Die Angst vor der Rolle rückwärts in die 50er Jahre

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Text von Romy Richter aus der fh 2/2020

Sabine Menkens schreibt in ihrem am 05.05.20 auf www.welt.de erschienenen Artikel1 über neue und doch sehr alte Geschlechterrollen, die „dank“ Corona aufbrechen und ganz offensichtlich Angst auslösen.

Ich frage mich, warum eine Gesellschaft Angst haben soll, sobald Mütter sich um ihre Kinder kümmern? Ist es nicht genau das, was Kinder, Erzieher, Lehrer, Kinderpsychologen und Therapeuten sich längst wünschen? Mehr Engagement und Interesse von Seiten der Elternschaft? Wovor also sollen wir Angst haben?

Etwa davor, dass Frauen der „Heimarbeit“ eventuell den Vorzug vor der Berufstätigkeit geben könnten? Oder davor, dass sie künftig im Beruf kürzertreten werden, um sich ausgiebiger um die Kinder kümmern zu können? Angst, dass alle bisherigen Gleichberechtigungserrungenschaften nun stagnieren und den Eltern das Wohl der Familie wieder wichtiger wird als die Anpassung an den Gendermainstream? Angst, dass sie dem Druck, den Arbeitgeber und Medien ausüben, standhalten und endlich auf ihr Herz hören? Dass Eltern das Handtuch werfen und Vereinbarkeit endlich Vereinbarkeit sein lassen, damit mehr Zeit bleibt für die wirklich wichtigen Dinge im Leben?

Der Artikel beschreibt meines Erachtens, wie das Missverhältnis zwischen politisch bzw. ideologisch geforderter Gleichberechtigung und den Anforderungen eines realen Familienalltages jetzt knallhart zu Tage tritt. Anstatt die sog. „Retraditionalisierung“ anzuprangern und weiterhin auf gleichberechtigte Kinderbetreuung und Berufstätigkeit zu pochen, sollte endlich wahrgenommen werden, dass vielen Familien damit auf Dauer definitiv zu viel abverlangt wird und nichts dagegen einzuwenden ist, wenn Eltern sich dafür entscheiden, die Erziehungs- und Bildungsarbeit persönlich zu leisten.

„Wie in früheren Zeiten arbeiteten die Frauen (jetzt) viel mehr für das Wohlergehen der Familie“ heißt es im Artikel. Was ist dagegen einzuwenden? Es ist doch wunderbar, wenn sie sich um ihre Familien kümmern. So sollte es sein. Und „dass Mütter ihre Arbeit aufgrund der Pandemie stärker zugunsten der Kinderbetreuung einschrän- ken als Väter“ kann doch tatsächlich nur die Gleichberechtigungsfanatiker stören. Einer muss doch das Geld verdienen, und da Männer weiterhin vergleichsweise besser verdienen als Frauen, ist es nur logisch, dass sie in ihrem Beruf arbeiten. Zudem ist es eine ganz private Entscheidung, wer von den Eltern wie viel Zeit in Beruf oder Kinder steckt, solange beide Elternteile damit zufrieden sind. Übrigens ist es tatsächlich klüger, alle anfallenden innerfamiliären Aufgaben entsprechend persönlicher Begabungen und Fähigkeiten zu verteilen anstatt sich dabei an der Genderideologie zu orientieren. Wichtig ist, dass es der Familie gutgeht. Außerdem hätten „schon vor der Krise in Paarhaushalten die Mütter den Großteil der Sorgearbeit übernommen.“ Also: wo ist das Problem? Kein Kind wird sich je daran stören – im Gegenteil. Aber vermutlich geht es gar nicht um die Kinder – worum dann?

„Wegen der Kita-Schließungen stecken vor allem Mütter beruflich zurück, um den Betreuungsbedarf aufzufangen“ wogegen eigentlich nichts einzuwenden wäre. Aber: „Frauen werden so in traditionelle Geschlechterrollen gedrängt.“ Ehrlich? Vielleicht tun sie es auch freiwillig, einfach der Kinder wegen? Weil sie gern welche haben und sich zudem auch gern selbst um sie kümmern? „Dies kann zu langfristigen Nachteilen im Erwerbsleben für sie führen.“ Aha, jetzt kommen wir der Sache schon näher. Zu dumm nur, dass Eltern eben nicht nur ihr Erwerbsleben im Blick haben können, sondern auch auf das Wohl ihrer Familie sehen wollen.

