Der Streit um das Betreuungsgeld (Fh 2010/1)

Auch kirchliche Einrichtung hetzt gegen zu Hause erziehende Mütter

von Gesa Ebert

„Gluckengehalt“ – „Aufzuchtprämie“ – „Anti-Bildungsprämie“ – „Schnapsgeld“ – „Herdprämie“:
so bezeichnen viele Politikerinnen, Journalisten, ja selbst Führungspersonen der Diakonie das sogenannte Betreuungsgeld.

Die Große Koalition hat 2008 beschlossen, dass jedes einjährige Kind ab 2013 einen Rechtsanspruch auf einen Tagesstätten-Platz hat. Das soll 12 Milliarden Euro kosten, ein Drittel davon trägt der Bund. Betrag pro Kind: mindestens 1.000 Euro monatlich.
Das Betreuungsgeld ist an diesen Rechtsanspruch gekoppelt, und zwar als „Ausgleich“ für jene Eltern, die ihr ein- und zweijähriges Kind nach den 12 bzw. 14 Monaten Elterngeld (inkl. Mutterschutz) weiterhin zuhause betreuen wollen. Es soll längstens bis zum vollendeten dritten Lebensjahr gezahlt werden, also lediglich bis zum Kindergartenalter. Betrag: lächerliche 150 Euro monatlich.

Im jetzigen Koalitionsvertrag haben CDU/CSU und FDP es so formuliert: „Um Wahlfreiheit zu anderen öffentlichen Angeboten und Leistungen zu ermöglichen, soll ab dem Jahr 2013 ein Betreuungsgeld in Höhe von 150,- Euro, gegebenenfalls als Gutschein, für Kinder unter drei Jahren als Bundesleistung eingeführt werden.“ – Ein Gesetz gibt es noch nicht; es befindet sich „in der ersten Phase der Konzeptionsentwicklung“.

Bei diesem geringen Betrag kann allerdings weder von Ausgleich noch von wirklicher Wahlfreiheit noch von echter Anerkennung gesprochen werden. Dafür braucht es ein leistungsgerechtes Gehalt, wie das unser Verband seit langem fordert. (Und dann würde sich ziemlich schnell das Geschlechterverhältnis verändern, da bin ich mir sicher.) – Aber das Betreuungsgeld ist ein Einstieg in all dies.

Zur außerfamiliären Betreuung ist auf der Homepage des Familienministeriums folgender Eintrag vom 11. Januar 2010 zu lesen: „Bis zum Jahr 2013 wird es bundesweit im Durchschnitt für jedes dritte Kind unter drei Jahren einen Betreuungsplatz geben – rund ein Drittel der neuen Plätze werden in der Kindertagespflege (Tagesmütter – d. Red.) geschaffen. Im gleichen Jahr wird jedes Kind mit Vollendung des ersten Lebensjahres einen Rechtsanspruch auf Förderung in einer Kindertageseinrichtung oder in der Tagespflege haben.“

Es wird also nur Plätze für ein Drittel der unter Dreijährigen geben, inklusive der Plätze bei einer Tagesmutter (die aber eine ansonsten gering angesehene Familienfrau ist). Das heißt, jedes Kind hat einen Rechtsanspruch – aber zwei Drittel der Kinder müssen sowieso zu Hause betreut werden.

Die Opposition im Bundestag, also SPD, Linke und B90/Grüne sowie mehrere (Frauen)Verbände lehnen das Betreuungsgeld komplett ab und verwenden dafür die eingangs genannten herabsetzenden Begriffe. Ob sie damit die Position der Frauen stärken, darf bezweifelt werden. Warum beschimpfen Frauen, die vorgeben, sich für „die Frauen“ einzusetzen, eine Gruppe von Müttern?

