Statt Wahlfreiheit: Mutter-Sein zwischen Tür und Angel (Fh 2012/3)

von Bärbel Fischer
Elterninitiative für Familiengerechtigkeit im Landkreis Ravensburg

Es scheint für den Großteil unserer Politiker, auch von der Regierungskoalition, sonnenklar zu sein: Mütter verzichten auf ihren angestammten Arbeitsplatz aus lauter Gier auf 150 / 100 Euro Betreuungsgeld, was einem Stundenlohn von ca. 35 Cent entspricht. Aber hallo! Da muss eisern gegengehalten werden! Laut schreien sie: „Fehlanreiz! Fehlanreiz!“ und verdäch­tigen MigrantInnen, Alleinerziehende und Geringverdienende einer Schurkerei, weil sie so arbeitsmarktvergessen handeln.

Der bundesdeutsche Krippenausbau sieht Betreuungsplätze für 35 Prozent aller deutschen Kleinkinder vor. Also werden 65 Prozent der Kleinen zuhause durch die eigenen Eltern, Verwandte oder durch Tagesmütter auf eigene Kosten betreut. Nun wollen alle Parteien einschließlich einiger CDU-Abge­ord­neter das im Koalitionsbeschluss vereinbarte Betreuungsgeld kippen. Ihre magere Begründung: Man will verhindern, dass Kinder von sozial benachteiligten und Migranten-Familien (sie machen ca. 10 Prozent aller Familien aus) von der deutschen Krippe ferngehalten werden, die erwiesenermaßen nicht gerade durch hohe Qualität glänzt.

Dazu dreierlei:
1. werden nicht nur sozial schwache, sondern durchweg alle Familien in Deutschland durch unser Sozialsystem benachteiligt, weil elterliche Kindererziehung hierzulande als reiner Nullwert geführt wird.
2. können auch Geringverdienende und MigrantInnen rechnen. Ginge es ihnen nur ums Geld, würden sie ihre Kinder in der Krippe abgeben. Denn das Betreuungsgeld beläuft sich innerhalb von 2 Jahren auf sage und schreibe 3.000 Euro, während der Krippenzuschuss 24.000 Euro ausmacht. Nein, es gibt für Eltern jenseits vom Geldwert noch emotionale, psychologische, pädagogische und biologische Gründe, die ausschlaggebend sind, ihre Kinder zuhause zu betreuen.
3. sehen Eltern gar nicht ein, warum sie ihre Familie der Gier des Arbeitsmarktes opfern sollen. Sie wehren sich schlicht gegen jedwede Verzweckung des Menschen. Sie wollen autonom bleiben und für ihre Kinder Zeit haben, rund um die Uhr.

Der Aufstand innerhalb der Regierungs­parteien, die das Betreuungsgeld doch im Koalitionsvertrag vereinbart haben, hat natürlich einen Grund. Nicht Missgunst oder knappe Kassen rechtfertigen die Revolte, sondern allein das „moderne Erscheinungsbild“ in Sachen Familie, das wahltaktisch verteidigt werden soll. Nur: Warum sollen unsere Kinder für ein „modernes Familienbild“ schmerzlich resigniert ob der tagtäglichen Abwesenheit ihrer Eltern bluten müssen?

Nicht das Büro oder sonst ein Job reizen eine Mutter, sondern ganz allein ihr Baby. Für die Mutter wird alles unwichtig, nur nicht ihr Kind. Zuwendung, Sorge, Innigkeit stehen auf der Agenda. Dieser Anreiz hat seinen biologischen Sinn darin, das Kind stabil zu machen für die künftigen Anforderungen. Das geht aber nicht zwischen Tür und Angel, wie sich das die politischen TechnokratInnen wünschen.

Die schlaue Politik aber nennt das kurzsichtig einen „falschen Anreiz“. Falsch sein mag das für den Arbeitsmarkt und das Gewinnstreben der Wirtschaft, zugegeben! Dass allerdings unsere ach so besorgten PolitikerInnen nicht mehr nachvollziehen können, dass es für die Präsenz­entscheidung auch humane Gründe geben könnte, ist ihren ideolo­gischen Scheuklappen geschuldet.

Jenseits einer Wahlmöglichkeit wird es Müttern heute fast unmöglich gemacht, ihr Kind selbst zu betreuen. Aber einfach lapidar festzustellen, dass ein Gehalt nicht mehr aus­reicht, um eine Familie zu ernähren, ist. meines Erachtens ziemlich billig. Die Politik hätte alle Hebel in der Hand, unser Sozialsystem nach Maximen der Familiengerechtigkeit neu zu ordnen. Wo Gesellschaften kein Auskommen mehr haben, verkümmern sie, wie wir an unseren Geburtenzahlen ablesen können.

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