Vor diesem Hintergrund könnte Corona es vielleicht schaffen, mit allen Vereinbarkeitslügen aufzuräumen: auf Dauer kriegen wir Kinder und Beruf eben nicht in gleich guter Qualität auf die Reihe. Entweder nehmen wir die Nachteile im Job oder zuhause in Kauf. Eltern werden immer Gefahr laufen, auf einer Seite vom Pferd zu fallen: sie werden den Kindern nicht gerecht oder dem Arbeitgeber. Und das ist nichts Neues, das gab es schon immer.

Nicht umsonst zeigen „die Antworten von Tausenden von Frauen und Männern auf die WZB-Umfrage corona-alltag.de eindringlich, dass die Zufriedenheit mit der Arbeit und dem Leben insgesamt bei Müttern noch stärker zurückgegangen ist als bei Vätern“, weil vor allem Mütter sich im Vereinbarkeitswahn einer Doppelbelastung hingeben, der sie ganz offensichtlich auf Dauer nicht gewachsen sind. Und genau aus diesem Grund sollte die „Retraditionalisierung“ im Sinne einer Rückbesinnung von Müttern auf ihre Verantwortung gegenüber Kindern und Haushalt nicht angeprangert, sondern gefeiert, gewürdigt oder zumindest akzeptiert werden. Denn „dass für Eltern in der Regel die Elternrolle nur eine Aufgabe unter anderen ist, die sie bewältigen müssen“ ist keines Lobes wert, oder?

Was Helen Knauf, Professorin für Bildung und Sozialisation im Kindesalter, nicht gern sieht, ist die Tatsache, dass „durch die Pandemie die Zuständigkeit für das Aufwachsen der Kinder wieder zu einer reinen Privatsache geworden ist.“

Schließlich habe „die politisch gewollte und öffentlich geförderte Familieninfrastruktur seit den 90er-Jahren wesentlich dazu beigetragen, dass das Leben mit Kindern zu einer gemeinsamen gesellschaftlichen Aufgabe geworden“ sei. An dieser Stelle möchte ich unbedingt anmerken, dass Familie und Kindererziehung Privatangelegenheiten sind, die nicht in staatliche Hände gehören. Politik und Wirtschaft haben sich nur aus einem Grund vehement in die Betreuung der Kinder eingemischt: dass die Eltern abkömmlich werden und dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Auch hier steht keinesfalls das Kindeswohl im Vordergrund.

Es bleibt zudem zu hinterfragen, ob diese Form der Infrastruktur überhaupt mehrheitlich von den Eltern, insbesondere den Müttern, gewünscht war. Ich sehe im Schnitt keinerlei Verbesserung für die Kinder oder das Familienklima, die sich aus der „gesamt-gesellschaftlichen Zusammenarbeit“ heraus ergeben haben – im Gegenteil. Ich beobachte eine große Verunsicherung darüber, wer in welchem Maß für die Kinder zuständig und verantwortlich ist: viele Eltern verlassen sich mittlerweile auf die sog. „Fachkräfte“, die Fachkräfte wiederum verweisen an die Eltern – und wer kümmert sich wirklich? Ich freue mich, dass das, was Mütter während der Coronazeit in ihren Familien leisten, als ein Teil althergebrachter Tradition wahrgenommen und benannt wird. Ich möchte davor warnen, diese mütterlichen Bemühungen zu diffamieren – vor allem solange kein Beweis dafür erbracht werden kann, dass unsere Kinder ohne das liebevolle Engagement ihrer Eltern wirklich besser aufwachsen und gedeihen.

