem Fall geeignet sein, die Sorge um eine möglicherweise entstehende Ehemüdigkeit zu entkräften. Ich sehe die Zusammenhänge aber noch anders: Ist denn auszuschließen, dass heute womöglich viele Ehen nicht geschlossen werden, weil ein entscheidender Unterschied zwischen Ehe und nicht-ehelicher Lebensgemeinschaft für die Menschen nicht mehr erkennbar ist?
Die Liebesrechte und Unterhaltsverpflichtungen während bestehender Beziehung sind bei der nicht-ehelichen Lebensgemeinschaft absolut eheähnlich. Wenn heute der wichtigste, einzig offensichtliche Unterschied zwischen Ehe und nicht-ehelicher Lebensgemeinschaft in den Trennungsfolgen besteht und diese für den stärkeren Partner bei der Ehe deutlich ungünstiger sind als bei der nicht-ehelichen Partnerschaft, dann gibt es unter den geltenden rechtlichen Voraussetzungen unter Umständen tatsächlich wenig Anreiz zu heiraten. Wird der Rechtsrahmen aber so verändert, dass mit der Heirat während bestehender Partnerschaft die gegenseitige Verpflichtung erkennbar weitergehend ist als in einer nicht-ehelichen Beziehung, dann gewinnt die Eheschließung Profil und damit auch neue Attraktivität. Als Alternative zu einer falschen Beliebigkeit kann es – so scheint mir – heute durchaus (wieder) attraktiv sein, mit der Heirat freiwillig eine weitergehende gegenseitige Verpflichtung für die intakte Beziehung zum Ausdruck zu bringen.
"Familie", so heißt es im SPD-Familienbeschluss vom 19.11.2003 "gibt Menschen Geborgenheit, Zusammenhalt und privates Glück. Das Vertrauen in die Verlässlichkeit von Familien ist ein wesentlicher Bestandteil unseres sozialen Gefüges." Ich stimme dem ausdrücklich zu. Um das begründete Vertrauen in die Verlässlichkeit von familiären Beziehungen zu stärken, ist die freiwillige Verpflichtung auf eine echte wirtschaftliche Teilhabe des Partners am aufgrund gemeinsamer überlegungen und in gemeinsam verantworteter Arbeitsteilung in der Risikogemeinschaft Ehe erwirtschafteten Einkommen und Vermögen ein starker Akt. Vorschläge, wie sie Hans-Wolfgang Strätz und andere entwickelt haben, im Standesamtsritus die mit der Heirat eingegangenen Verpflichtungen explizit zu machen, würden dies weitergehend unterstützen.
III. Die Zugewinngemeinschaft – Hemmschuh bei der Reform der sozialen Sicherung
Hat man die Gegenargumente gegen eine Reform des ehelichen Güterrechts noch einmal Revue passieren lassen und dabei festgestellt, wie wenig belastbar sie sind, gewinnt man neuen Mut, das komplizierte Zusammenspiel von Ehe- und Sozialversicherungsrecht aus dem Blickwinkel einer möglichen Güterrechtsreform zu betrachten.
Es begann in den 50er Jahren eigentlich recht überschaubar: Der Ehemann ernährte mit seinem Einkommen die Familie, Aufgabe der Ehefrau war es, als Hausfrau das Haushaltsgeld gut zu verwalten und damit das Auskommen der Familie zu sichern. Das war das Ehe-Bild, das den Vätern der Zugewinngemeinschaft und der Rentenversicherung selbstverständlich erscheinen konnte, es war die gesellschaftliche Norm der 50er Jahren. Bis 1957 war die Ehefrau vom BGB zu dieser Hausfrauen-Rolle ausdrücklich verpflichtet. Eine etwaige Erwerbstätigkeit hing von der Zustimmung des Ehemanns ab (§ 1358 BGB), er konnte eigenmächtig den Arbeitsvertrag der Ehefrau kündigen. Aber auch im Ehegesetz von 1957, mit dem die grundgesetzliche Gleichberechtigung von Mann und Frau verwirklicht werden sollte, hieß es: "Die Ehegatten sind einander verpflichtet, durch ihre Arbeit und mit ihrem Vermögen die Familie angemessen zu unterhalten. Die Frau erfüllt ihre Verpflichtung, durch Arbeit zum Unterhalt der Familie beizutragen, in der Regel (!) durch die Führung des Haushalts…." Die Frage nach der gesetzlichen Norm, auf die sich das Sozial(versicherungs)recht beziehen konnte, war also leicht zu beantworten. Entsprechend ist es nicht überraschend, wie Wilfrid Schreiber und ihm folgend die Rentenreform 1957 das Thema "Alterssicherung der Frau" behandelte.
