„Keine Babies, halbe Rente – Kinderlose zur Kasse, bitte!“

von Gesa Ebert

Dieser Vorschlag wurde im hr-Fernsehen im „stadtgespräch“ live diskutiert,
am 19.05.2005 um 20:15 Uhr.
Hier der Ankündigungstext des Senders:
In der Rentenkasse klafft ein großes Loch. Angeblich geht im Sommer schon das Geld aus. Was tun? Wer keine Kinder hat, soll nur noch die halbe Rente bekommen, schlägt das Deutsche Institut für Wirtschaft vor. Denn ohne Nachwuchs, der arbeitet und einzahlt, funktioniert das System nicht.
Kinderlose zur Kasse, bitte? Ohne uns! Schließlich haben Familien Steuervergünstigungen, ein zweites Einkommen durch das Kindergeld plus Erziehungszeiten für die Rente.
Kinderlose kontra Eltern? Durch Deutschland geht ein familienpolitischer Riss.

Darüber diskutiert Stadtgespräch-Moderator Philipp Engel mit Eltern, Kinderlosen, Rentnern und allen, die mitreden wollen.

Auf dem Podium:
Gudrun Schaich-Walch, stellv. Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion
Dr. Jürgen Borchert, Sozialrichter und Rentenexperte
In der Fernsehrunde mitdiskutiert hat auch Siegfried Schmidtke aus Köln. Er ist einer der drei Kläger gegen die Rentenversicherung (www.rentenklage.de).
Außerdem ist er der Vater von dreien der minderjährigen Kläger der im September 2003 beim Bundesverfassungericht eingebrachten Verfassungsbeschwerde „Wahlrecht ab Geburt“.

Ich habe die Diskussion verfolgt und bin der Aufforderung des Moderators nachgekommen, auch von zu Hause aus eine Meinung dazu zu äußern. Per E-Mail habe ich spontan Folgendes geschrieben:

Diskussionsbeitrag am 19.5.05 an die Redaktion von hr Stadtgespräch
Der Vorschlag, halbe Rente für Leute ohne Kinder, ist gut:
stellen wir uns doch mal vor, wir hätten zwei Rentenkassen, eine für Eltern, eine für Nicht-Eltern. Welche Kasse wird wohl Zukunft haben???
Ich bin Mutter von drei Kindern, und habe keineswegs „aufgehört zu arbeiten“ wegen der Kinder, obwohl ich ganz Familienfrau wurde. Und ich „sitze“ oder saß auch nicht daheim mit den Kindern, so gemütlich ist das nicht!!! Denn Kinder zu erziehen und zu betreuen ist ARBEIT, die Erwerbstätigkeit ist oft einfacher und zeitlich weniger umfangreich. 2 – 3 Kinder bedeuten 72 Wochenstunden Arbeit.

„Intuitiv ungerecht“
Ich finde das jetzige Rentenrecht (ich bekomme pro Kind 1 Jährchen angerechnet, also für drei Kinder insgesamt 3 Jahre!; die Witwenrente wurde zuerst gekürzt, damit Witwen mit Kindern etwas „mehr“ bekommen können, aber nur [mehr“> als die Witwen ohne Kinder!)
nicht nur „intuitiv“ ungerecht, ich finde es auch ungerecht, wenn ich nachrechne:
Hätte ich meine drei Kinder in Ganztagsstätten gegeben, und wäre voll erwerbstätig geblieben, hätte ich einen vollen Rentenanspruch. Die Tagesstätte hätte hauptsächlich die öffentliche Hand bezahlt.
Ich kann die Empörung der Kinderlosen verstehen: sie haben keine Ahnung, was Kinder an Arbeit bedeuten und was Kinder an Kosten für die Eltern bedeuten. Und: die Politik hat seit 1957 den Leuten eingeredet, dass die Rentenbeiträge für ihre eigene Rente seien.

Freundlichen Gruß aus Stuttgart
Gesa Ebert

Mein Beitrag wurde in der Sendung nicht wiedergegeben.
Ich erkläre mir das so: An diesen Stellen – Telefon, Fax, PC – werden überwiegend Frauen sitzen. Es war auch eine Frau, die dann in der Sendung die eingegangene „Post“ bekannt gegeben hat. Es liegt in ihrer Macht, welche Beiträge weitergegeben werden, bzw. welche totgeschwiegen oder unterschlagen werden.

Erwerbstätige Frauen (ohne oder mit Kindern) fühlen sich häufig angegriffen, wenn nicht-erwerbstätige Frauen, also Familienfrauen, darauf hinweisen, dass auch sie arbeiten, dass sie eine Leistung erbringen für die Gesellschaft. – Frauen ohne Kinder fühlen sich natürlich besonders angegriffen. Dabei sind es oft ja nicht in erster Linie sie, die keine Kinder wollen, sondern es fehlt der Partner, der bereit ist, einen Teil der Erziehungsarbeit verantwortlich zu übernehmen. Eine neuere Studie hat herausgefunden, dass gerade bei den AkademikerInnen viel mehr Männer als Frauen kinderlos sind. Dies sollte viel stärker thematisiert werden. Denn ich bezweifle sehr stark, dass so viele Frauen ihre Kinder ganz früh schon in eine Tagesbetreuung geben wollen. Viele Männer scheinen da eher gleichgültig zu sein; Hauptsache, sie werden nicht damit „belästigt“.
Aber, welches Kind sehnt sich eigentlich danach, kaum dass es laufen kann
– oder auch früher – den ganzen Tag von den Eltern getrennt zu sein?
Und, liebe Regierung, wo sind denn eigentlich die vielen gutbezahlten Erwerbsplätze für uns Frauen, wenn wir uns von den Kindern tagsüber befreit haben, indem wir sie anderen, schlechtbezahlten Frauen/Mädchen überantworten?

PS: Die Diskussionsbeiträge stehen jetzt auf der Homepage des Senders unter der Rubrik „Forum“, siehe unten. Auch dort fehlt bis jetzt mein Beitrag!

Comments

  1. B schreibt:

    Ist es gerecht, dass Kinderlose mehr zur Kasse gebeten werden? Antwort: Ja, eindeutig! Sie können ungestört von jeglicher sozialer Verantwortung in Vollzeit tätig sein, haben die Freizeit ebenso ungestört von jeglicher sozialer
    erantwortung zur Erholung zur Verfügung. Davon können Eltern nur träumen: sie haben schmerzhafte Gehaltseinbussen und in der Freizeit „arbeiten“ sie auch und kümmern sich 24/24 um die Kinder zum Wohle der Gesellschaft (künftige Beitrafszahler). Wer zahlt die Beiträge für die Kinderlosen wenn diese alt sind? Niemand! Deshalb müssen sie dafür mehr Geld zahlen um diese Verluste auszugleichen…..

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