von Gesa Ebert
Es ist Zeit zu handeln! Ich kündige nach und nach alle Zeitungs- und Zeitschriften-Abonnements, die die häusliche Arbeit missachten. Dies ist wohl die einzige Sprache, die verstanden wird. Abonnements sind für Verlage so unverzichtbar wie die Familienarbeit für eine Gesellschaft.
Ich rufe deshalb alle Mitglieder auf, möglichst meinem Beispiel zu folgen. Nennen Sie klar den Grund Ihrer Kündigung und schicken Sie diese an die Chefredakteure, nicht an einen Kundenservice. Sie können gerne auf meine Formulierungen in den hier (gekürzt) abgedruckten Briefen zurückgreifen, auch ganze Passagen wörtlich übernehmen.
Aus meinem Kündigungsbrief an den Chefredakteur der Stuttgarter Zeitung, Joachim Dorfs:
… Grund für meine Entscheidung ist, wie Redakteurinnen und Journalisten der Stuttgarter Zeitung mit dem Begriff „Arbeit“ umgehen, was sie als Arbeit einstufen – und was nicht. Damit zusammen hängt Ihre sehr einseitige Berichterstattung zum Thema Betreuungsgeld. Und insgesamt stellt sich mir die Frage nach Ihrer behaupteten Unabhängigkeit. Unabhängig von wem?
Zum Arbeitsbegriff
Die StZ vermittelt, dass jene Frauen, die zuhause die ganze Arbeit stemmen, die also Haus- und Familienarbeit leisten, angeblich nicht-arbeitende Menschen seien. Ihre Zeitung hält rückständig am veralteten Arbeitsbegriff fest, bleibt sogar hinter der Sprache der Politik zurück. Das Statistische Bundesamt z. B. verwendet konsequent die Begriffe „erwerbstätig“ und „Erwerbstätigkeit“ bzw. „erwerbslos“, wenn es um bezahlte Arbeit geht. Die Stuttgarter Zeitung will offenbar Familientätige diskriminieren, denn es kann ja nicht sein, dass studierte Leute nicht unterscheiden können zwischen den zwei Begriffen „arbeiten“ bzw. „erwerbstätig sein“!
Einige negative Beispiele, die ich mir aufgehoben habe, zur Verdeutlichung:
Den größten Vorteil haben Paare, von denen nur einer arbeitet … So schreibt Armin Käfer im Artikel „Das Ehegattensplitting blockiert Geld für Familien“ (Ausgabe vom 10.08.2012)
In den meisten Familien mit Kindern arbeiten beide Eltern. (Ausgabe 04.08.2011)
Ja, logisch arbeiten in den meisten Familien beide Eltern! Denn was glauben Sie, was los wäre, wenn alle diese Mütter (es geht ja meist um die Frauen), die von Ihrer Zeitung als nicht-arbeitend diskriminiert werden, wirklich nicht arbeiten würden? Also nicht kochten, nicht wüschen, nicht putzten, nicht einkauften, kranke Kinder nicht pflegten …
Nebenbei bemerkt: Wenn Sie an Ihrem eingeschränkten Arbeitsbegriff festhalten, können Sie keine Artikel mehr abdrucken, die die Doppelbelastung von erwerbstätigen Mütter thematisieren. Denn woher soll eine Doppelbelastung kommen, wenn Familienarbeit gar keine Arbeit ist?
Zum Betreuungsgeld
Bei diesem Thema fällt besonders auf, dass die StZ einseitig berichtet, indem sie die Verlautbarungen ausschließlich jener Gruppen druckt, die für eine stärkere Subventionierung von Krippenplätzen sind. Den Gipfel in Sachen einseitiger, ja manipulierender Berichterstattung über dieses Thema lieferte die StZ aber in der Ausgabe vom 29. Juni 2012, Seite 5, Artikel Dauerstreit über Betreuungsgeld. Es wird über die Erste Lesung des Gesetzentwurfs im Bundestag am 28. Juni berichtet und aus der Rede der Familienministerin zitiert: „Wer sein Kind mit einem Jahr in die Kita gibt, der ist nicht herzlos, sagte Schröder.“ – Nur weil ich selbst die ganze Debatte am 28. Juni auf Phoenix verfolgt habe, weiß ich, dass dieser Satz so nicht endete. Er lautete komplett folgendermaßen: Wer sein Kind mit einem Jahr in die Kita gibt, der ist nicht herzlos, und wer sein Kind auch nach dem ersten Geburtstag noch zu Hause erzieht, der ist nicht hirnlos. – Ich sehe dies als groben Verstoß gegen Ihre Sorgfaltspflicht, Ihre Pflicht zur wahrheitsgemäßen Berichterstattung an! Wer die Rede nicht selbst gehört oder nachgelesen hat, ist sehr irreführend informiert worden.
