von Monika Bunte
Wer hätte je gedacht, dass unsere Jahreshauptversammlung im Bildungs- und Studienzentrum der Gesetzlichen Unfallversicherung in Bad Hersfeld stattfinden würde? Der Ort führte zurück an den Beginn unseres Verbandes vor fast dreißig Jahren.
Wer von Anfang an dabei war, wird sich an unser Bemühen erinnern, die Gesetzliche Unfallversicherung für Familienfrauen zu öffnen, in der rd. 87 Prozent der Bevölkerung versichert sind: Erwerbstätige, Kinder in Kindergärten und Tagesstätten, Heranwachsende an Schulen und Universitäten. Auch Ehrenamtler/innen, kommunale Mandatsträger/innen, Schülerlotsen/innen und Elternbeiräte/innen sind geschützt. Selbst Tagesmütter sind dabei (1). Es gibt einen dicken Ordner über die Vorgänge seit 1981: da überreichte die dhg dem Deutschen Bundestag eine Resolution bezüglich Öffnung der Unfallversicherung für Hausfrauen. Im Jahr 1987 folgte eine Petition. Sie wurde angenommen und bearbeitet, blieb aber ohne Konsequenzen.
Das Hauptargument gegen die Aufnahme von Hausfrauen in die gesetzliche Unfallversicherung war, dass Hausfrauen in ihren Familien ohne Bezahlung arbeiten. Diese Beweisführung erlebten wir später wieder, als es um die Altersrente ging. Wo kein Einkommen aus abhängiger Beschäftigung ist, kann wegen fehlender Beiträge angeblich auch keine Altersrente gezahlt werden. Logische Folgerung: wir brauchen ein Einkommen. Die richtige Benennung dieses Einkommens beschäftigte uns: Lohn, Gehalt oder was? (2)
Die Bezahlung der Familienarbeit, wenn es um die Erziehung der eigenen Kinder und die Pflege von Familienangehörigen geht, wurde zur zentralen Forderung unseres Verbandes. Zeitbudgetstudien kamen uns zu Hilfe, auch Forschungen zur Arbeitsplatzbewertung und das Buch „Arbeit und Liebe“ (3). Die Autorin Angelika Krebs kommt zu dem Resultat, dass es eine Frage der Menschenwürde ist, diese Arbeit zu benennen und zu bezahlen. Vor allem gilt es, für diese Forderung die richtige Sprache zu verwenden. Nicht „Zu-Hause-bleiben“ und „Nach den Kindern schauen“, sondern Erziehungsarbeit machen! Es hört sich etwas geschwollen an, aber wir haben uns immer bemüht, die „inklusive Sprache“ zu verwenden. Das ist eine Sprache, die das sogenannte generische Maskulinum vermeidet, bei dem Frauen mitgemeint sind. Die inklusive Sprache benennt Frauen, und sie lässt weiblicher Arbeit, insbesondere Familien-Haus-Arbeit, Wertschätzung zukommen. Die Sprache, die wir sprechen, entschleiert Heucheleien. Sie weist darauf hin, dass Zugewinngemeinschaft während bestehender Ehe Gütertrennung ist.
In den dreißig Jahren Vereinstätigkeit hat es in Deutschland manche nicht gerade positiven Entwicklungen gegeben, auf dem Erwerbsarbeitsmarkt, im Bildungssektor, in der Einwanderungsbilanz und in der Demografie. Kinder werden knapp. Das liegt an dem unsoliden Fundament, dass es nicht zur Familiengründung kommt. Das unsolide Fundament gibt für die lange Zeit der Elternschaft keine Planungssicherheit, weder von der Seite der staatlichen Zuwendungen noch von der Seite der Arbeitgeber. Da werden eher Beschäftigungsverhältnisse mit Befristung und geringem Verdienst offeriert.