 

1 https://www.welt.de/politik/deutschland/ article207758603/Frauen-und-Corona-Die-Angst- vor-der-Rolle-rueckwaerts-in-die-50er.html

Comments

  1. Ronja schreibt:

    Wow, Sie hätten mich fast gehabt. Ich hätte fast gesagt, was für ein großartiger fortschrittlicher Verein. Aber mit diesem Artikel haben Sie absolut bewiesen, dass sie kein Stück der Kritik verstanden haben. Mütter bleiben zu Hause „so sollte es sein“ – was für ein Schwachsinn! :/ Mütter bleiben zu Hause, weil sie in der Regel weniger verdienen. Was sie als Logik verkaufen wird von selbigen „Gendermainstreamern“ ja gerade kritisiert: Warum verdienen Frauen denn fast immer weniger? Eine wirklich freie Entscheidung wäre von finanziellen Zwängen unabhängig! Ich dachte dafür stehen Sie, aber scheinbar geht es Ihnen doch auch nur um die Rückkehr der „guten Hausfrau und Mutter“ … So sollte es ja laut Ihnen sein.

    • Johannes Resch schreibt:

      Diese Kritik an Romy Richter verstehe ich icht. Sie begrüßt es doch nur, dass es immer noch Mütter gibt, für die das Wohl ihrer Kinder wichtiger ist als die ganze Gender-Mainstream-Ideologie. Was ist daran zu kritisieren?

      Allerdings möchte auch ich meine vorsichtige Kritik an der Argumentation von Frau Richter anmelden. Der Idealismus der Mütter und der Eltern überhaupt wird auf eine harte Probe gestellt, wenn die Fremdbetreuung der Kleinkinder massiv durch Steuergelder subventioniert wird, die auch von den Familien bezahlt werden müssen, die ihre KInder trotzdem selbst betreuen wollen. Die staatliche Manipulation im Sinne des Gender-Mainstreaming ist doch der eigentliche Skandal, gegen den sich alle Eltern wehren sollten.

      Alle Eltern sollten das tun, was sie für ihre Kinder und sich selbst für das Richtige halten. Aber der Staat hat nicht das Recht, das Verhalten der Eltern durch milliardenschwere Subventionen zu manipulieren. Der Staat sollte zwar den Eltern die finanzielle Last der Kindererziehung mindern, weil Kinder für die künftige soziale Sicherheit aller sorgen. Er darf das aber nicht an ein wie auch immer geartetes Wohlverhalten binden, wie er das heute tut. Diese Forderung sollte viel offensiver gestellt werden als bisher.
      Gleiches Recht für alle KInder und für alle Eltern !!!

    • Gertrud Martin schreibt:

      Sehr geehrte Frau Schultheis,

      Der „Streit“ um die „Rolle“ und jetzt um die Rückwärtsrolle der Frau ist gekennzeichnet durch grundlegende Missverständnisse und Nebelkerzen, die von interessierter Seite gezündet werden. Das zeigt mir auch Ihr Kommentar. Vielleicht möchten Sie sich doch auf einen Gedankenaustausch dazu einlassen?

      Die alte Rolle der Hausfrau und Mutter war die einer Fronarbeiterin. Das heißt: Ohne Bezahlung ackerte sie von morgens bis abends um für oft ungewollt viele Kinder und ihren Ernährer, der „das Geld heimbrachte“ ein schönes Heim und Geborgenheit zu schaffen. Sie war „eingesperrt“ in diesem Wirkungsraum, zusammen mit den Kindern. Es gab wenig Ehescheidungen, weil die Frauen danach keine wirtschaftliche Existenzmöglichkeit sahen. Sie waren ja auch von Kindesbeinen an auf diese Rolle hin erzogen worden. Sie hatten keine Wahlfreiheit.

      Zu Recht kämpfen die Frauen heute darum, ihr Leben selbstbestimmt und gemäß ihren persönlichen Begabungen und Neigungen gestalten zu können. Dazu gehört auch die durch eigener Hände Arbeit erreichte finanzielle Unabhängigkeit und Alterssicherung. Ein wichtiger Schritt dahin ist ihre Gleichstellung mit den Männern in der Berufswahl, Ausbildung und dann im Erwerbsleben. Dazu trägt die Politik bereits wesentlich bei.