Ich habe keine Lust mehr, ständig lesen zu müssen, dass meine Arbeit zum Nichts erklärt wird. Dass Frauen wie ich als dumm und rückständig hingestellt werden, weil sie ihre Kinder „erst“ mit drei Jahren in den Kindergarten bringen und sie vorher zuhause betreuen, erziehen und selbstverständlich fördern.
Viele Briefe habe ich in den vergangenen Jahren wegen dieser Themen geschrieben. In den Redaktionen bewirkten sie: nichts. Medienleute können sich offenbar schnell auf neue Techniken einstellen, aber gesellschaftspolitisch bleiben sie im Gestern verhaftet, in der Abwertung und Missachtung der häuslichen Arbeit. Ich werde keine Zeitung mehr durch ein Abonnement unterstützen, die eine Gruppe von Eltern beleidigt und es mit der Wahrheit bei der Berichterstattung nicht so genau nimmt.
Aus meinem Kündigungsbrief an den Chefredakteur der Zeit, Giovanni di Lorenzo:
… Aber die Medien halten eisern an der diskriminierenden Schreibe fest (…) Ich werde nach und nach alle meine Zeitungs-Abos aus diesem Grund kündigen. Mit der Zeit fange ich an. Warum? – Nun, ich bin immer davon ausgegangen, dass in und für Die Zeit eher besser gebildete Leute arbeiten als in (kleineren) Tageszeitungen. Ihnen, den Zeit-Leuten, nehme ich das Nichtdenken und den schludrigen Umgang mit der Sprache besonders übel.
Aktueller Auslöser für meinen Entschluss war die KinderZeit vom 30. Juni 2011. Im Beitrag „Wer war eigentlich … Marie Curie“ steht: „Dabei war es damals nicht üblich, dass Frauen arbeiteten – besonders nicht in der Forschung.“
Das mit der Forschung stimmt. Aber gearbeitet haben Frauen immer! Und sie arbeiten weltweit bis heute viel mehr als die Männer. Es ist unerträglich, dass ein Blatt wie Ihres schon den Kindern einredet, dass ihre Mutter, wenn sie nicht zusätzlich zur Familienarbeit erwerbstätig ist, nicht arbeitet; dass das, was sie zuhause für die Familie leistet, demnach ein Freizeitvergnügen ist (…)
ANTWORTEN
Von der Stuttgarter Zeitung erhielt ich eine ausführliche Antwort vom Ressortleiter Politik, Rainer Pörtner:
Meine zitierten Beispiele zum Arbeitsbegriff könnten tatsächlich als herabsetzend empfunden werden, obwohl er überzeugt sei, dass es die Autoren so nicht gemeint hätten. „Wir können uns daher nur bemühen, ‚sauberer’ mit diesen Begriffen umzugehen (…) Beim Thema Betreuungsgeld gibt es tatsächlich eine sehr deutliche Positionierung der Redaktion – eine solche staatliche Leistung wird mit großer Mehrheit abgelehnt (…) Diese inhaltliche Ausrichtung darf allerdings nicht dazu führen, dass die Berichterstattung einseitig oder manipulativ wird. Ihren Unmut über das von Ihnen angeführte Zitat-Beispiel kann ich ebenfalls nachvollziehen, das war – schlicht gesagt – so nicht in Ordnung.“
Die Zeit ließ ihren Kundenservice antworten, mit einem Standardbrief:
„Hat Die Zeit – eine der renommiertesten Zeitungen Deutschlands – Sie nicht mehr überzeugt? Welche Gründe Sie auch immer haben …“ – Und ich bekam Werbeanrufe vom Vertrieb.
Immerhin hat Susanne Gaschke, die verantwortliche Redakteurin für die KinderZeit, in der Ausgabe vom 16. Mai 2012 einen sehr guten Kommentar zum Betreuungsgeld geschrieben.