Stellungnahme zur Drucksache 7/10159 des Sächsischen Landtags

Es handelt sich um einen Gesetzentwurf der AfD-Fraktion zum Vierten Gesetz zur Änderung des Sächsischen Landeserziehungsgeldgesetzes.

Die Stellungahme erfolgt auf Veranlassung des Ausschusses für Soziales und gesellschaftlichen Zusammenhalt im Rahmen einer Anhörung.

Das Gesetz beschäftigt sich mit dem Sächsischen Landeserziehungsgeld, das nur im 2. und 3. Lebensjahr eines Kindes bezahlt werden kann. Ich beschränke mich daher auch auf diesen Zeitraum.

Die bestehende Gesetzeslage garantiert einen weitgehend für Eltern kostenlosen, Krippenplatz im 2. und 3. Lebensjahr. Eltern, die dieses Angebot nicht annehmen, erhalten für die Eigenbetreuung weder einen vollständigen noch einen teilweisen Ausgleich.

Dieser Sachverhalt lässt sich nach Überzeugung unseres Verbandes nicht mit den Forderungen unseres Grundgesetzes vereinbaren.

 

Widerspruch zu Art. 3 (1) GG

Art. 2 (1) lautet: Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
Dieser Satz bezieht sich auch auf Eltern von Kleinkindern. Es gibt keinen rechtfertigenden Grund, die Kinderbetreuung in Abhängigkeit von ihrer Art (Eigen- oder Fremdbetreuung) finanziell unterschiedlich zu behandeln. Eine Besserstellung der Krippenbetreuung wäre nur dann vertretbar, wenn die dortige Betreuung der elterlichen Betreuung grundsätzlich überlegen und somit besonders förderungswürdig wäre. Ein besonderer Wert der Krippenbetreuung wird zwar mit dem Begriff „frühkindliche Bildung“ behauptet, um die besondere Finanzierung zu begründen. Diese Behauptung hat aber keine sachliche Grundlage, da nahezu alle kindbezogenen Fachleute (Kinderärzte, Kinderpsychologen) der Auffassung sind, dass in der Regel die elterliche Betreuung mit geringeren Risiken für die soziale Entwicklung des Kindes verbunden ist. Nur in den Fällen, in denen die Eltern ihren Pflichten nicht nachkommen oder nicht nachkommen können, hat die staatliche Gemeinschaft eine „Wächterfunktion“ (Art. 6 (2), Satz 2 GG).

Die Erfahrungen von kindbezogenen Fachleuten wurden auch durch eine ganze Reihe von Studien belegt. Z.B. wurde in der NICHD-Studie in den USA (National Institut of Child Health and Human Development) anhand einer Längsschnitt-Studie aufgezeigt, dass die soziale Entwicklung von Kindern mit größeren Risiken belastet ist, je früher und je länger sie in Krippen betreut wurden. Zwar können die Ergebnisse nicht ohne Weiteres auf Deutschland übertragen werden Aber es spricht mehr dafür als dagegen. Allerdings gibt es in dieser Richtung kaum aktuelle Forschung in Deutschland. Es kann der Verdacht geäußert werden, dass dies gezielt von der Bundesregierung unterbunden wird, z.B. durch Nichtfinanzierung entsprechender Untersuchungen, um sich nicht negativen Ergebnissen stellen zu müssen.

 

Widerspruch zu Art. 6 (2), Satz 1 GG)

Dieser Satz lautet: Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht.
Hier wird schon deutlich, dass das Erziehungsrecht den Eltern nicht erst vom Staat zuerkannt wurde. Es steht ihnen vielmehr „von Natur aus“ zu, also bevor es überhaupt einen Staat gab. Es darf ihnen daher auch nicht ohne einen besonderen Grund entzogen werden.

