Gehirnwäsche statt Wissenschaft ? (Fh 2012/3)

von Marion Gebert

Norwegens populärster Komiker, der Soziologe Harald Eia, hatte zusammen mit Ole-Martin Ihle, Master für „Africana Studies“ (New York University), eine mehrteilige TV-Dokumentation über die biologischen Grundlagen von Verhaltensunterschieden zwischen Mann und Frau gedreht. Gezeigt wurden die Folgen im Jahr 2010 im norwegischen Fernsehen (NRK) unter dem Titel Hjernevask („Brainwashing“, „Gehirnwäsche“).(1) Das Ergebnis war eine heftige Debatte in der norwegischen Öffentlichkeit über den Realitätsgehalt der Gender-Theorien. Die politischen Folgen waren erstaunlich: Der Nordic Council of Minis­ters (NCM)(2) beschloss zum 31.12.2011 die Schließung des Nordic Gender Institute (NIKK), das seinen Sitz an der Universität Oslo hatte.(3) Die Finanzierung der Genderforschung, für die im Vorjahr noch 56 Mio. NOK (ca. 7,6 Mio. €) zur Verfügung standen, wurde gestoppt.(4)

Harald Eias Ziel war es, das „Gender Equality Paradox“ in Norwegen zu hinterfragen – den Widerspruch zwischen jahrzehntelanger offizieller geschlechtsneutraler Erziehung und der Tatsache, dass auch weiterhin in bestimmten Berufen (z.B. Ingenieure) fast nur Männer vertreten sind, in pflegerischen Berufen dagegen mehrheitlich Frauen arbeiten und der Prozentsatz der Männer in diesen Berufen sogar wieder abgenommen hat.

Zum Hintergrund: Norwegen hat den zweiten Platz im internationalen Gender-Gap-Index inne, verfügt über einen hohen Lebensstandard und nimmt bei der Gleichstellung der Geschlechter eine Vorreiterrolle ein. Als erstes Land der Welt hatte Norwegen 2003 eine Geschlechterquote für Aufsichtsräte eingeführt; inzwischen müssen alle staatlichen Unternehmen mindestens 40 Prozent ihrer Aufsichtsratsposten mit Frauen besetzen.
über dieses Gender-Paradox öffentlich nachzudenken, war zu einem Tabu in Norwegen geworden. Als Harald Eia das Buch des renommierten Experimentalpsychologen und Harvard-Professors Steven Pinker „Das unbeschriebene Blatt – Die moderne Leugnung der menschlichen Natur“ las, beschloss er, dem Paradox auf den Grund zu gehen.
Von einem Kamerateam begleitet, interviewte Eia norwegische Gender-TheoretikerInnen zu Themen wie sexuelle Orientierung, Geschlechtsrollen, Gewalt, Erziehung. Er wollte wissen, ob die empirisch auch weiterhin nachzuweisenden Verhaltensunterschiede zwischen Mann und Frau angeboren oder erworben sind. Er übersetzte dann die Interviews ins Englische und zeigte sie etablierten britischen und amerikanischen ExpertInnen aus der Gen-, Gehirn-, Verhaltens-, Psychologie- und Sozialforschung wie Robert Plomin, Steven Pinker, Anne Campbell, Simon Baron-Cohen, Richard Lippa und David Buss. Diese reagierten überrascht bis fassungslos auf die Aussagen der norwegischen Fachleute. Harald Eia konfrontierte letztere dann wiederum mit Fakten, die zeigen, dass die Lebenswirklichkeit mit den Gender-Theorien nicht in Übereinstimmung zu bringen ist. Die Reaktion der Gender-TheoretikerInnen offenbarte ihre Hilflosigkeit, aber auch Faktenresistenz. Vor laufender Kamera mussten sie immerhin zugeben, dass ihre Thesen – z.B., dass Geschlechtsrollenunterschiede nicht angeboren seien – keine empirisch-wissenschaftliche Grundlage haben. JedeR FernsehzuschauerIn konnte erkennen, wie ideologiegeleitet und unwissenschaftlich die Gender-Forschung in Norwegen ist.
600.000 ZuschauerInnen (von 4,8 Mio. EinwohnerInnen in Norwegen) sahen die Sendungen und entfachten in der norwegischen Öffentlichkeit eine breite und kontroverse Diskussion über die Gender-Forschung. Die Universität Tromsø reagierte auf die heftige Debatte und schaltete sich mit diesem Vortrag in die Diskussion ein: „Ist die Welt, wie sie sein sollte? Die Beziehung zwischen Sein und Sollen in der Gender-Forschung“(5) Bereits wenige Wochen danach beklagte die Professorin Jorunn Økland, Direktorin des Centre for Gender Research in Oslo, die negativen Auswirkungen dieser Debatte auf die Gender-Forschung: „Stattdessen wurde ein vielfältiger und multidisziplinärer Bereich von dem [Debatten-„>Sturm hinweggefegt, aber nicht völlig vernichtet. Das bedeutet, dass ein Großteil dieser äußerst vielversprechenden und qualitativ hochwertigen Forschung noch lange Zeit brauchen wird, bis er sich wieder erholt hat.“(6)