Die FDP will, dass die 150 Euro als Bildungsgutscheine ausgegeben werden; hier ist diese Partei plötzlich für Bevormundung. Die Frauen-union hat sich anlässlich des diesjährigen Internationalen Frauentages ebenfalls gegen eine Auszahlung ausgesprochen Die CDU-Frauen schlagen stattdessen vor, das Geld wahlweise so einzusetzen: Aufstockung der Rente, Einzahlung in private Rente oder Pflegeversicherung, Deutschkurse für MigrantInnen, berufliche Weiterbildung.
Diese Gutschein-Regelung sieht die CSU als Entmündigung der Eltern an. Bayerns Familienministerin Christine Haderthauer: „Wer Eltern nicht zutraut, mit dem Betreuungsgeld richtig umzugehen, traut ihnen auch nicht zu, mit ihren Kindern umzugehen.“

Auffallend ist, dass kein Sturm der Entrüstung gegen die Diskriminierung von Familienfrauen durchs Land geht, wie das sonst der Fall ist, wenn alle Arbeitslosengeld-II-Beziehende pauschal als Faulpelze bezeichnet werden. Warum dürfen aber alle zu Hause arbeitenden Mütter in Haftung genommen werden für jene, die sich nicht ausreichend um ihre Kinder kümmern?

Dass es vernachlässigende Eltern gibt, steht ja außer Frage. Deswegen ist es angebracht, sich Gedanken über begleitende Maßnahmen zu machen und damit auch die diesbezüglichen Bedenken der GegnerInnen des Betreuungsgeldes ernst zu nehmen. Wieso gibt es noch immer keine bundesweite Pflicht, dass alle Eltern mit ihren Kindern zu den Vorsorge-Untersuchungen gehen müssen? Hier könnte Vernachlässigung frühzeitig entdeckt werden. Bei Verweigerung müsste es Sanktionen geben, sonst wäre es sinnlos. Es könnte das Kindergeld und ggfs. der Kinderzuschlag einbehalten werden. (Auch anwendbar, wenn Eltern ihre Kinder ohne Essen in die Schule schicken!) Diese Regelung wäre dann auch auf das Betreuungsgeld anwendbar, aber auch aufs Elterngeld im ersten Lebensjahr. Das ist keine große Aktion, vernünftige Eltern lassen ihr Kind sowieso untersuchen. – Es gibt ja solche Kontrollen durchaus: Sobald die Kinder 18 Jahre alt sind, muss der Familienkasse jährlich eine Bescheinigung der Schule oder Hochschule vorgelegt werden. Sonst wird kein Kindergeld überwiesen. Auch verpflichtende Angebote zur Elternbildung sind für mich denkbar – für alle!

Auffallend ist auch, dass gegen das häusliche Pflegegeld nie gewettert wurde. Auch die Altenpflege wird ja überwiegend von Frauen geleistet, auch wegen ihr wird die Erwerbsarbeit unterbrochen, auch hier gibt es Vernachlässigung. Dieses Pflegegeld könnten Politikerinnen und die Medien ja „Bettpfannen-Prämie“ nennen. Warum geschieht dies nicht? – Im Gegenteil: es wird die (berechtigte) Forderung nach einem höheren Betrag erhoben.

Und niemand plant, Pflegeeltern, die vom Jugendamt beauftragt sind, Gutscheine anstelle des Pflegegeldes zu geben, obwohl es auch hier üble Vernachlässigungsfälle gibt.
Es wird auch nicht gefordert, sämtlichen (katholischen) Internatschulen die staatlichen Gelder zu streichen, angesichts der erschreckend vielen Fälle von sexuellem Missbrauch und Misshandlungen, die jetzt ans Tageslicht kommen. Weder in Schulen, Sportvereinen, bei den Regensburger Domspatzen noch in Betreuungseinrichtungen sind Kinder und Jugendliche vor Übergriffen sicher. Aber hier ist lediglich ein Runder Tisch geplant.

Warum gibt es das massive Misstrauen nur beim Betreuungsgeld? – Ist es die ideologisch genährte Angst vor einem kleinen weiteren Schritt in Richtung Bezahlung der häuslichen Erziehung der eigenen Kinder, jenseits des Elterngeldes als Lohnersatz?

Überhaupt die beiden großen Kirchen, was ist dort alles aus dem Gleis geraten? Wieso beteiligt sich sogar eine kirchliche Einrichtung an der Verunglimpfung der Mütter, die ihre Kleinkinder zu Hause betreuen?

In einer Pressemitteilung vom vergangenen Dezember (PM vom 7.12.2009) sprach sich die Direktorin des Diakonischen Werkes Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, Susanne Kahl-Passoth, gegen das Betreuungsgeld aus und verwendete dafür das Unwort des Jahres 2007: Herdprämie. Die PM und die Entgegnung unseres Mitglieds Dr. Johannes Resch ist hier in der Fh 2010/1 abgedruckt.

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