Seminar in Königswinter vom 10. bis 12.März 2006 zum Thema: „Das Recht auf Anerkennung von (Familien-)Arbeit ist nur die andere Seite des Rechts auf Arbeit“
von Monika Kuhn
„Die Lohnforderung für Familienarbeit ist ein Gebot des Anstandes und nicht nur der Verteilungsgerechtigkeit.“ (1) Wie diese Lohnforderung umgesetzt werden kann, wurde von Hans Ludwig ausführlich erläutert. Gleich am ersten Abend machte er den 25 Teilnehmerinnen des Seminars klar, wieso die Familienarbeit in der Wirtschaft bisher nicht zählt, obwohl sie zwei Drittel der gesamten Arbeit ausmacht. Sie verschwindet in einer so genannten „Black Box“.
In der Modellwelt der Wirtschaftswissenschaftler wird nur gesehen, was in diese „Box“ hineingeht und was herauskommt, aber nicht die Familienarbeit selbst. Sie wurde schon immer selbstverständlich und unentgeltlich verrichtet und deshalb einfach ignoriert. Früher versorgten sich die Familien auf dem Lande überwiegend selbst. Erst durch die Industrialisierung und die Verstädterung fiel diese Möglichkeit immer mehr weg und Kinder wurden zu Multiplikatoren der Kosten, weil sie selbst keinen Arbeitsbeitrag in der Familie mehr leisteten. Letzteres war und ist auch heute noch alleiniges Risiko und Privatsache der Eltern.
Um den gesamtwirtschaftlichen Kreislauf zu erklären, verwendete Hans Ludwig den Sportplatz als Vergleich. Der Staat habe die Pflicht, das Spielfeld abzustecken und die Spielregeln für die Wirtschaft aufzustellen, um so das Ziel, die Selbstverwirklichung des Menschen, zu erreichen.
Begriffe wie Arbeit, Gerechtigkeit und Liebe müssten neu definiert werden. Jede Arbeit, die für andere geleistet werde, auch die Familienarbeit, müsse in den Arbeitsbegriff mit einbezogen werden.
Zur Bezahlung der Familienarbeit sollten direkt die Strukturen der Bundesagentur für Arbeit genutzt werden. Die Person, die die Familienarbeit übernehme, müsse einen Antrag stellen, um das Gehalt zu bekommen. Es müsse wenigstens ein Kind im Haushalt wohnen und das Gehalt solle mindestens bis zum 15.Lebensjahr des jüngsten Kindes gezahlt werden. Dabei werde ein Bruttogehalt zugrunde gelegt, von dem sämtliche Steuern und sozialen Abgaben an Staat und Versicherungssysteme zurückfließen. Durch Beispiele machte uns Hans Ludwig deutlich, dass die Einnahmen des Staates für ein Gehalt für Familienarbeit sich im Laufe der Zeit durch Verteilung und Konsum über die Familien verdoppeln können. (2)
Dr. Ina Praetorius sprach unter anderem über die Symbole als zwischenmenschliche Verständigungsmittel, die in Form von Sprache, Bildern und Gesten auch in Politik und Medienlandschaft verwendet werden und sowohl Gefühle transportieren als auch das Handeln beeinflussen. Seit langem existiert eine zweigeteilte Ordnung, die überall und tagtäglich auf uns einwirkt.
Auf der einen Seite steht der Mann, der mit Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit gleichgesetzt wird. Der weiße, erwachsene und gesunde Mann gilt in unserer Gesellschaft als Norm, und mit Arbeit wurde die männliche Erwerbsarbeit gemeint. Für die Frau auf der anderen Seite der symbolischen Ordnung stehen die Abhängigkeit, Zweitrangigkeit, das Andersartige und die „Nichtarbeit“. Diese symbolische Zweiteilung wirkt unbewusst schon seit langem und hat massive Auswirkungen auf das Zusammenleben bis heute. Die bestehende Ordnung müsse aus den Angeln gehoben werden. Der Zusammenbruch des Patriarchats habe bereits begonnen, behauptete Praetorius; sie höre schon „das Krachen im Gebälk des Patriarchats“.
