Berufung Mami (Fh 2017/3)

Unsere neue Beisitzerin im Vorstand stellt sich vor

Ein neues Gesicht im Vorstand. Mein Name ist Jenniffer Ehry-Gissel, ich bin 37 Jahre alt und lebe mit meinem Mann und meinen (bald) zwei Kindern in Mainz. Einen eigenen Blog, www.berufungmami.de, startete ich aus der Überzeugung heraus, dass Kinder in den ersten Jahren zu ihren Müttern gehören. Dafür setze ich mich ein und dafür kämpfe ich.

Vor drei Jahren war ich mit unserem Emil schwanger, und ich bekam aufgrund meiner vorigen Erwerbstätigkeit ein Elterngeld von ziemlich exakt 1000 Euro monatlich. Ausgelegt auf ein Elternzeit-Jahr.

Da unser Sohn ein Frühchen und (vermutlich aufgrund dessen) sehr auf uns Eltern fixiert ist, kam für uns eine Fremdbetreuung in einer Kinderkrippe nicht in Frage. Wir sind Selbstbetreuer. Aus Überzeugung. Wir glauben daran, dass es das Beste für ein Kind ist, mindestens in den ersten drei Jahren bei seinen festen Bezugspersonen zu sein. Ständig.

Deshalb habe ich seit Emils Geburt nicht im klassischen Sinne gearbeitet. In unserer Gesellschaft gilt die Arbeit, die eine Mutter tagtäglich leistet, nicht als Arbeit. Es ist selbstverständlich, dass wir Kinder und Haushalt unter einen Hut kriegen und dabei von Luft und Liebe leben. Denn für all das bekommen wir KEINEN CENT!! Und noch nicht mal die Anerkennung, die wir verdienten.

Wir kennen keine Wochenenden, wir sind immer auf Stand-by. Urlaubsanspruch? Krankheitstage? Fehlanzeige. Zeit für uns selbst ist begrenzt, wenn sie überhaupt zur Verfügung steht. Abhängig vom Alter der Kinder natürlich. Denn in den ersten Lebensjahren kräht kein Kind nach den Bedürfnissen der Mutter.

Wir müssen funktionieren. Ohne Wenn und Aber. Ob krank oder müde. Oder schwanger. Gerade in den letzten Wochen ist mir einmal mehr bewusst geworden, wie wichtig dieses Funktionieren ist und wie das Leben zusammenbrechen kann, wenn die Person, die alles am Laufen hält, nicht mehr in gewohnter Weise funktioniert. Die zweite Schwangerschaft fordert alles von mir. Ich konnte an sehr schlechten Tagen kaum noch sprechen oder einen Schritt vor den anderen setzen. Dies mit einem selbstbetreuten Kleinkind stellte eine echte Herausforderung in unserem gewohnten Alltag dar, und es gab viele Momente, in denen ich geweint habe vor Erschöpfung, Enttäuschung und Schuldgefühlen.

Eine weitere Herausforderung der Selbstbetreuer ist oft der finanzielle Aspekt. Und ja, das ist bei uns genauso. Ich muss gestehen, das ist unser Streitthema Nummer eins. Auch wenn wir uns einig sind über die Vorgehensweise unseren Sohn betreffend, und wir es uns beide nicht vorstellen können, die Betreuung anders zu lösen.

So prüfe ich mal wieder unsere Einnahmen und Ausgaben. Vielleicht können wir ja noch was einsparen. Oder finden eine Möglichkeit, dass doch mehr Geld in die Kasse kommt. Durch die Geburt kommt zu Beginn des neuen Jahres zumindest nochmal Kindergeld hinzu, aber auch wieder neue Ausgaben. Und Elterngeld!

Und da sind wir wieder beim anfänglichen Thema. Es ist aus meiner Sicht nicht verständlich, dass ich nun beim zweiten Kind vermutlich mit 300 Euro Elterngeld „abgespeist“ werde, nur, weil ich angeblich nicht gearbeitet habe. Und das auch nur, wenn ich das Elterngeld auf ein Jahr beantrage. Das sind monatlich 700,- Euro weniger als bei meinem ersten Kind.

Nun kommen die kritischen Stimmen: ich hätte ja auch nichts in die Staatskasse eingezahlt. Stimmt. Hab ich nicht. Aber ich sorge dafür, dass meine Kinder psychisch stabile und selbstbewusste, durch sichere Bindung mit Urvertrauen ausgestattete Erwachsene werden. Die morgen die Renten zahlen! Eine Investition in die Zukunft also, dank Gesetzeslage allerdings eher nicht in die meinige, sondern in die der Gesamtgesellschaft! Und unseren Politikern geht es leider nicht um das Kindeswohl, sondern nur darum, zwei Lohnsteuern einzukassieren.

