Bericht von der Fröbel-Tagung: Kann Liebe Arbeit sein? Kontroversen um bezahlte Elternschaft (Fh 2010/1)

Bericht von Dagmar Margotsdotter-Fricke

Kann Liebe Arbeit sein? Kontroversen um bezahlte Elternschaft
Unter diesem Titel fand an der Fachhochschule Jena am 14. Januar 2010 die erste Fröbel-Tagung statt.
Dagmar Margotsdotter-Fricke, Gertrud Martin und Dr. Johannes Resch nahmen für den Verband der Familienfrauen und -männer daran teil.
Die „Jenaer Thesen zur Bezahlung von Elternschaft“, die an diesem Tag vorgestellt wurden, sind anschließend zu finden.

Die Tagung in der freundlichen Jenaer Fachhochschule war gut besucht. Viele Studierende interessierten sich für das Thema.
Nach den Begrüßungsworten der Rektorin und der Dekanin eröffnete Prof. Michael Opielka die Tagung.
In einem ironischen Nebensatz wies er darauf hin, dass sie nun doch nicht gefördert worden sei, weil für die Regierung wohl „zu kritisch und zu konservativ, also zu realistisch“.

Professor Opielka berichtete, dass Friedrich Fröbel (1782-1852), nach dem diese Tagungsreihe benannt worden ist, der Erfinder des Kindergartens und der Mütterschulung gewesen sei. Dabei habe er jedoch keineswegs das Ziel verfolgt, die Arbeit der Mütter durch öffentliche Erziehung zu ersetzen.
Im Gegenteil: er wollte sie entlasten und ihnen helfen, ihre gesellschaftlich zentrale Aufgabe besser zu bewältigen. Das Werk dieses Pädagogen sei im Osten wie im Westen Deutschlands gleichermaßen anerkannt

Es wird nicht vom Kind her gedacht
Am meisten beeindruckte mich der Vortrag des Psychiaters Prof. Bernhard Strauß über Befunde der psychologischen Bindungsforschung, diese solle laut Koalitionsvertrag ausgebaut werden. Wir dürfen gespannt sein. Die Bindungsforschung habe gezeigt, wie kompetent der Säugling von Lebensbeginn an sei und welche entscheidende Rolle eine sichere Bindung in den ersten Jahren spiele: Mutterliebe und das, was wir heute unter „romantischer Liebe“ verstehen, aber auch Süchte (!) aktivieren dieselben Gehirnareale, wenn auch in auffallend unterschiedlicher Stärke, wie uns beeindruckende tomographische Bilder zeigten. Dies sollte uns grundsätzlich zu denken geben, denn es lässt die Frage zu, wie krankhaft „romantische Liebe“ im Erwachsenenalter sein kann, wenn die Befriedigung durch Mutterliebe in der Säuglings- und Kleinkinderphase ausgeblieben ist. Wird romantische Liebe dann immer häufiger zur Sucht, zu Eifer-Sucht, die in tödlichen Dramen endet?

Der Soziologe Prof. Bruno Hildenbrand betonte, dass die Kernfamilie – also Mutter, Vater, Kind – äußerst anfällig sei für staatliche Einflussnahme. Erweiterte Familien und Clans seien jedoch quasi resistent dagegen. Die Debatten und Ideologien würden nicht von den Kindern her gedacht, sondern von der Gesellschaft her, was zu kritisieren sei. (Meiner Meinung nach sollten sie jedoch von den Frauen/Müttern her gedacht werden, denn wird eine Mutter gefördert, wird mit ihr und durch sie die Familie gefördert)

Erziehungsgehalt macht Mütter unabhängig
Prof. Birgit Bütow (Fachbereich Sozialwesen) betrachtete die Konstruktion „Kernfamilie“ als Ort „romantischer Liebe“ und stellte die Frage, ob die Politik befürchte, dass dieses künstliche Konstrukt – romantische Liebe & Kernfamilie – bei einem Erziehungseinkommen zusammenbräche, denn immerhin fuße ja auf ihr das patriarchale System. Sie plädierte dafür, den Dualismus zwischen „Liebe“ und „Arbeit“ überhaupt aufzuheben, denn dieser setze doch ein komplementäres Geschlechterbild voraus. Aber dies sei ein strategisches und nicht ein monetäres Problem.