Die Welt sei ein großer Haushalt und der Schrank stehe in der Mitte des Raumes. Der Schrank, als Symbol für die Wirtschaft und den Markt, gehöre aber nicht in den Mittelpunkt. In die Mitte gehöre der Tisch, als Symbol für die Politik, an dem geredet und verhandelt werde. Als postpatriarchale Haushaltskunst bezeichnet sie, dass gleichberechtigte und verschiedene Menschen immer wieder verhandeln, wie sie gut miteinander leben können. Der Glaube, dass erst die Wirtschaft florieren müsse, damit dann die Armen etwas bekommen können, ist vergleichbar dem früheren Denken, dass erst der Mann das größte Stück Fleisch bekomme, bevor seine Familie etwas essen darf. Aber dieser Glaube sei überholt. Mit volkswirtschaftlichen Berechnungen alleine kämen wir nicht weiter. Die Zweiteilung müsse abgebaut werden, um die Welt wohnlicher zu machen, und ein Grundeinkommen solle allen Menschen genug Geld für ein Leben in Würde ermöglichen. (3)
Kostas Petropulos zeigte uns anhand von Beispielen und Statistiken, dass entgegen aller Propaganda und politischen Versprechungen die familienfeindliche Politik weiter verschärft werde. Der Druck auf die Familien werde größer, der Freiraum für Eltern und Kinder kleiner. Der Trend gehe weiter in Richtung einer erwerbszentrierten Leistungspolitik mit außerhäuslicher Kinderbetreuung. Parallel dazu sei die Möglichkeit, wirtschaftliche Sicherheit über den Erwerbsarbeitsmarkt herzustellen, immer weniger gegeben. Z.B. sollen die Probezeiten von sechs auf 24 Monate erhöht und die Lebensarbeitszeiten verlängert werden.
Hinzu komme noch ein neues Leitbild der Politik. Die Mütter seien einerseits nicht gut genug für die Kindererziehung, Fachleute müssten her; andererseits sei es zu schade, wenn gut ausgebildete Mütter bei den Kindern „blieben“. Klischees und Schlagworte in den Medien sorgen für eine weitere Abwertung der Familienarbeit: „Familie sei der falsche Ort für Kinder, frühzeitige Förderung außerhalb sei nötig“, „zurück an Heim und Herd“, „Mutterkreuz und Nazizeit“.
Anhand von Statistiken aus dem Osten Deutschlands bewies Petropulos, dass genügend Ganztagsbetreuungsplätze nicht automatisch die Geburtenzahl erhöhe. Er entlarvte Vergleiche und Beispiele aus Politik und Medien als „fehlerhaft“, weil einzelne „Bausteine“ herausgenommen und nicht das Ganze gesehen würde. Deshalb seien sie immer nur begrenzt anwendbar. Es müsse viel besser differenziert werden. Schweden werde häufig mit seiner Vollzeiterwerbstätigkeit von Müttern und Vätern als leuchtendes Beispiel hervorgehoben. Dort bedeute allerdings Vollzeiterwerb eine 30-Stunden-Woche: So werde nicht bedacht, dass in anderen Ländern auch eine andere Arbeits- und Wirtschaftskultur herrsche. Eltern, die in Skandinavien erwerbstätig sind, seien lange nicht so gestresst wie bei uns. (4)
Viele gute und interessante Gedanken wurden lebhaft und kontrovers diskutiert. Insgesamt war es ein gelungenes Seminarwochenende, von dem alle, sowohl Seminarteilnehmerinnen als auch Vortragende, profitiert haben.
Quellen:
1) Krebs, Angelika: „Liebe und Arbeit“, Die philosophischen Grundlagen sozialer Gerechtigkeit; Frankfurt/Main 2002, Rezension in Fh 3/2002, Seite 11
2) weitere Informationen im Internet auf den Seiten www.erziehungseinkommen.de sowie www.erziehungseinkommen.org. Das Buch „Vollbeschäftigung ist möglich“, Makroökonomische Simulation der Wirkungen eines zusätzlichen Erziehungseinkommens, Hrsg.: Dr. Jünemann, Elisabeth und Ludwig, Hans; Merzig 2002, kann in der Geschäftsstelle gegen Einsendung von 6 Euro in Briefmarken bestellt werden. Ebenfalls in der Geschäftsstelle erhältlich ist das überarbeitete Faltblatt „Familie schafft Arbeit“
– PEPe. Siehe auch Leitartikel von Fh 1/03 und 2/05.
3) Zum Vortrag von Ina Praetorius:
/p/modules/news/article.php?storyid=314
siehe auch „Sinnvolles Zusammenleben im ausgehenden Patriarchat“ unter www.gutesleben.org.
4) Zum Vortrag von Kostas Petropulos:
./wp-content/uploads/die_betriebsfreundliche_familie.pdf