Bericht einer Mutter, die wegen des Bezugs von Arbeitslosengeld II ständig mit Auflagen zu kämpfen hat; die ihre Aufsichtspflicht für ihre Kinder vernachlässigen muss, um Geld zu verdienen. Der Vater wird geschont. Gemeinsames Sorgerecht (SorgePflicht?) hin- oder her.
Allein erziehend zu sein, habe ich mir nicht ausgesucht. Drei Kinder ohne Unterstützung zu erziehen, ist der härteste Job, den ich kenne. Als mein Mann vor vier Jahren auszog, stand ich mit drei Kindern (damals 10, 2, und 1 Jahr alt) von einem Tag auf den anderen allein da. Seitdem sind wir auf die Zahlungen des JobCenters (ARGE) angewiesen, da er mit 36 Jahren nach einem abgebrochenen langjährigen Jurastudium eine Ausbildung begann und bis heute mal mehr, mal weniger Unterhalt für seine Kinder zahlt, jedoch nie genug zum Leben. Indessen wird der Unterhalt für meinen ersten Sohn aus einer früheren Beziehung halb der restlichen Familie angerechnet, weil er "zu hoch" ist. Immer wieder arbeitet mein Mann nur in Teilzeit, so dass er nicht einmal das Existenzminimum zahlen muss. Ihm bleibt nach Abzug seiner Schulden und der Kosten für seine große 600 Euro teure Wohnung auch noch ein Selbstbehalt – und viel Freizeit.
Für mich als Mutter gelten offenbar andere Gesetze: Da meine drei Jungs ständige Präsenz erfordern und Erwerbstätigkeit, Haushalt, Reparaturen, Einkäufe, Ämtergänge und andere Termine sowie sämtliche Entscheidungen in meiner Verantwortung liegen, erfordert dies das fast komplette Zurückstellen eigener Belange. Es gibt niemanden, der mir etwas abnimmt: die Großeltern leben zu weit entfernt. Der Vater nimmt seine Kinder nur jedes zweite Wochenende für eineinhalb Tage, obwohl wir das gemeinsame Sorgerecht haben. Krank zu sein kann ich mir nicht leisten, Freizeit hat Seltenheitswert. Anfangs waren die Nächte kurz, die Tage lang und nach einiger Zeit befand ich mich wegen des massiven Schlafmangels am Rande der Erschöpfung.
Mehr als 8 Stunden Arbeit: unzumutbar für Väter
Hilfe suchend wendete ich mich an das Jugendamt, in der Hoffnung, dort mit meinem Anliegen, den Vater der Kinder zu mehr Mithilfe zu bewegen, unterstützt zu werden. Das Jugendamt teilte meine Vorstellung nicht: Ich sei anspruchsvoll, solle an das Wohl der Kinder denken, man könne den Vater zu nichts zwingen. Es gratulierte ihm sogar, als er wieder einmal zu einer Vollzeitstelle wechselte – ohne jedoch höhere Unterhaltszahlungen zu fordern. Als ich darauf drängte, wurde mir sogar mitgeteilt, dass kaum ein Vater für den Unterhalt seiner Kinder aufkomme und ich keinen "Goldesel" erwarten könne. Außerdem sei eine Beschäftigung von mehr als acht Stunden werktags für den Vater "überobligatorisch" und unzumutbar. Ich dagegen arbeite ca. 85 Stunden wöchentlich in der Familie und zusätzlich zehn Stunden in einer Schule – und werde als arbeitslos angesehen!
Fassungslos suchte ich einen Rechtsanwalt auf: Das Ergebnis beim zuständigen Familiengericht war ernüchternd. Der Richter war der Ansicht, dass man von meinem Exmann auf Grund seiner Tätigkeit nicht verlangen könne, die Kinder mehr als einmal pro Woche neun Stunden lang zu sich zu nehmen; er sehe seine eigene Tochter auch selten.