Kinder werden knapp, das sei noch einmal wiederholt. Und was knapp ist, wird teuer, so sagt es jedenfalls ein marktwirtschaftliches Gesetz. Deshalb gab es zunächst Erziehungs“urlaub“, dann die dreijährige Erziehungszeit, die unter Ursula von der Leyen zur einjährigen Elternzeit zusammengeschmolzen wurde. Vordergründig richtet sich die Familienpolitik nach den Wünschen der Mütter und Väter; hintergründig ist dem Arbeitsministerium ein Dienst erwiesen bei der Suche nach Fachkräften.
Das Elterngeld war früher Anerkennung für die Erziehungsleistung in der Familie; heute ist es Ersatz für entgangenes Einkommen. Ein zweites Ärgernis kommt hinzu. „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ ist seit Jahrzehnten eine zentrale gewerkschaftliche Forderung. Durch das Elterngeldgesetz wird der Satz umgedreht. Nun bekommt der, der im Erwerbsbereich mehr verdient, als Lohnersatz auch mehr Elterngeld. Dass Männer – sofern sie die Erziehungsarbeit machen – privilegiert werden, ist politisch gewollt. Wie ehemals die Wasserstandsmeldungen tönen die Zahlen bezüglich Vätermonate mit schöner Regelmäßigkeit aus dem Familienministerium.
Die Lücke nach der einjährigen Elternzeit bis zum Kindergartenalter wird wenig diskutiert. Oder doch? Gibt es da nicht den massiven Ausbau von Kinderkrippen mit hoch qualifiziertem Personal und besseren pädagogischen Konzepten als familienüblich?
Für Kinder vom ersten bis zum dritten Lebensjahr wird es ab 2013 einen Rechtsanspruch auf einen (Fremd-) Betreuungsplatz geben. So steht es im Kinderförderungsgesetz, das der Bundestag im September 2008 verabschiedete. Die sogenannte U 3-Betreuung umfasst 750.000 Plätze und soll in fünf Jahren für jedes dritte Kind zur Verfügung stehen. Aber wird es überhaupt so viele Kinder geben? Erinnert sei an den Artikel in Fh 3/2007 „Wie viele brauchen wir?“ Dort steht: „Im Jahr 2013 wird es demzufolge kaum zwei Millionen Kinder unter drei Jahren geben. Dabei ist das erste Lebensjahr eines Kindes durch das Elterngeld und „Selbst machen“ abgedeckt. Also bleiben etwa 1,3 Millionen potentielle Krippenkinder.“ Wie verhalten sich die Zahlen 1.300.000 und 750.000 zueinander? Kommt da ein Krippenplatz für jedes dritte Kind heraus oder eher für jedes zweite?
Entscheidungsfreiheit für häusliche Erziehung der eigenen Kinder ist in weite Ferne gerückt. Zwei Einkommen müssen oft sein, um die kleine Familie über die Runden zu bringen. Unrecht in letzter Instanz: das erfuhren die, die sich auf den Weg durch die Gerichtsbarkeit machten mit ihren Prozessen bezüglich angemessener Altersrente und Stichtagsregelung. Alles, was bis hierhin aufgezählt und geschildert wurde, war das Arbeitsfeld unseres Verbandes. Unsere Zeitschrift Rundschau / Familienarbeit heute ist jetzt noch Seite für Seite lesenswert. Ich empfehle dringend, den Artikel von Gesa Ebert in unserer Jubiläumsausgabe 1-2/2004, Seiten 17-19, noch einmal zu lesen: „Der Einsatz hat sich gelohnt.“ DasSpektrum unserer Aktivitäten ist dort so ausführlich dargestellt, dass ich es hier nicht wiederholen möchte. Aber es könnte inzwischen ergänzt werden, denn die zahlreichen Bemühungen um die Reform des (verfassungswidrigen) Ehelichen Güterrechts wurden gekrönt durch unsere Fachtagung in Berlin am 27./28. November 2007 „Und wenn die Männer dann nicht mehr heiraten?“ (4)
Seit der Gründung unseres Verbandes 1979 ist eine Generation vergangen. Da ist ein Schichtwechsel angesagt. In Bad Hersfeld war fast schon die Auflösung des Verbandes gemäß Satzung und Vereinsrecht eingeläutet. Aber es gelang auf einer zweiten Jahresmitgliederversammlung in Frankfurt/ Main am 8. November, Kandidatinnen für den Vorstand – bekannte und unbekannte – aufzustellen.
