Die meisten Eheleute leben im falschen Glauben (Fh 2016/3)

von Gesa Ebert und Wiltraud Beckenbach

„Braucht das deutsche Familienrecht einen fünften Güterstand?“ Unter diesem Titel veranstaltete der Deutsche Juristinnenbund (djb) gemeinsam mit der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf am 28./29. Februar 2016 in der Universität ein Symposium.

Dass es im deutschen ehelichen Güterrecht vier verschiedene Möglichkeiten gibt, die Vermögensangelegenheiten zu regeln, wird den meisten Paaren unbekannt sein. Die Zugewinngemeinschaft (ZGG), der gesetzliche Güterstand, der automatisch für alle gilt, die keinen Ehevertrag geschlossen haben, ist am weitesten verbreitet. Einfach deshalb, weil sich die wenigsten vor der Heirat damit befassen und der Gesetzgeber sie bislang auch nicht dazu anhält, über diese Frage nachzudenken.

Neben dem gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft (ZGG) gibt es noch drei Wahlgüterstände:

  • Die Gütertrennung: Hier bleiben die Vermögen von Mann und Frau gänzlich getrennt, auch bei Scheidung.
  • Die Gütergemeinschaft ist das krasse Gegenstück zur Gütertrennung. Sie wird wegen ihrer schwerfälligen Verwaltung kaum noch gewählt.
  • Als vierter Güterstand wurde am 1. Mai 2013 für binationale Ehen der deutsch-französische Güterstand der Wahl-Zugewinngemeinschaft eingeführt.

In Düsseldorf wurde nun diskutiert, ob es einen weiteren, also fünften, Güterstand geben solle, der ausdrücklich die Gleichwertigkeit von Familienarbeit und Erwerbsarbeit berücksichtigt, und zwar gerade auch während der bestehenden Ehe. Wir berichten hier über das aus unserer Sicht Wichtigste dieser beiden Tage aus den Vorträgen und Diskussionen, teilweise aus den ausführlichen schriftlichen Referaten. Letztere hat der djb in seiner Verbandszeitung dokumentiert.1)

Brigitte Meyer-Wehage, Vorsitzende der Kommission Zivil-, Familien- und Erbrecht, Recht anderer Lebensgemeinschaften im djb und Direktorin am Amtsgericht Brake, betonte gleich zu Beginn, man könne es nicht oft genug sagen: Unser gesetzlicher Güterstand, die Zugewinngemeinschaft, ist eine Gütertrennung – mit Ausgleich nur bei Scheidung oder Tod. Das in der Ehe erworbene Vermögen, z.B. durch Erwerbsarbeit, bleibt in der Ehe „eigenes“ Gut, wird nicht gemeinschaftlich. Nur das zum Bewertungsstichtag (noch) vorhandene Vermögen wird am Ende ausgeglichen.

Die Unkenntnis dieser Tatsache sei aber in allen sozialen Schichten sehr groß. Eine repräsentative Studie des Familienministeriums aus dem Jahre 2010 habe dies ans Licht gebracht: 89 % derjenigen, die im gesetzlichen Güterstand der ZGG leben, glauben, dass bei der ZGG alles Vermögen gemeinsam ist; etwas mehr Frauen als Männer sind dieser irrigen Meinung.2)

Die in der ZGG fehlende Gleichwertigkeit der beiden Arbeitsbereiche während der bestehenden Ehe sei ein evidentes Defizit. Der Versorgungsausgleich helfe da nicht, er habe keine güterrechtliche Funktion, sondern diene nur der eigenständigen Alterssicherung, befreie also von Unterhaltszahlungen im Alter. Der Familienarbeit leistende Ehegatte tue gut daran, Trennungsabsichten des erwerbstätigen Partners rechtzeitig zu erkennen, damit Vermögen nicht beiseite geschafft werde. Die ZGG biete demjenigen, der das größere Vermögen besitze, diverse Möglichkeiten der Manipulation. Die Scheidung werde nicht selten zu einem „günstigen“ Zeitpunkt gemacht. Probleme mit der Feststellung des Vermögens am Ende der Ehe gebe es in jedem zweiten Scheidungsfall. Die Berechnung des Zugewinnausgleichs treibe deshalb einigen Richter/innen den Schweiß auf die Stirn.