Das Schreibersche Sozialversicherungssystem ist im Kern eine Erwerbstätigenversicherung. Sie ist öffentlich institutionalisierte, durch die Arbeitgeber mitgetragene Eigenvorsorge der Arbeitnehmer für Risiken, die für die Situation der Erwerbstätigen in der modernen Welt typisch sind. Eine ihrer charakteristischen Eigenschaften besteht allerdings darin, dass sie den einzelnen von vornherein in seiner familiären Einbindung erfasst: Der Schutzbedürftigkeit engster unterhaltsberechtigter Angehöriger wird – so systematisiert Friedhelm Hase – im herkömmlichen Sozialversicherungsrecht mit zwei Regelungsansätzen Rechnung getragen:
Der eine stammt aus dem Krankenversicherungsrecht, aus dem er jetzt auch in das Pflegeversicherungsrecht übernommen worden ist: Angehörige, genauer Ehegatte und – bis zu einem gewissen Alter – auch die Kinder des Versicherten sind, soweit sie nicht selbst im Erwerbsleben stehen, beitragsfrei mitversichert, sie genießen grundsätzlich denselben Versicherungsschutz wie die Stammversicherten. Der andere Regelungstypus ist im Rentenversicherungs- und im Unfallversicherungsrecht verwirklicht – er ist für die hier zu behandelnde Frage von besonderem Interesse: Die Familienangehörigen sind dort nicht selbst versichert; ihre Anrechte entsprechen nicht denen des Versicherten, sie folgen diesen vielmehr in der Zeit und haben ihren eigenen Zuschnitt. Solange der Versicherte lebt, können Angehörige überhaupt keine Leistungen erhalten, nach seinem Tod steht ihnen unter bestimmten Voraussetzungen Hinterbliebenenrente zu: Sozialer Ausgleich hat sich hier in der Anerkennung eines eigenen Versicherungsfalls niedergeschlagen, der an der spezifischen Versorgungssituation der Angehörigen ausgerichtet ist.
Beide Varianten des familienbegünstigenden sozialen Ausgleichs sind letztlich durch das Bild der Ein-Verdiener-Familie (der 50er Jahre) geprägt, ihnen liegt das Konzept einer relativ strikten innerfamiliären Rollendifferenzierung zugrunde, wobei der Ehegatte, der mit seiner außerhäuslichen Erwerbsarbeit den "Unterhalt der Familie" sichert, über seine Beiträge auch die Absicherung der selbst nicht vorsorgefähigen Familienmitglieder für die allgemeinen Lebensrisiken sicherstellt.
Diese Konstruktion war 1957 in der Rentenversicherung kaum anders zu erwarten. Es gab eine gesetzliche Norm im Familienrecht, die die Orientierung des Sozialversicherungsrechts an der Hausfrauenehe nahe legte. Sogar die aus heutiger Sicht unverständliche Möglichkeit, sich vor der Ehe eingezahlte Versicherungsbeiträge zurückerstatten zu lassen, war in der Logik des Eheverständnisses der 50er Jahre konsistent: Mit der Heirat wurde der Mann verantwortlich für die Gewährleistung des Unterhalts und der sozialen Sicherung der Ehefrau, für die eigene Erwerbstätigkeit die Ausnahme sein sollte. Es schien ein Gebot der Fairness, der Frau die Beiträge zurückzuerstatten, die sie vor der Heirat vorsorglich als Arbeitnehmerin gezahlt hatte, "vorsorglich" für den in den 50er Jahren nicht unwahrscheinlichen Fall, aufgrund der kriegsbedingten schwachen Männerjahrgänge unverheiratet und daher auf eigenes Erwerbseinkommen angewiesen zu bleiben.