Noch zwei Worte zur politischen Großwetterlage: Die Große Koalition fördert die Zweiverdienerehe und das „Vereinbaren“ getreu dem Motto „Doppelbelastung ist schön“. Dazu gehört öffentliche Kinderbetreuung. Dass diese öffentliche Kinderbetreuung als Zielgruppe auch die Einwandererkinder hat, wird eher verschwiegen. In den 2,3 Mio. Einwandererfamilien leben 4 Mio. Kinder unter achtzehn Jahren. (Zum Vergleich: die 6,2 Mio. Familien, in denen die Eltern als Deutsche in Deutschland geboren sind, haben insgesamt 9,8 Mio. Kinder unter achtzehn Jahren.) Das Erlernen der deutschen Sprache ist die Grundvoraussetzung für die Integration. Deshalb will man die Kinder aus Einwandererfamilien möglichst früh in der Krippe haben.
Das zweite Wort zur politischen Großwetterlage: Ab dem 1.1.2008 gilt das neue Unterhaltsrecht. Zuvor galt bei Arbeitsteilung zwischen Mann und Frau (Mann erwerbstätig, Frau familientätig), dass die Frau sich zwei Risiken gegenübersah. Sie riskierte ihre Karriere und hatte kein eigenes Einkommen. Und sie riskierte das Scheitern der Ehe und bekam (theoretisch) nachehelichen Unterhalt. Der Mann hatte nur ein Risiko vor sich: das Scheitern der Ehe und damit Zahlung des nachehelichen Unterhalts. Das neue Unterhaltsrecht hat den Mann beim Scheitern der Ehe weitgehend davon entbunden, nachehelichen Unterhalt zu zahlen. Die Frau trägt das Risiko allein. Was soll man dazu sagen? WARNUNG ist großgeschrieben.
Wie lange ist es her, dass ich eine Buchrezension gelesen habe? Timur Kuran hat ein Buch geschrieben, ins Deutsche übersetzt unter dem Titel „Leben in Lüge“ (5). Darin heißt es … evolutorische Sackgassen sind möglich … indessen kann die Stabilität falscher Ordnungen Jahrhunderte oder sogar Jahrtausende währen … das Verbotene wird mit der Zeit unaussprechlich und in der Generationenfolge allmählich undenkbar, bis es am Ende nicht mehr gedacht wird… An Stelle des „Verbotenen“ setze ich Familien-Haus-Arbeit, deren Wert nicht mehr gedacht wurde.
Freundinnen! Schwestern! Kolleginnen! Wir haben es geschafft, diesen Wert wieder zu denken. Der Wert der Familien-Haus-Arbeit und die Forderung nach Bezahlung sind keine Lachnummer mehr. Darin steckt unsere Leistung. Wir haben den Wert wieder in die Welt gesetzt. Wir nehmen wahr, dass Energie nicht verloren geht.
Wir freuen uns und jubeln, wenn andere in dieses Energiefeld eintauchen und weitermachen. Die Wahlen können am 8. Januar 2009 stattfinden.
Fußnoten:
1) Fh 1-2/2004, Jubiläumsausgabe S. 51. Wiltraud Beckenbach: Gesetzliche Unfallversicherung
2) RS 3/1987: Wir stellen zur Diskussion; Lohn für Familienarbeit / Helga Hach van Scherpenberg
3) Angelika Krebs, Arbeit und Liebe. Die philosophischen Grundlagen sozialer Gerechtigkeit. Verlag Suhrkamp Taschenbuch, Frankfurt/Main 2002. ISBN 978-3-518-29164-1. 336 Seiten, 13,00 €. Rezension Fh 3/2002 S. 11
4) „Bewährt? – 50 Jahre Zugewinngemeinschaft, Bericht über die Fachtagung Fh 1/2008
5) Timur Kuran, Private Truths. Public Lies. Rezension FAZ 29.10.1996. Deutsch: Leben in Lüge, Tübingen 1997.