Durch die einseitige Finanzierung der Kinderkrippen übt der Staat eine Lenkungswirkung aus, der die Eltern aufgrund der besonderen finanziellen Begünstigung ausgesetzt sind. Diese Lenkungswirkung steht dem Staat nicht zu. Hierzu hat sich das Bundesverfassungsgericht ebenfalls geäußert:

„Nach Art.6 Abs.1 GG steht die Familie unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung. Das Wächteramt des Staates (Art.6 Abs. 2 Satz 2 GG) berechtigt den Staat aber nicht, die Eltern zu einer bestimmten Art und Weise der Erziehung ihrer Kinder zu drängen. Das Grundgesetz überlässt die Entscheidung über das Leitbild der Erziehung den Eltern, die über die Art und Weise der Betreuung des Kindes, seine Begegnungs- und Erlebnismöglichkeiten sowie den Inhalt seiner Ausbildung bestimmen. Diese primäre Entscheidungsmöglichkeit der Eltern beruht auf der Erwägung, dass die Interessen des Kindes in aller Regel am besten von den Eltern wahrgenommen werden.“ (2 BvR 1057/91, Rn 64). Und weiter:

Neben der Pflicht, die von den Eltern im Dienst des Kindeswohls getroffenen Entscheidungen anzuerkennen und daran keine benachteiligenden Rechtsfolgen zu knüpfen, ergibt sich aus der Schutzpflicht des Art. 6 Abs. 1 GG auch die Aufgabe des Staates, die Kinderbetreuung in der jeweils von den Eltern gewählten Form in ihren tatsächlichen Voraussetzungen zu ermöglichen und zu fördern. Die Kinderbetreuung ist eine Leistung, die auch im Interesse der Gemeinschaft liegt und deren Anerkennung verlangt (gleiches Urteil, Rn 70).

Hier kommt klar zum Ausdruck, dass der Staat keine Lenkungswirkung auf die Eltern ausüben darf. Auch die Begründung wird mitgeliefert, weil „die Interessen des Kindes in aller Regel am besten von den Eltern wahrgenommen werden.“

 

Der vorliegende Gesetzentwurf

Der vorliegende Gesetzentwurf ist darauf zu prüfen, inwieweit er die vorliegenden Widersprüche zum GG abbaut oder zumindest mindert.

Sowohl Art.2 wie Art. 6 GG fordern eine Wahlfreiheit der Eltern, wie sie ihre Kinder erziehen und damit eine Entscheidungsfreiheit über die über die Verwendung des staatlicherseits zur Kinderbetreuung zur Verfügung gestellten Geldes. Diese Finanzierung ist auch kein „Geschenk“ oder eine „Sozialleistung“ des Staates, die dann an gewisse Bedingungen geknüpft werden kann, sondern eine Gegenleistung für die der Gemeinschaft dienende Kindererziehung. Auch hierzu hat sich das BVerfG eindeutig geäußert (siehe oben Rn 70).

Somit stellt sich die Frage, ob und inwieweit der Gesetzentwurf diesem Maßstab gerecht wird.
Vorauszuschicken ist, dass die unterschiedliche Behandlung von Eigen- und Fremdbetreuung auf der Gesetzgebung des Bundes beruht. Es sollte daher auch in erster Linie Aufgabe des Bundes sein, die Schieflage zu korrigieren. Wenn allerdings ein Land zuvor die Initiative ergreift, um bestehende Defizite abzumildern, sölange der Bund das unterlässt, ist das nur zu begrüßen.

Der Gesetzentwurf sieht vor, das Landeserziehungsgeld weiter im Anschluss an das Elterngeld zu zahlen, allerdings mit höheren Beträgen und längeren Laufzeiten, um so den Eltern eine längere Betreuung ihrer Kleinkinder zu erleichtern. Da das Landeserziehungsgeld nur gezahlt wird, wenn keine gleichzeitige Fremdbetreuung erfolgt, kann es als eine Ersatzleistung für den nicht in Anspruch genommenen Krippenplatz angesehen werden. Die Kosten eines Krippenplatzes werden im Entwurf mit 1266 €/Monat angegeben. Eine Gleichbehandlung aller Eltern wäre also erst bei einem Erziehungsgeld in gleicher Höhe von etwa 1266 € gegeben. Nach dem Entwurf soll es in Abhängigkeit vom vorgeburtlichen Verdienst zwischen 750 und 1500 € liegen. Das liegt in etwa in der Größenordnung der Krippenkosten. Hervorzuheben ist auch der Mindestbetrag von 750 €, der damit erheblich höher liegt als beim Elterngeld. Er kommt dann dem kommunalen Anteil der Krippenkosten von 807 €/Monat sehr nahe.