Der große Einschnitt im Eheverständnis kam 1977. Das Leitbild, die gesetzliche Norm der Hausfrauenehe war aufgegeben. Von nun an war es den Ehepartnern aufgetragen, einvernehmlich die innerfamiliäre Rollenaufteilung zu klären – mit sehr verschiedenen Möglichkeiten. Die "Doppelverdiener"-Ehe mit geringen Anteilen Haus- und Familienarbeit für beide Ehepartner ist seit 1977 grundsätzlich ebenso legitim wie die Haushaltsführungsehe alten Typs, wechselnde und geteilte Zuständigkeiten für Haushalt und Kinder sind aushandelbar.
Die Lösung, in der Rentenversicherung für die Ehefrau regelmäßig einen Anspruch auf Witwenrente anzunehmen, der sich vom Anspruch des Ehemanns relativ großzügig ableitete, für den verwitweten Ehemann aber nur ausnahmsweise einen solchen Anspruch anzuerkennen, musste unter diesen Umständen "zu den Akten", denn eine gesetzliche Vermutung (im Familienrecht) über die Haushaltsführungsrolle gab es nicht mehr.
Die Diskussionen, die Anfang der 80er Jahre über die Neuregelung der Alterssicherung von Ehepartnern (und Müttern) geführt wurden, gehören sicher zu den spannendsten Kapiteln der jüngeren Sozialgeschichte. Das Ergebnis ist bekannt: Witwen und Witwer haben seit 1986 einen gleichberechtigten Hinterbliebenenrentenanspruch, der sich allerdings vital an der Vorstellung der Ehe als hierarchischer Unterhaltsbeziehung, nicht als gleichberechtigter Teilhabebeziehung orientiert. Die Hinterbliebenenrente als Unterhaltsersatzleistung mit Anrechnung eigener Einkünfte trägt Sorge für den unterhaltsberechtigten Partner ohne eigenes Einkommen, aber sie schafft keine gleichberechtigte Teilhabe beider Ehepartner an den gemeinsamen Alterseinkünften. Der Blick ins Eherecht, namentlich ins Ehegüterrecht, hatte die Sozialreformer auf diesem – ohnehin preiswerteren – Weg bestärkt: Da das Einkommen jedes Ehepartners bis zum Scheitern der Ehe allein seins bleibt, stehen auch die Rentenanwartschaften als vermögensähnliche Ansprüche exklusiv dem jeweiligen Partner zu. Da gleichzeitig beide Partner einander unterhaltsverpflichtet sind, war es leicht, die Hinterbliebenenrente als abgeleitete Unterhaltsersatzleistung zu konstruieren – wie andere Unterhaltsleistungen auch war sie aber abhängig zu machen von der Bedürftigkeit: ein neuer Gedanke im Hinterbliebenenrentenrecht – das Anrechnungsverfahren war geboren.
Für die klassische Haushaltsführungsehe, die die lebenslange Aufgabe der Erwerbstätigkeit der Frau implizierte, ergaben sich durch das neue Modell wenig Veränderungen – insbesondere da Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung ausdrücklich ausgenommen wurden. Jene Familien aber, die – den Möglichkeiten des neuen Familienrechts entsprechend – Erwerbsarbeit und Familienarbeit situationsgerecht und in gegenseitigem Einvernehmen phasenweise aushandeln wollten, sahen sich durch das neue System merkwürdigen Anreizen ausgesetzt: Gut abgesichert blieb die Ehe mit zwei voll erwerbstätigen Ehepartnern ohne größere Familienanteile. Unverändert blieb die Situation der klassischen Haushaltsführungsehe, in der die Ehefrau auf den Unterhalt durch den Ehemann und die Unterhaltsersatzleistung durch die Hinterbliebenenrente verwiesen ist. Benachteiligt waren jene Paare, die sich in das strenge Muster "Unterhaltszahler" und "Unterhaltsempfänger" nicht fügen wollten: Paare, die abwechselnd und phasenweise Erwerbsarbeit und Familienarbeit aufteilten und dabei für die Familienbelange insgesamt erhebliche Einkommenseinbußen in Kauf zu nehmen bereit waren. Sie wurden durch das Anrechnungsverfahren immer stärker "bestraft" je schärfer die Anrechnungsvorschriften und je größer die eigenen Rentenanwartschaften des überwiegend für die Familie zuständigen Partners wurden. Ihr – gleichberechtigtes – Verständnis von ehelicher Partnerschaft und Teilhabe bildete sich im Rentenrecht in keiner Weise ab.