Wie kann es denn sein, dass so viele Eltern vor einer Mauer der existenziellen Not stehen, nur weil sie sich entscheiden, mehr als ein Kind zu bekommen? Beim ersten kann man vielleicht noch vorsorgen, entsprechend ansparen und von diesen Ersparnissen zusteuern, wenn es knapp wird. Doch von Ersparnissen zusteuern bedeutet auch, dass man als Familie nicht in der Lage ist, für weitere Kinder Geld zur Seite zu legen, um das Loch wieder auszugleichen. Spätestens dann sitzen viele Eltern in der Falle, weswegen sich leider auch viele dafür entscheiden, es bei einem Kind zu belassen. Kinder zu kriegen kommt heute einem monetären Lotteriespiel gleich. Das Armutsrisiko schwingt immer mit.

Als ich meinen Mann kennenlernte, ließ man ihm aufgrund von Unterhaltszahlungen (er brachte bereits zwei Kinder mit in die Beziehung) gerade mal 900,- Euro zum Leben, wovon er alles bezahlen musste (Miete, Lebensmittel, Versicherungen, Telefon etc.).

Ein weiteres Beispiel ist eine Leserin meines Blogs, die nun ebenfalls mit Kind zwei schwanger ist und mir vor kurzem eine verzweifelte Nachricht zukommen ließ: […] „Wir rutschen durch unser zweites Baby nun in eine finanzielle Krise. Ich gehe während der Elternzeit in Teilzeit arbeiten und tatsächlich wird mir dieses Gehalt als Grundlage für mein zweites Elterngeld angerechnet. Ich schlittere also gerade so am Minimalbetrag vorbei. […] Und wenn mein Sohn mal den Wunsch äußert, doch in die Kita gehen zu wollen? Ich könnte das gar nicht bezahlen.“

Bedrückend. Ernüchternd. Weit weg von romantisch. Es wirkt, als ob wir hilflos zuschauen müssten. Doch wir können etwas tun! Wir sind nicht ohnmächtig. Wir sind mächtig. Aber nur, wenn wir handeln. Und zwar alle.

Zum einen gibt es eine Petition, die Sie unterstützen können. Es geht dabei um eine Forderung nach einheitlichem Elterngeld, nämlich 1.000 Euro für alle, für den Zeitraum von drei Jahren.

Weiterhin kann man sich engagieren, zum Beispiel in einem Familienverband. Ich habe das getan und wurde in den Vorstand des Verband Familienarbeit e.V. gewählt, als eine der Beisitzerinnen. Wer sich engagieren will, aber nicht die finanziellen Mittel hat, kann auch helfen, indem er unseren Verband bei seinen Freunden und Bekannten vorstellt, unsere Zeitung und unser spezielles Rentenkonzept verbreitet und Leserbriefe an die Zeitungen schreibt, wenn dort wieder behauptet wird, nichterwerbstätige Mütter arbeiteten nicht.

Es ist wichtig, dass die Erziehungsarbeit, die wir Selbstbetreuer leisten, (wieder) an Akzeptanz gewinnt. Um nicht zu sagen an Ansehen und sogar Bewunderung. Denn es ist, sind wir mal ehrlich, ein Knochenjob. Zwar der schönste der Welt, aber doch eben harte Arbeit. Manchmal wünsche ich mir schon, mal wieder „einfach nur“ arbeiten zu gehen. Dann hätte ich eine geregelte Pause, könnte ungestört auf Toilette gehen, zwischendurch verträumt aus dem Fenster schauen und pünktlich zum Feierabend meinen Stift fallen lassen.

Aber wenn ich mir die Fakten hinsichtlich der Entwicklung unserer Kleinstkinder bis zum dritten Geburtstag ansehe, stellt sich mir die Frage nicht. Da heißt es aktuell noch Zähne zusammenbeißen und durch. Und weiter die Wahrnehmung der Gesellschaft dafür schärfen, dass wir Selbstbetreuer auch arbeiten und nicht permanent in die Schmarotzer-Ecke gestellt werden wollen. Also, worauf warten wir noch? Das ist unsere Chance, etwas zu verändern. Wir haben es in der Hand. Jeder einzelne von uns!