Dass der Gesetzgeber nicht tätig werde, sondern stattdessen Heiratswilligen lediglich empfohlen werden solle, einen individuellen Ehevertrag abzuschließen, um die Gleichberechtigung zu verwirklichen, sieht Meyer-Wehage nicht als Lösung des Problems an. Zumal nicht empfohlen werden könne, die Gütergemeinschaft zu wählen und „Abweichungen in eigener Schöpfung zu suchen“; das sei risikobehaftet. Aber genau dieses schlug der zuständige Referatsleiter im Bundesjustizministerium, Dr. Thomas Meyer, auch in Düsseldorf wieder vor! Er ignoriert seit vielen Jahren die zunehmende Kritik am gesetzlichen Güterstand.

Prof. Dr. Nina Dethloff, LL.M., Direktorin des Instituts für Deutsches, Europäisches und Internationales Familienrecht, Universität Bonn, erläuterte, dass es in Europa grundlegende Unterschiede im Güterrecht gebe. Wissenschaftler/innen nahezu aller EU-Staaten sowie aus Norwegen, der Schweiz und Russland haben deshalb 2001 eine Kommission gegründet, die CEFL. Sie erarbeitet unverbindliche Prinzipien zum Europäischen Familienrecht als Modelle für die nationalen Gesetzgeber mit dem Ziel einer Harmonisierung. Sie stellte die Güterstände Errungenschaftsbeteiligung und Errungenschaftsgemeinschaft vor:

  • Bei der Errungenschaftsbeteiligung (Schweiz, aber auch die ZGG in Deutschland und Griechenland) bleibt das in der Ehe erworbene Vermögen getrennt. Die „Beteiligung“ findet nur bei Beendigung der Ehe statt.
  • Die Errungenschaftsgemeinschaft (ERG) dagegen schützt den nicht-erwerbstätigen Ehepartner weit besser. Das in die Ehe Mitgebrachte bleibt dabei getrennt; ebenso Schenkungen und Erbschaften, persönliche Gegenstände und jene, die für die Erwerbstätigkeit nötig sind. Auch bei den Verbindlichkeiten ist nicht alles gemeinsam. So bleiben z.B. Spielschulden, Strafen und alleine eingegangene Verbindlichkeiten in der persönlichen Haftung. Die Verwaltung ist durch jeden Ehegatten allein möglich. Wichtige Geschäfte, große Schenkungen, müssen aber gemeinsam erfolgen. Dieser Güterstand ist in Europa vorherrschend. Sein Merkmal ist die dingliche Beteiligung während der Ehe, nicht nur am Ende. Mit diesem Güterstand werde die Gleichwertigkeit von Familien- und Erwerbsarbeit anerkannt. Die Errungenschaftsgemeinschaft sollte nach Meinung von Dethloff bei uns eingeführt werden – als Wahlgüterstand.

Dr. Gudrun Lies-Benachib, Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Frankfurt am Main, setzt sich ebenfalls mit Nachdruck für die Errungenschaftsgemeinschaft ein – als Wahlgüterstand. Weder die Verwaltung in der Ehe noch die Auseinandersetzung bei einer Scheidung sei komplizierter als jetzt bei der ZGG. In einer ERG könnten nicht mehr einfach Vermögensgegenstände auf den anderen Ehegatten übertragen werden, um diese dem Zugriff von Gläubigern zu entziehen, wie das in der Zugewinngemeinschaft üblich sei. Zu diesen Gläubigern zählten nicht selten die Kinder aus erster Ehe und deren Mutter, die teilweise gezielt ausgebootet würden. Es häuften sich die Fälle, dass beim Zugewinnausgleich der Mann sage, er habe mit einem Kumpel das Haus ausgebaut. Das sei ihm anzurechnen. Dass die Frau in der Zeit die Kinder versorgt, den Kartoffelsalat gemacht habe etc., werde da nicht angesprochen.