Um hier zu zukunftsweisenden Lösungen zu kommen, gibt es m.E. nur eine Möglichkeit: Wir brauchen eine Reform des ehelichen Güterrechts. Gesetzlicher Güterstand wird die Errungenschaftsgemeinschaft. Ehepartner erwerben folgerichtig auch gemeinsame Ansprüche an den Rentenanwartschaften, sofern sie den gesetzlichen Güterstand wählen. Dieses Rentenanwartschaftssplitting, das von der Deutschen Bischofskonferenz bis zum Deutschen Frauenrat seit Jahren einflussreiche Fürsprecher hat, führt dazu, dass das ökonomische Risiko der Reduzierung von Erwerbsarbeit in der Ehe gemeinsam getragen wird. Der überlebende Partner erhielte nach dem Tod des Partners zum gesplitteten Rentenvolumen eine nachrangige dem Gedanken der Unterhaltsersatzleistung folgende, eher sparsam ausgestaltete Zusatzwitwenrente. Der Teilhabegedanke hebt nämlich den Unterhaltsgedanken nicht auf, er verweist ihn allerdings auf eine rein subsidiäre Rolle.
Paare, die sich für einen Güterstand der Gütertrennung entscheiden, entscheiden sich damit auch gegen das Rentensplitting – hier bleibt die Einbeziehung des Partners in der Rentenversicherung auf die Hinterbliebenenrente beschränkt.
IV. Entwicklungen der Rechtsprechung – Chancen für eine abgestimmte Reform
Eine eigene Würdigung verdiente die neuere Rechtsprechung der obersten Gerichte zum Eherecht, die aber an dieser Stelle nur kurz ausfallen kann. Sie macht uns – wo es um die Berechnung oder den Ausschluss nachehelichen Unterhalts durch ehevertragliche Regelungen geht – durchaus Hoffnung, indem der Teilhabegedanke zunehmend stark gemacht wird. Allerdings ist die Rechtsprechung uneinheitlich, gelegentlich widersprüchlich, z.T. in abenteuerliche Konstruktionen verwickelt und auch nicht wirklich vorhersehbar. Dieter Schwab hat in seinem Beitrag über "Rechtsprechung als Interpretation der Wirklichkeit" am Beispiel der Rechtsprechung zu den nicht-ehelichen Lebensgemeinschaften sehr schön deutlich gemacht, wie sehr die Argumentation in jedem Einzelfall von der konkreten Fallkonstruktion abhängt. Ist einmal die nicht-eheliche Lebensgemeinschaft als "verfestigte soziale Solidargemeinschaft" geeignet, Unterhaltsansprüche an den Ex-Ehemann zu mindern, ist sie dort, wo der Partner nach Ende der nicht-ehelichen Lebensgemeinschaft größere Schenkungen zurückfordern will, schlicht "Nicht-Rechtsgemeinschaft". Ich folgere daraus: Wo sich die Voraussetzungen und Leitbilder des Rechts verändert haben, ist der Gesetzgeber gefordert! Er kann und muss das Familienrecht weiter entwickeln, im Güterrecht indem er die Hinweise der Gerichte auf die Bedeutung der wirtschaftlichen Teilhabegemeinschaft aufnimmt und die Errungenschaftsgemeinschaft nach französischen oder belgischem Vorbild zum gesetzlichen Güterstand macht.