      Ausgeschlossen von der Anerkennung als lohnwerte Arbeit blieb und bleibt bis dato die nach wie vor zu leistende Arbeit in der Familie. Daran ändert sich auch kein Jota, wenn die Väter sich dort mehr engagieren. Sie teilen dann die Benachteiligung „partnerschaftlich“ (Giffey! Macht sie sich lustig oder will sie nicht begreifen, dass „Partnerschaftlichkeit“ nicht von der Frauenministerin definiert wird, sondern von den beiden Partnern, die danach leben wollen?) mit ihren Frauen. Aber diese Arbeit ist nicht wegzudiskutieren und ist nicht grundsätzlich wegzuorganisieren, auch wenn noch so viele und noch so gut qualifizierte Ersätze dafür geschaffen und vom Staat millionenschwer subventioniert werden. Solange diese Arbeit nur als solche anerkannt und finanziert wird wenn sie außer Hauses von Dritten getan wird, jedoch diejenigen Frauen (und beliebig viele entsprechend geneigte Männer), die diese Arbeit in Eigenregie übernehmen wollen, weiterhin ohne Lohn, also in der Rolle der Fronarbeiter*in gefangen bleiben sollen, sind wir von der Gleichberechtigung der Geschlechter und einer echten Wahl- FREIheit weiter weg denn je! Die aktuelle Gleichmacherpolitik anerkennt Frauen nur als gleichwertig, wenn sie sich wie Männer verhalten, aber nicht als gleichberechtigt aufgrund ihrer Andersartigkeit.

      Für unseren Verband geht es also keineswegs um die „Rückkehr der guten Hausfrau und Mutter“, sondern es geht darum zu erreichen, dass dank einer eigenständigen Bezahlung die Entscheidungsfreiheit der Frauen und Männer gesichert wird, diese für die Zukunftssicherung unserer Gesellschaft unentbehrliche Arbeit übernehmen zu können. Diese echte Wahlfreiheit ist unser Ziel.

      Am Rande sei vermerkt, dass wir – im Gegensatz zur offiziellen Familienpolitik – davon überzeugt sind, dass die Geborgenheit in der Herkunftsfamilie für Kinder eine wichtige Basis für den Start ins Leben ist. Eltern, die diese Überzeugung teilen, werden im Regen stehen gelassen. Anderen, die da noch zweifeln, wird eingeredet, sie seien doch „überflüssig“/ersetzbar, weil Krippe, Kita, Hort, Ganztagsschule umfassende Bildung und Chancengleichheit böten, die Eltern niemals leisten könnten. „Bildung“ und Zurichtung auf die Rolle des Zahnrädchens in der Wirtschaft ist für die Kinder aber nicht das A und O! Und die „Befreiiung“ der Frau zur Stütze der Wirtschaft (solange sei denn gebraucht wird!) ist eine fragwürdige. Die Familie ist nicht „von gestern“. Ihr Ausverkauf hat aber auf breiter Front Konjunktur.

      Ist es das, was Sie wollen?

      Gertrud Martin,
      verantwortlich für die Redaktion der „Familienarbeit heute“

      • Ronja schreibt:

        Sehr geehrte Frau Martin,

        ihre Absichten in allen Ehren, die grundsätzliche Idee ihres Verbands und die anklingende Kapitalismuskritik (ich weiß nicht ob sie es so bezeichnen würden) unterstütze ich ausdrücklich! Ohne Frage hat die Befreiung der Frau von der Rolle der Hausfrau und Mutter der Wirtschaft einen großen Dienst erwiesen, reichte doch vor 50 Jahren noch ein Einkommen um eine ganze Familie durchzubringen, heute ist das nicht mehr der Fall (wobei die nicht arbeitende Frau schon immer auch ein Privileg der zumindest nicht ganz schlecht gestellten war, oder nicht?) und daraus resultieren größere Gewinne für Unternehmen und eine Doppelbelastung für arbeitende Menschen.
        Dennoch, oder gerade weil ich in der Sache genau das selbe fordere wie Sie, weise ich die Bezeichnung „Nebelkerzen“ strickt von mir. Ich habe lediglich den Eindruck, dass Sie, über diese Forderungen hinaus, wichtige Fragen zu Haus- und Carearbeit besonders im Verhältnis zu Geschlechterrollen (noch) nicht durchdacht haben und das wird an sehr eindeutigem Vokabular und Ihrer Ausdrucksweise sichtbar. Ich will Ihnen das gerne an Beispielen verdeutlichen:

        (aus dem Artikel oben)
        „[dass] den Eltern das Wohl der Familie wieder wichtiger wird als die Anpassung an den Gendermainstream? Angst, dass sie dem Druck, den Arbeitgeber und Medien ausüben, standhalten und endlich auf ihr Herz hören?“ Dazu sagte ich ja bereits etwas in meinem Kommentar, die Kritik wird hier einfach völlig missverstanden. Es geht erstens nicht um Eltern, sondern es geht um Mütter und zweitens nicht darum, dass Frauen zu Hause bleiben, weil es ihr Herzenswunsch ist, sondern weil irgendwer es machen muss und sie meist weniger verdienen und eh zusätzlich die Hausarbeit übernehmen. Wenn die Coronakrise „das entspannte Hausfrauenleben“ so angenehm deutlich macht, spricht das doch einfach nur für die oben erwähnte krasse Doppelbelastung in der vorherigen Situation, die immer noch vor allem Frauen schultern in Deutschland. Genau das wird ja auch eine Studie später bestätigt. Zudem wird suggeriert, dass die Anpassung an den Gendermainstream (was soll das überhaupt sein/heißen? Gendermainstreaming ist eine politische Strategie) geradezu das Gegenteil des Wohls der Familie bedeutet. Heißt das also, wenn ich als Frau arbeiten gehe bin ich eine schlechte Mutter?

        „Vielleicht tun sie es auch freiwillig, einfach der Kinder wegen? Weil sie gern welche haben und sich zudem auch gern selbst um sie kümmern?“ – Ist das auch eine Eigenschaft die ausschließlich Frauen zu eigen ist? Ihre Kinder gern zu haben? Muss ja so sein, wenn das der Grund ist warum übermäßig Frauen nun zu Hause bleiben.

        „Was ist dagegen einzuwenden? Es ist doch wunderbar, wenn sie sich um ihre Familien kümmern. So sollte es sein.“ – Auch das erwähnte ich schon, sollte es so sein? Dass Frauen sich um die Familie kümmern? Klingt für mich sehr normativ.

        „dass Mütter ihre Arbeit aufgrund der Pandemie stärker zugunsten der Kinderbetreuung einschränken als Väter“ kann doch tatsächlich nur die Gleichberechtigungsfanatiker stören. Einer muss doch das Geld verdienen, und da Männer weiterhin vergleichsweise besser verdienen als Frauen, ist es nur logisch, dass sie in ihrem Beruf arbeiten.“ – Abgesehen vom absoluten Reizwort „Gleichberechtigungsfanatiker“, hätte hier auch eine Kritik am Genderpaygap erfolgen können, anstatt seine Folgen als „Logik“ zu verkaufen. Wieder wirkt es auf mich wie die Kritik einfach nicht verstanden. Niemand macht einer Frau einen Vorwurf, wenn sie zu Hause bleibt, weil ihr Mann mehr verdient. Der Vorwurf ist, dass der Mann fast immer mehr verdient.

        „Politik und Wirtschaft haben sich nur aus einem Grund vehement in die Betreuung der Kinder eingemischt: dass die Eltern abkömmlich werden und dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Auch hier steht keinesfalls das Kindeswohl im Vordergrund.“ – Tut mir leid aber das stimmt einfach nicht. Als Sozialpädagogin weiß ich natürlich, dass der staatliche Eingriff in Bildung und Erziehung noch wesentlich mehr Zwecke erfüllt als nur die Freistellung der Eltern als Arbeitskraft. Es geht um gesellschaftliche Entwicklung sowie Sicherheit und Prävention von Kindeswohlgefärungen, die zu einem großen Teil in öffentlichen Einrichtungen aufgedeckt werden. Mir würden sicher noch mehr Zwecke einfallen aber das sind denke ich die wichtigsten.