Prof. Birgit Pfau-Effinger (Universität Hamburg, Lehrstuhl für Sozialstrukturanalyse) berichtete von den skandinavischen Ländern, wo sich zeige, dass Mütter ihre Kinder selbst erziehen möchten, auch wenn ihnen Fremdbetreuung nahe gelegt würde. Mütter, so die Sozio-login, hätten ein eigenes Konzept von Elternsein als eine Art Projekt, in dem sie ihre ganz persönliche, kulturelle Werteorientierung weitergeben wollen. Die Finanzierung dieses „Projektes“ sei die einzige Möglichkeit, Frauen zu Autonomie zu verhelfen. Dies nicht zu tun verfestige dagegen die alten Machtbeziehungen, und Alleinerziehende würden fast zwangsläufig sozialhilfeabhängig. Hier zeigte sich m. E. eine der hartnäckigsten Tabus einer patriarchalen Gesellschaft: es wird – uneingestanden – befürchtet, so die Vortragende, dass der „Geschlechterkampf“ bei einem Einkommen für Pflege- und Erziehungsarbeit unberechenbar werden würde.

Der Pädagoge Prof. Michael Winkler betonte, dass Familien seit Jahrzehnten mehr und mehr belastet worden seien, finanziell sowie kulturell. Gleichzeitig aber seien die Kosten für den Staat deutlich gesunken. Die Familie aber sei die einzige Institution, die Kinder hervorbringe und damit Menschenleben möglich mache. Er forderte, dass sie nicht manipuliert werden sollte. (vgl. Prof. Hildenbrand)

Wenig Polemik
Nach den einzelnen Vorträgen bildeten sich Workshops, darunter ein von unserem Verband geleiteter unter dem Titel „Familienarbeit muss bezahlt werden!“. Als Leiterin dieses Kreises hatte ich die Aufgabe, ein kurzes Impulsreferat zu halten, um die Diskussion in Gang zu bringen und die Ergebnisse später auf dem Podium vorzustellen.

Die Bedenken des unserem Arbeitskreis zugeordneten SPD-Landtagskandidaten Andreas Räuber, es würde durch die Zahlung eines Erziehungsgehalts ein neues „Bürokratie-Monster“ entstehen, konnten durch die Aussicht ausgeräumt werden, dass viele Transferleis-tungen dadurch wegfallen und somit Bürokratie abgebaut würde.

Die Tagung endete mit Podiumsbeiträgen von PolitikerInnen, und noch am Abend wurde im Deutschlandfunk ein Beitrag zur Tagung gesendet. Die Vorträge, unser Gastbeitrag, Medienberichte und weitere Diskussionsbeiträge sind auf der Internet-Präsentation der Fachhochschule Jena zu finden. (1)

Im Großen und Ganzen waren wir angenehm überrascht, wie aufgeschlossen alle TeilnehmerInnen den Forderungen unseres Verbandes gegenüber waren. Die Stimmung war wenig polemisch. Liegt es vielleicht daran, dass in Thüringen ein überdurchschnittlich hoher Prozentsatz der Mütter ihre Kinder nicht in Kernfamilien aufzieht und dadurch aufgeschlossen ist für solche politischen Forderungen?

Die mitgebrachten Zeitungen und Faltblätter wurden jedenfalls gern mitgenommen. Wurde das Thema auf der Tagung auch sehr kontrovers diskutiert, so war auf jeden Fall deutlich spürbar, dass unser Verband in Prof. Opielka einen engagierten Verfechter einer eigenständigen sozialen und finanziellen Absicherung von Erziehungs- und Pflegearbeit in den Familien hat und wir freuen uns, die Gelegenheit bekommen zu haben, unseren Verband dort zu präsentieren.

Fußnote:
1) blog.sw.fh-jena.de/froebeltagung

 

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