V. Rahmenbedingung für das Gelingen stabiler Partnerschaften – Institution Ehe noch nicht beim alten Eisen
Die Anzahl der Eheschließungen geht zurück, die Zahl der Scheidungen steigt. Dennoch: Im Langzeitvergleich ist der Anteil der Verheirateten an der Gesamtbevölkerung hoch, die Anzahl der Goldhochzeitspaare so hoch wie nie. Ohne zu wissen, wie die Entwicklung mittelfristig weiter geht, besteht kein Anlass, die Institution Ehe abzuschreiben. Menschen nehmen weiter gerne das Angebot an, das ihnen der Gesetzgeber mit dem "Muster-Vertrag" Ehe macht, einer Institution, die als Rechtsrahmen für eine auf Dauer angelegte Liebes-, Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft ausgerichtet ist. An ihr orientieren sich auch die, die – aus welchen Gründen auch immer – auf das Standardmodell verzichten wollen und lieber – jenseits der institutionellen Form – ihrer Partnerschaft ein eigenes Regelwerk und eine eigene Verbindlichkeit geben wollen. Das Angebot eines Standardrahmens entlastet eine Gesellschaft, in der zahlreiche Menschen eine auf Dauer angelegte Partnerschaft eingehen wollen, die in einer Vielzahl von Fällen durch die Geburt gemeinsamer Kinder weiteren Regelungsbedarf nach sich zieht. "Die Ehe ist als umfassende, grundsätzlich lebenslange Lebensgemeinschaft eines Mannes und einer Frau eine Sozialstruktur, die Menschen in "guten und schlechten Tagen" verbindet und damit destabilisierende Wirkungen von biografischen Krisen abfedert. Lebensgemeinschaft in Partnerschaft und Familie verlangt nach Verlässlichkeit und Beständigkeit, auch wirtschaftlicher Absicherung. Das Angebot eines institutionellen Rahmens mit definierten Rechtsfolgen entlastet Partner und Gesellschaft. Darin liegen Sinn und Wert der Institution Ehe." So formuliert es die Vollversammlung des Zentralkomitees der deutschen Katholiken.
Das ZdK bringt damit nachdrücklich in Erinnerung, dass es sich lohnt, den institutionellen Rahmen der Ehe zeitgemäß weiter zu entwickeln, da nur ein stimmiger Rechtsrahmen, der auch dem heutigen Verständnis von Gleichberechtigung in Ehe und Gesellschaft entspricht, die Institution attraktiv erhält. Wer die Institution erhalten will, muss sie anpassen. Das Ehegüterrecht der Zugewinngemeinschaft ist nicht mehr zeitgemäß. Es ist durch die Errungenschaftsgemeinschaft abzulösen. An den gewählten Güterstand sind steuer- und sozialversicherungsrechtliche Leistungen zu knüpfen: Nur wer nicht die Gütertrennung vereinbart hat, kann vom Ehegattensplitting in der Steuer profitieren, wer die Errungenschaftsgemeinschaft vereinbart, entscheidet sich für das Rentenanwartschaftssplitting, wer die Gütertrennung wählt, entscheidet sich für zwei eigenständige Rentenbiographien.
Dass die bleibende Brisanz des Eherechts letztlich aus der Spannung von Intimität und öffentlichkeit entsteht, durch die Ehe geprägt ist, durch die Spannung von Freiheit und Bindung, von Wahlverwandtschaft und Verantwortungsgemeinschaft, Liebe und Pflicht, Leidenschaft und gesellschaftlicher Ordnung, bestätigt ein Blick in Goethes "Wahlverwandtschaften". In der berühmten Grundsteinlegungsrede des Maurers bei Ottiliens Geburtstag heißt es: "Diesen Grundstein, der mit seiner Ecke die rechte Ecke des Gebäudes, mit seiner Rechtwinkligkeit die Regelmäßigkeit desselben, mit seiner wasser- und senkrechten Lage Lot und Waage aller Mauern und Wände bezeichnet, könnten wir ohne weiteres niederlegen; denn er ruhte wohl auf seiner eignen Schwere. Aber auch hier soll es am Kalk, am Bindungsmittel nicht fehlen; denn so wie Menschen, die einander von Natur geneigt sind, noch besser zusammenhalten, wenn das Gesetz sie verkittet, so werden auch die Steine, deren Form schon zusammenpasst, noch besser durch diese bindenden Kräfte vereinigt."