Zum dritten Geburtstag des jüngsten Sohnes bekam ich die "Einladung" der ARGE Konstanz zum Abschluss einer "Wiedereingliederungsvereinbarung". Die Sachbearbeiterin sagte: "Etwas tun müssen Sie ja mal" und ab sofort musste ich eine Bewerbung pro Woche nachweisen und mich für Maßnahmen der ARGE bereithalten. Parallel zum Kindergartenbeginn meines Jüngsten musste ich für mehrere Wochen ein tägliches "Bewerbungstraining" absolvieren. Der erste Termin war schon vor der Aufnahme in den Kindergarten. Man empfahl mir, den "großen" Bruder auf die zwei Kleinen aufpassen zu lassen; er war zwölf! Bei dieser "Maßnahme" habe ich nichts Neues oder Hilfreiches gelernt. Dazu hatte sie zur Folge, dass mein Kind keine Eingewöhnungsphase im Kindergarten hatte: wochenlang brachte ich ihn schreiend dorthin.
Lob für Mütter, die ihre Kinder alleine lassen
Später nahm ich noch an einer Maßnahme zum beruflichen Wiedereinstieg teil, bei der den Frauen unterstellt wurde, arbeitsunwillig zu sein, wenn sie wagten, die Sorge um die Betreuung ihrer Kinder zu äußern. Uns wurde vermittelt, wir müssten dankbar sein für die Chance, die wir durch die Förderung bekämen, nachdem wir die letzten Jahre "nur" Kinder betreut hätten. Ein Beweis für im Kurs erlernte Handlungskompetenz sollte sein, unsere Kinder trotz Sommerferien "wegzuorganisieren", um ein – möglichst ganztägiges – unbezahltes Praktikum zu absolvieren.
Eine Freundin, die wegen ihrer Erwerbstätigkeit notgedrungen ihr neunjähriges Kind mehrmals wöchentlich abends alleine lässt, wurde von der Sachbearbeiterin des Jobcenters sogar deshalb gelobt: Andere Mütter würden immer "so ein Theater um ihre Kinder" machen. Erschreckend, dass so wenige Mütter dies in Frage stellen oder gar dagegen aufbegehren. Als mein Jüngster dreieinviertel Jahre alt war, musste ich eine berufsfremde Tätigkeit als pädagogische Betreuerin an einem Gymnasium annehmen.
Die eigenen Kinder sind den Ämtern egal
So sind meine drei Kinder nicht selten allein daheim, während ich andere Kinder betreue! Dazu kommt noch, dass die ARGE ein dreiviertel Jahr lang, trotz mehrfacher schriftlicher Einwände auch durch einen Anwalt, mein Erwerbseinkommen zu hoch angerechnet hat, so dass wir in dieser Zeit unterhalb des Existenzminimums leben mussten. Bewerbungsschreiben muss ich weiterhin nachweisen, ich gelte ja als "arbeitslos".
Familienarbeit zählt nichts, die Bedürfnisse der Kinder auch nicht. Was zählt ist ausschließlich eine Erwerbstätigkeit. Geld bekomme ich für meine "Arbeitslosigkeit" und meine Tätigkeit in der Schule, die oft weniger anstrengend ist, als die in der Familie. Dennoch genieße ich die Tage, an denen die Erwerbstätigkeit wegfällt. Das Tagespensum ist dann zu schaffen und ich kann meine Aufmerksamkeit zum größten Teil auf meine Kinder richten, diese sind deutlich ruhiger, die Atmosphäre entspannter. Eine Stelle in der Schweiz in meinem Beruf als Orthoptistin (Sehschul-Lehrerin) konnte ich nicht annehmen, weil der Vater seine Kinder in der dafür erforderlichen Zeit nur betreut hätte, wenn dadurch der Kindesunterhalt entfiele.
Mir fehlt die Anerkennung, wie man sie in jedem anderen Beruf bekommt und die zu einem großen Teil zur Motivation und Leistungsfähigkeit beiträgt. Ich muss mit der Vielfachbelastung leben und weiterarbeiten, auch wenn ich vor Erschöpfung nicht mehr kann. Meine Kinder will ich nicht verlieren, aber ich verstehe auch jede Frau, die in so einer Situation kapituliert. Den Glauben an Gerechtigkeit oder die im Grundgesetz verankerte Gleichheit habe ich inzwischen verloren.
(Die Autorin ist dem Verband persönlich bekannt)