Rentenstreit: Höhere Renten für ältere Mütter sind ohne Zusatzbelas­tung für Junge möglich ! (Fh 2013/1)

Von Gertrud Martin

Einen großen Streit hat die CDU-Frauenunion vom Zaun gebrochen mit ihrem Vorschlag, die Stichtagsregelung aufzuheben, die den Müttern der vor dem 1.1.1992 geborenen Kinder nur ein Beitragsjahr pro Kind in der Rentenver­sicherung zugesteht, den späteren Müttern aber drei Jahre. Der Riss trennt nicht nur Regierungskoalition von Opposition, was zu erwarten war. Er geht auch mitten durch die Konservativen.

Finanzminister Schäuble verstieg sich als Erster zu der weithin Empörung auslösenden Aussage, dafür sei kein Geld da, wegen der Hilfen, die an Griechenland fließen müssen. Aus der Opposition kamen die sattsam bekannten Forderungen, das Geld in den Ausbau der Kitas zu stecken. Aber auch die neu gewählte stellvertretende CDU-Vorsitzende, Julia Klöckner, wollte sich nicht die Verantwortung dafür aufladen, heute neue Haushaltsbelastungen mitzubeschließen, die von den jungen Steuerzahlern finanziert werden müssten. Das ist sehr gut nachzuvollziehen.

Verwundern muss allerdings die fachliche Inkompetenz, die alle politischen Akteure und Akteurinnen in dieser Sache offenbaren: Tatsächlich sollten höhere Renten für die älteren Mütter weder aus dem Staatshaushalt, also durch neue Schulden, noch durch eine Mehrbelastung der jungen Renteneinzahler finanziert werden, sondern durch Umschichtungen innerhalb der Rentnergeneration. Sprich: Die seither unangemessen Profitierenden müssen den benachteiligten Leistungsträgern etwas abgeben.

Das kann am einfachsten durch eine leichte Absenkung des aktuellen Rentenwerts geschehen, der sich bisher ausschließlich von Erwerbstätigkeit ableitet und die Erziehungsarbeit außer Acht lässt. Eine Absenkung von vier bis fünf Prozent würde eine Finanzierung von drei Erziehungsjahren für alle Mütter ermöglichen. Zusätzlich entstünden Einsparungen bei der „Grundsicherung im Alter“ (Sonderform der Sozialhilfe), die viele Mütter heute beantragen müssen, weil ihre Rente nicht zum Leben reicht. Um das Niveau der „Standardrente“ zu erreichen, müsste eine Mutter 45 vor 1992 geborene Kinder aufgezogen haben. Das Sozialhilfeniveau würde bei ca. 30 Kindern erreicht. Die Gleichstellung mit den Müttern, die nach 1992 geboren haben, könnte vor allem Müttern mehrerer Kinder aus der Armutsfalle helfen.

Bereits in seinem Pflegeversicherungsurteil vom 3. April 2001 hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass der Gesetzgeber verpflichtet sei, die bestehende Benachteiligung der Familien im umlagefinanzierten Sozialsystem (Pflege-, Kranken- und Rentenkasse), schrittweise abzubauen. Ein genügend starker und leistungsfähiger Nachwuchs, der allein den Weiterbestand dieser Systeme garantieren kann, könne nur aus den Familien kommen. Ihr Beitrag in Form von Kindererziehung sei den Einzahlungen der Erwerbs­tätigen gleichwertig und so zu veranschlagen. Abgesehen von einer Erhöhung der Beiträge zur Pflegeversicherung für Kinderfreie (neue Sprachregelung für Kinderlose) von 0,25 Prozentpunkten ist danach nichts passiert. Diese Korrektur drängte sich förmlich auf durch die Erkenntnis, dass die meisten Menschen, die bei Pflegebedürftigkeit nicht durch eine eigene Familie aufgefangen werden, übergangslos ein außerhäusliches, teureres Pflegeangebot in Anspruch nehmen müssen.Trotzdem wurde der völlig unzureichende Aufschlag seiner­zeit von Verbänden und der veröffentlichten Meinung empört als „Bestrafung von Kinderlosigkeit“ kommuniziert, anstatt zu erklären, dass die Korrektur eine eklatante Ungerechtigkeit heilen sollte.

Im Zusammenhang mit dem Pflegeversicherungsurteil hatte das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber einen Prüfauftrag auch für die anderen Sozialkassen (Kranken- und Rentenversicherung) gegeben. Diese Prüfung führte zu dem zweifelhaften Ergebnis, es bestehe kein Handlungsbedarf. Nach wie vor ist es also Fakt, dass Kinderfreie, weil sie in ihrer Erwerbsbiografie keine Lücken wegen Kindererziehung haben, die höchsten Renten beziehen, während die Mütter, die die Rentenzahler aufgezogen haben, mit Almosen abgespeist und dafür zudem als Schmarotzerinnen im System betrachtet werden. Die Reform ist überfällig!

Der springende Punkt dabei ist allerdings: Eine solche Reform braucht mutige Politiker und Politikerinnen. Mangels eines Familien­wahlrechts, das Kindern ein ihrer Funktion als Zukunftsträger entsprechendes Gewicht in der politischen Willensbildung einräumt, gewinnen die Fraktionen der älteren und der kinderfreien Wählerschaft mit jedem Tag mehr Einfluss. Leider verstärkt sich dieser Trend dadurch, dass Eltern immer weniger Freiraum haben, sich um die sie betreffenden Folgen der politischen Weichenstellungen zu kümmern. Nur: Der kaltschnäuzige Ausspruch Konrad Adenauers: „Kinder kriejen de Leute immer“, mit dem er 1957 bei Einführung des heute geltenden Rentenunrechts eine angemessene Berücksichtigung der elterlichen Erziehungsleistung ablehnte, stimmt heute nicht mehr. De Leute kriejen immer weniger Kinder, denn niemand lässt sich gerne für doof verkaufen.

Die CDU hätte heute die Gelegenheit, die falsche Weichenstellung der Adenauer-Regierung gegen die Familie zumindest ein Stück weit zu korrigieren, durch Anhebung der Renten älterer Mütter, ohne die junge Generation zusätzlich zu belasten.

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