        „Ich möchte davor warnen, diese mütterlichen Bemühungen zu diffamieren – vor allem solange kein Beweis dafür erbracht werden kann, dass unsere Kinder ohne das liebevolle Engagement ihrer Eltern wirklich besser aufwachsen und gedeihen.“ – Niemand behauptet das! Niemand hat jemals behauptet, dass Kinder OHNE ihre Eltern besser gedeihen. Ganz im Gegenteil wird doch sogar ein paar Sätze vorher noch festgestellt „die Fachkräfte wiederum verweisen an die Eltern“, mehr dazu in meinem letzten Punkt.

        (aus ihrem Kommentar)
        „beliebig viele entsprechend geneigte Männer“ – warum erwähnen Sie hier eine „entsprechende Eignung“ der Männer? Glauben Sie Männer sind gemeinhin weniger geeignet Kinder zu erziehen oder Hausarbeit zu machen? Sind dies in Ihren Augen etwa natürliche Kompetenzen nur von Frauen?

        „Anderen, die da noch zweifeln, wird eingeredet, sie seien doch “überflüssig”/ersetzbar, weil Krippe, Kita, Hort, Ganztagsschule umfassende Bildung und Chancengleichheit böten, die Eltern niemals leisten könnten“ – Hier muss ich Ihnen nochmal als Pädagogin einfach sagen, ja! Öffentliche Bildungseinrichtungen bieten Möglichkeiten für Bildung und Chancengleichheit, die Eltern im heimischen Umfeld nicht bieten können. Dabei geht es nicht um eine Konkurenz, etwa darum, dass die Bildung dort besser sei als die, die Eltern ihren Kindern zukommen lassen oder dass diese „überflüssig“ oder „ersetzbar“ seinen, sondern es geht um eine Bildungspartnerschaft, um die Zusammenarbeit von Eltern und Bildungseinrichtungen, damit die Vorteile von BEIDEN Umgebungen und Erfahrungsbereichen für Kinder nutzbar gemacht werden können. Warum gehen Sie hiergegen so auf Angriff? Niemand behauptet, dass die Geborgenheit in der Familie nicht wichtig sei, nur weil Kindergärten wichtige und wertvolle Bildungseinrichtungen sind. Und zwar völlig unabhängig von wirtschaftlichen Iinteressen, diesen Vorwurf würde ich eher unserem Schulsystem machen. Dennoch halte ich auch dieses, unabhängig von seiner wirtschaftlichen Nutzbarkeit und gerne mit vielen Reformen und einer großen Umgestaltung grundsätzlich für sinnvoll. Oder sehen Sie das auch anders? Glauben Sie die Schulpflicht wertet Familien ab?

        Mag sein, dass Ihnen diese Aussagen unbedarft während des Schreibens kamen und Sie nicht bewusst das sagen wollten, was ich in den Fragen unterstelle. Dennoch drücken sie implizit genau das aus, was ich und viele andere „Gleichberechtigungsfanatiker“ kritisieren: Die Frau ist nicht die bessere Haus- und Carearbeiterin!

        • Gertrud Martin schreibt:

          Sehr geehrte Frau Schultheis,

          danke, dass Sie sich die Mühe gegeben haben, mir so ausführlich zu antworten! Ich will es etwas kürzer versuchen:

          Abgesehen davon, dass ich einen Text unserer Autorin Birgit Kelle zu „verteidigen“ hatte, den ich stellenweise nicht so pointiert formuliert hätte, sitzen wir wohl beide in der altbekannten Argumentationsfalle der Verallgemeinerungen oder lesen bei der Gegenseite solche heraus. Allerdings bin ich entschieden der Überzeugung, dass Frauen in ihrer großen Mehrheit die besseren Care-Arbeiter/innen sind als „die Männer“. Ihre engere Nähe zum Kind ist doch unbestreitbar vorgegeben durch Schwangerschaft, Gebären und Stillen. Das sind eigenständige“Leistungen“, die – nachdem immer mehr junge Frauen sich ihnen verweigern – ganz anders anerkannt werden müssen als es geschieht (es sei denn, dass Sie Anhängerin der These sind, der Geburtenschwund sei durch Zuwanderung problemlos auszugleichen).