Eva Becker, Rechtsanwältin in Berlin und Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Familienrecht im Deutschen Anwaltverein, die über den deutsch-französischen Wahlgüterstand referierte, warf ein, dass eine ERG im Wesentlichen die „Hausfrauenehe“ schütze. Wer hier im Tagungsraum sitze und sein eigenes Geld verdiene, brauche keine ERG. Ihr werde hier überhaupt zu viel über die Ausgestaltung des Güterstandes in der Ehe diskutiert!

Dethloff dazu: Es gehe nicht nur um Hausfrauen, sondern auch um die Frauen, die weniger verdienen und Kinder versorgen. Wie das immer ist bei Diskussionen ums Eherecht, wurde auch hier wieder sehr viel über das Ehe-Ende gesprochen. Meyer-Wehage warf deshalb ein: „Wir reden jetzt gerade nur über die Auflösung. Aber wichtig nochmal: Es geht auch um die bestehende Ehe… um eine andere Grundhaltung!“ Zwei Drittel der Ehen seien dauerhaft. Es müsse deutlich gemacht werden: Bei der ZGG ist die Gleichwertigkeit von Erwerbs- und Hausarbeit nicht gegeben und das Familienheim ist bei Scheidung nicht geschützt.

Fazit

Unverständlich ist für uns nach allem, was an gravierenden Defiziten der Zugewinngemeinschaft benannt worden ist, warum Juristinnen des djb dafür plädieren, die Errungenschaftsgemeinschaft lediglich als Wahlgüterstand einzuführen und die ZGG als gesetzlichen Güterstand zu belassen. Dies wird dazu führen, dass wieder nur diejenigen zu ihrem Recht kommen, die sich auskennen und durchsetzen können.

Der Verband Familienarbeit e.V. fordert dagegen seit Jahrzehnten ganz klar, die Errungenschaftsgemeinschaft als gesetzlichen Güterstand einzuführen. Was automatisch gilt, wenn die Menschen sich nicht darum kümmern, weil sie offenbar dem Staat vertrauen, muss doch das sein, was die meisten als richtig und gerecht ansehen. Nach der o.g. Studie ist das eindeutig die ERG.

Solange dies nicht erreicht ist, muss bei der Anmeldung der Eheschließung Frau und Mann jeweils getrennt ein Informationsblatt (keine dicke Broschüre!) über das Güterrecht ausgehändigt werden, in dem – flankiert von einer großen Aufklärungs-Kampagne bei der Einführung – allgemeinverständlich erklärt wird, was ein Güterstand ist und was die wesentlichen Inhalte des gesetzlichen sowie der alternativen Wahl-Güterstände sind. In der Heiratsurkunde erklärt das Paar dann schriftlich, für welchen Güterstand es sich entschieden hat. Dies wird wohl in einigen EU-Ländern so praktiziert.

Nach dem Motto: „Das Unglück kommt von den falschen Begriffen“ (Laotse), machte Brigitte Meyer-Wehage zum Schluss den Vorschlag, als Sofortmaßnahme die Zugewinngemeinschaft umzubenennen in Gütertrennung mit Ausgleich bei Beendigung, denn: „Wir sollten benennen, was ist!“

Fußnoten:

1) djbZ, Ausgabe 2/2016, Das deutsche Güterrecht im europ. Kontext – quo vadis?; www.djb.de, Tel. 030/443270-0

2) Studie Partnerschaft und Ehe – Entscheidungen im Lebensverlauf; Einstellungen, Motive, Kenntnisse des rechtlichen Rahmens, S. 48 ff, (als Broschüre kostenlos erhältlich beim BMFSFJ, www.bmfsfj.de/ publikationen, Tel. 030 / 201 791 30)

– und Familienarbeit heute 3/2013: Über die Lufthoheit in der Ehe