Ziel unserer gemeinsamen Bemühungen um eine zeitgemäße Weiterentwicklung der Institution Ehe ist es – in diesem Bild gesprochen – nicht, Steine zusammenzufügen, die nicht zusammenpassen. Aber wir wollen nachsehen, ob der juristische Kitt, mit dem man heute Ehen zusammenhalten will, tatsächlich der Beschaffenheit der Steine, dem Ansturm der Winde angemessen ist, oder ob er nicht womöglich Substanzen enthält, die Sollbruchstellen schaffen.
Das Güterrecht haben wir als eine kritische Komponente entlarvt. Seine Reform könnte das Eherecht stimmiger und die Reform der am Verheiratetsein anknüpfenden Regelungen im Steuer- und Sozialrecht vernünftiger ausfallen lassen.
Wir hoffen, dass wir viele Mitstreiter gewinnen, die an dieser Baustelle mit uns weiter arbeiten. Besonders erfolgreich könnte sich die Suche gestalten – so meine feste überzeugung – wenn wir sie in den Prozess der Harmonisierung des europäischen Rechts hineintragen. In Europa ist die Errungenschaftsgemeinschaft das Erfolgsmodell – die Zugewinngemeinschaft gilt bei unseren Nachbarn überwiegend als leicht veraltetes deutsches Sonderwegsmodell. Das sehen wir auch so.
Literatur:
Helga Hach van Scherpenberg, Was mein ist, ist nicht Dein, Beilage zur dhg-Rundschau 4/92
Friedhelm Hase, Familienbilder im deutschen Sozialversicherungsrecht. Eine Skizze, in: Gudrun Cyprian, Marianne Heimbach Steins (Hg.), Familienbilder, Opladen 2003, S. 219-233
Dieter Henrich, Zur Zukunft des Güterrechts in Europa, in: FamRZ 22/2002, S. 1521-1526
Christian Schmitt, Kinderlose Männer in Deutschland – Eine sozialstrukturelle Bestimmung auf Basis des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP), Materialien des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung DIW Nr. 34, Berlin 2004
Dieter Schwab, Gleichberechtigung und Familienrecht im 20. Jahrhundert, in: Ute Gerhard (Hg.), Frauen in der Geschichte des Rechts, München 1997, S. 790-827
Dieter Schwab, Rechtsprechung als Interpretation der Wirklichkeit. Methodische Aspekte der Rechtsgewinnung im Familienrecht, in: Gudrun Cyprian, Marianne Heimbach Steins (Hg.), Familienbilder, Opladen 2003, S. 219-233
Hans-Wolfgang Strätz, Ehe und Familie als Institute des bürgerlichen Rechts. Eine Bestandsaufnahme im Hinblick auf die faktische und rechtliche Gleichstellung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft, in: Ehe und Familie unter veränderten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, Essener Gespräche zum Thema Staat und Kirche Band 35, Münster 2001, S. 13-41
Eva M. Welskop-Deffaa, Gleichberechtigung von Mann und Frau vollziehen! Das geltende Recht entspricht nicht mehr der Lebenswirklichkeit, in: Salzkörner 5/2001
Eva M. Welskop-Deffaa, Ehegattensplitting: Umstrittenes Element unserer Steuerordnung, in: KDFB-Informationen 4/02, S. 1-5
Eva M. Welskop-Deffaa, "Wurzeln der Verantwortung in der Wirklichkeit schlagen" – Ehe und Familie brauchen förderliche Bedingungen, in: Deutsche Bischofskonferenz (Hg.), Leben in Verlässlichkeit – Leben in Ehe und Familie, Arbeitshilfe 176, Bonn 2004, S. 43-46
Zentralkomitee der deutschen Katholiken (Hg.), Rahmenbedingungen für das Gelingen stabiler Partnerschaften in Ehe und Familie verbessern. Erklärung der Vollversammlung des ZdK, Bonn 2002