          Die Schlagabtausche darüber ob „Bildung“ , besser von der Familie resp. den Kitas und Schulen geleistet werden kann, jeweils unterfüttert mit der Erwähnung von Kindsmissbrauch, sollten wir uns grundsätzlich sparen. Es gibt eben so’ne und so’ne Eltern und so’ne und so’ne Erzieher/innen. Ich gebe Ihnen gegenüber aber gerne zu, dass ich dem vermehrten Berufswunsch junger Männer, Erzieher zu werden, misstrauisch gegenüberstehe (wie z. B. auch deren Berufswahl „katholischer Priester“). Sowas öffentlich einzuräumen, ist nur blöd.

          Worum es unserem Verband schlussendlich geht, ist zu erreichen, dass die elterliche Erziehungsarbeit gleichwertig geachtet und bezahlt wird wie die in den hoch subventionierten öffentlichen Betreuungsangeboten geleistete und jede andere Erwerbsarbeit. Dadurch würde der Fehler ausgemerzt, dass heute ein Erwerbseinkommen als Familienunterhalt nicht mehr ausreicht und immer mehr Eltern sich gezwungen sehen, ihre Kinder frühzeitig in die Fremdbetreuung abzugeben um beide erwerbstätig zu sein mit der Folge, dass das Familienleben immer mehr ausgedünnt wird und Erziehung immer weniger stattfindet. Welche Mutter/welcher Vater will sich nach einem strengen Arbeitstag abends noch mit konsequenter Erziehung herumschlagen? Sich mit den Schul- und anderen Problemen der Kinder befassen? Zuhören? Zuhause ist da, wo der gemeinsame Kühlschrank steht????

          Das die Frauen sich nicht länger ausbeuten lassen wollen und auch nicht dürfen(!) als für dumm verkaufte Hüterinnen des Feuers / Heimchen am Herd, Lasteselinnen im Dienste einer gedeihlichen, auch kindgerechten Gesellschaft, steht für mich außer Frage. Es geht nur um den Weg, der aus diesem Zustand herausführt. Sollen sich die Frauen dieser Rolle verweigern? Sie ihren Männern zu denselben miesen Bedingungen aufzwängen oder sie dem Staat überlassen? Oder sollen sie Gleichberechtigung für diese Rolle erkämpfen? Eine Entlohnung wie für jede andere Arbeit auch?

          Und bitte ersparen Sie uns jetzt das Totschlagargument, dass ein Erziehungslohn in vielen Familien höchst unangebracht, vergeudet und kinderschädlich wäre, weil die Eltern unfähig und unwillig zu adäquater Gegenleistung sind. Das weiß ich selbst. Aber auf der Basis der jahrzehntelangen Nichtanerkennung (seit der Rentenreform 1957) dieser Leistung ist die Kompetenz von Eltern den Familienalltag zu gestalten sukzessive verkümmert. Das hat sich z.B. auch gezeigt, als wegen Corona viele Eltern im Umgang mit den Kindern (und homeoffice) überfordert waren. Der Ruf nach schneller Wiedereröffnung der Kitas und Schulen ist eben kaum die richtige Maßnahme um dem Ausverkauf der Familie zu begegnen. Es geht vielmehr darum, die Familie wieder in den Stand zu setzen, ihre Aufgaben wahrzunehmen. (Zu reden wäre ggf. zum Beispiel über das Absolvieren von Elternkursen als Grundlage für den Erhalt eines Erziehungslohns.)