Allerdings ist kritisch anzumerken, dass auch das Landeserziehungsgeld vom vorgeburtlichen Einkommen abhängig gemacht wird. Damit wird die Betreuung eines Kleinkindes weiter auf eine Stufe gestellt mit Krankheit und Arbeitslosigkeit. Das wertet die Kinderbetreuungsarbeit ab und damit auch die diese Arbeit leistenden Eltern. Es gibt aber keinen nachvollziehbaren Grund, das Landeserziehungsgeld vom vorgeburtlichen Einkommen abhängig zu machen, da der Wert der Arbeitsleistung davon nicht abhängig ist. Es bietet sich daher eine gleiche Honorierung in Höhe der Krippenkosten für alle an, was dann mit etwa 1200 €/Monat angesetzt werden kann. Es besteht z. B. kein Grund die Betreuung durch ein Studentenehepaar geringer zu bewerten als bei zuvor Erwerbstätigen.

Was die Kosten angeht, ist es sicher gerechtfertigt, die höheren Kosten für das Landeserziehungsgeld mit den eingesparten Krippenkosten zu verrechnen. Das Argument, damit würden Einrichtungen der „frühkindlichen Bildung“ „rückentwickelt“, ist nicht als Hinderungsgrund zu bewerten, da bei U3-Kindern nicht die „Bildung“ im schulischen Sinn im Vordergrund steht, sondern die Bindung an erwachsene Bezugspersonen, meist den Eltern. Erst das ermöglicht das notwendige Selbstvertrauen, das der späteren Bildungsfähigkeit zugutekommt.

Die staatliche Manipulation in Richtung einer Krippenbetreuung wird durch die Zahlung eines den Krippenkosten in etwa vergleichbaren Erziehungsgeldes deutlich vermindert. Damit wird dem GG mehr Gewicht verliehen.

Auch angebliche Belange des Arbeitsmarktes sollten nicht als Rechtfertigung der Krippenbetreuung dienen, da das Kindeswohl nicht dem Arbeitsmarkt untergeordnet werden darf. Eine optimale Betreuung der Kleinkinder kommt im Übrigen auch der späteren Ausbildung und beruflichen Leistungsfähigkeit zugute.

Auch das Dogma der „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ ist in der praktizierten Art eine Täuschung der Eltern. Denn das führt ja zu einem „Sonderopfer“ für Eltern, da kinderlose Erwerbstätige nicht zu „vereinbaren“ brauchen. Dieses Dogma wertet die Kinderbetreuungsarbeit ab. Wahlfreiheit zwischen Erwerbs- und Familienarbeit ist nur bei gleichwertiger Honorierung möglich. Das gilt zumindest dann, wenn die Kindererziehung im Rahmen des Sozialsystems allen Erwerbstätigen besonders im Alter zugutekommt und nicht nur den Eltern, wie das vor unserer Sozialgesetzgebung der Fall war.

Etwas kritisch sehen wir die weitere Bindung des Landeserziehungsgeldes an das vorgeburtliche Einkommen, was allerdings durch den Mindestbetrag von 750 wieder relativiert wird. Wir halten die Betreuung eines Kleinkindes nicht als „Ausfalltatbestand wie Krankheit und Arbeitslosigkeit, wofür Lohnausgleich bezahlt wird. Betreuung von Kleinkindern ist vielmehr eine Arbeit, die eines Lohns statt eines Lohnersatzes bedarf.

Beste Grüße

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Johannes Resch, Vorsitzender Verband Familienarbeit e.V.

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