NACH DEM STURM
Ab September 2012 wird das NIKK zu einem „Organ für Zusammenarbeit“ („cooperation body“) der Nordischen Länder reorganisiert. Mit den Worten „NIKK ist tot – lang lebe NIKK!“ verabschiedete sich die Direktorin Solveig Bergman(7). Sie erklärte: „Die Schließung von NIKK als unabhängigem Institut erfolgt vor allem deshalb, um Einsparungen zu erzielen, Verwaltungsressourcen zu reduzieren und um Synergieeffekte zu nutzen.“(8)
Wie Päivi Naskali, Professorin von der Universität Lappland und Vorsitzende des finnischen Hilma Network for Gender Studies, den Vorgang beurteilte, lässt allerdings vermuten, dass noch andere Gründe eine Rolle gespielt haben mögen, die nicht in der Öffentlichkeit diskutiert wurden: „Zuletzt bringen wir unsere Verwunderung darüber zum Ausdruck, dass die Entscheidungsfindung in der Frage so schnell war und dass die Sache nicht transparent gehandhabt wurde.“(9)
Die norwegische Zeitung Aftenposten kommentierte diesen beispiellosen Vorgang: „Eineinhalb Jahre nach der Brainwashing-Debatte wird das norwegische Gender-Forschungsprogramm fallengelassen. (…) Die Debatte hat den Ruf der Forschung beschädigt.“(10)
Von der deutschen Presse ist das Ereignis erst spät zur Kenntnis genommen worden,(11) umso mehr wird es in der Bloggerszene diskutiert.

Dieser Beitrag wurde erstellt in Anlehnung an den Artikel­ von Marion Gebert, Deutsches Institut für Jugend und Gesellschaft: Gehirnwäsche-statt-Wissenschaft. Abdruck mit Genehmigung der Autorin.

Fußnoten:
1) Hjernevask_TV-Programm Mit deutschen Untertiteln zu sehen ist der erste Film, Hjernevask – The Gender Equality Paradox (= Hirnwäsche – Das Gleichstellungs-Paradox), in drei Teilen im Internet unter: youtube (dt.) Das Gleichstellungs-Paradox. Alle Filme sind mit englischen Untertiteln veröffentlicht („Brainwash“: 1. The Gender Equality Paradox 2. The Parental Effect = Der Einfluss der Eltern 3. Gay / Straight = Homosexuell / Heterosexuell 4. Violence = Gewalt 5. Sex 6. Race = Rasse 7. Nature or Nurture = Anlage oder Umwelt) unter youtube (engl.) Brainwash.
2) Nordischer Ministerrat – eine Kooperation der Länder Dänemark, Finnland, Island, Norwegen, Schweden sowie der autonomen Gebiete Grönland, Färöer und Åland.
3)  download Ministerratsvorschlag NIKK
4) www.aftenposten.no
5) Universitetet i Tromsø Programmankündigung
Hinweis: Dieses und alle folgenden Zitate sind Übersetzungen aus dem Finnischen, Englischen oder Schwedischen.
6) Jorunn Økland: After the storm? (14.05.2010)
7) „NIKK är död – länge leve NIKK!“ www.nikk.no
8) NIKK läggs ned vid årsskiftet
9) www.nikk.no/filestore/Diverse/Hilma_om_NIKK.pdf
10) Siehe Fußnote (4)
11) Harald Eia im Interview mit Moritz Schwarz: „Das ist der pure Snobismus“. In: Junge Freiheit Nr. 39/12 vom 21.9.2012, S. 3.
Baal Müller: Das gemachte Geschlecht. ebd., S. 13.
Harald Eia im Interview mit Tirza Meyer: „Das wurde hässlicher, als ich gedacht habe“. In: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung Nr. 38 vom 23.9.2012, S. 11.

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