          Beste Grüße,

          Gertrud Martin

          • Ronja schreibt:

            Sehr geehrte Frau Martin,

            ich bin mir nicht ganz sicher, ob sie meinen Kommentar zur Gänze richtig verstanden haben. Ich sagte ja zum Beispiel explizit, dass es mir gerade nicht um einen Schlagabtausche darüber ob “Bildung” , besser von der Familie resp. den Kitas und Schulen geleistet werden kann, geht. Auch wäre mir die das von Ihnen befürchtete Totschlagargument eingefallen. Als Sozialpädagogin gehe ich davon aus, dass alle Eltern grundsätzlich erstmal gute Eltern sein wollen und mit den richtigen Rahmenbedingungen auch sein können. Auch ihr Ziel, diese Arbeit bezahlen zu lassen habe ich doch explizit gut geheißen.

            Ich glaube allerdings, dass es einige Unterscheidungen in unseren dahinterliegenden Überzeugungen gibt, weswegen wir Dinge unterschiedlich formulieren. Ich habe da einfach offenbar einen anderen Blick auf Familie, Männer und Frauen, unsere Gesellschaft. Beispielsweise würde ich niemals sagen, dass Frauen natürlicherweise die besseren Care-Arbeiter*innen sind und es gibt meines Wissens nach auch keinerlei wissenschaftliche Hinweise darauf. Dass die Mutter schwanger ist, gebährt und (nicht immer aber meistens) stillt ist kein Beweis dafür und für mich eben auch kein besonderer Hinweis. Sie hat bessere/öfter Möglichkeiten Nähe herzustellen und die Bindung zu stärken, das heißt aber nicht, dass das dem Vater nicht möglich ist, wenn auch in unserer Gesellschaft Geschlechter-Rollen-bedingt vielleicht nicht so forciert.

            Abschließend kann man denke ich sagen, wir sind in den Zielen und selbst im Weg relativ einig, nur die Begründungen und Fokussierung sind völlig unterschiedlich!

            MfG
            Ronja Schultheis

  2. Ute Steinheber schreibt:

    Ja, warum bleiben Mütter eher zu Hause bei ihren Kleinkindern? Weil sie weniger verdienen? So einfach ist es nicht. Manch gut verdienende und in guter beruflicher Position befindliche Frau, spürt eines Tages. War das alles? Wo bleibt mein Kinderwunsch? Wo bleiben meine persönliche Freiheit, meine ureigensten Wünsche, mein Familienleben? Bleiben sie für die Karriere auf der Strecke? Will ich das wirklich und was tue ich meinen Kindern und mir selbst an durch eine viel zu frühe Trennung durch Fremdbetreuung? Der Verband setzt sich seit 40 Jahren für ein eigenständiges Erziehungsgehalt ein, egal ob Mann oder Frau sich um den Nachwuchs kümmern. Ist das denn so schwer zu verstehen? Aber einer von beiden soll sich eben zuhause in aller Ruhe kümmern können. Warum sollen das ausgerechnet nicht die Mütter sein?? Lesen Sie sich doch einfach noch mehr durch unsere Artikel z.B. den von Frau Meves. Die ersten Jahre einer guten Mutter-Kind-Bindung sind einfach nicht zu ersetzen.

  3. Rosebrock schreibt:

    Ein anderer Aspekt, der Mütter eher „prädestiniert“ für die Sorge um die Kinder, ist der sexuelle Missbrauch. Da ist die „Gleichberechtigung“ (Gott sei Dank) nicht angekommen – Männer sind erheblich häufiger missbrauchend und auch heftig gewalttätig gegenüber Kindern / Babies, sowie Frauen. Leider. Sieht man in die Säugetierwelt – und so weit ist der Mensch darüber gar nicht erhoben – erkennt man da die ganz klare Aufgabenverteilung fast überall. Die Frauen machen das Soziale, und das mit Freude, Energie, Phantasie, Liebe, Gemeinschaftsgefühl, die Männer sind eher für das „Grobe“, die Theorie, den Kampf – aber in Verantwortlichkeit und Sensibilität, wenn es optimal läuft. Mich freut eine aktuell vorgestelte Jugendstudie, in der betont wurde, dass für die Jugendlichen die Mutter als Vorbild nach wie vor sehr wichtig sei. Offizielle Wertschätzung für die Familienarbeit kommt leider immer weniger rüber, infolge der Emanzipationsideologie und Gender.

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