Der Kaiser ist ja nackt! – Eine Leserin antwortet H. Schulz

Ausgabe 4/2000

Ich weiß nicht, ob Helga Schulz vom Deutschen Frauenrat in ihrem Brief mich gemeint hat als sie von den vielen Frauen sprach, denen Ihr Verband suspekt ist. Fest steht, er war mir suspekt und zwar aus einem sehr einfachen,…
pubertären Grund: Die Frauen von der dhg behaupten, was meine Mutter immer behauptet hat, nämlich, dass Kinder ihre Eltern zu Hause brauchen und dass ab einer gewissen Zahl von Kindern für die Erziehungsperson daneben nicht mehr viel geht, wenn man den Bedürfnissen der Kinder gerecht werden will. Das fand ich (Jahrgang 1967) total altmodisch. Das war ja die Zementierung der Kinder, Küche, Kirche-Karriere der Hausfrauen. Sozusagen die freiwillige Bejahung dieser elenden Frauenfalle Familie, in die ich nie tappen wollte.

In diese Falle tapp ich nicht
Ich war der festen überzeugung, ich selbst würde da auch nicht mehr reintappen müssen. Alles, was ich brauchte war eine vernünftige Ausbildung. Alles andere, so hörte man von allen Seiten (in den Medien, auf Podiumsdiskussionen, an der Uni) war bloß eine Frage der Organisation. "Wer für Kinder auf eine gleichberechtigte außerhäusliche Karriere verzichtet, ist halt zu doof oder nicht leistungsbereit genug um das hinzukriegen" schallte es von allen Seiten. "Bei den Möglichkeiten, die die Frauen heute haben, mit Au-pairs, Kindertagesstätten und so weiter…."

Drei Kinder, ein voller Job
Sie ahnen sicher, wie die Geschichte weitergeht. Meine gute Ausbildung machte ich noch. Dann heiratete ich ungeschickter Weise einen Landwirt und zog in die Pro-vinz. Wir legten uns in rascher Folge drei Kinder zu (jetzt sieben, vier und zwei Jahre alt) und dann wollte ich mich daran machen, meine kurzfristig unterbrochene Berufskarriere wieder in Angriff zu nehmen. Leider stieß ich dabei auf einige Schönheitsfehler.

Als erstes musste ich feststellen, dass mein Mann, der als Student durchaus Hausmannqualitäten erkennen ließ, als selbständiger Unternehmer keinen beruflichen Freiraum hatte, den er in Kindererziehung oder Hausarbeit hätte investieren können. Zweitens ist die Vereinbarkeit von Kindern und Beruf auf dem Lande keineswegs nur eine Organisationsfrage, sondern mangels Infrastruktur schlicht und einfach nicht möglich, und drittens stellte sich heraus, dass der "Job", den ich nun als Familienfrau machte, außerordentlich anspruchsvoll und vielschichtig war und ist. Jedenfalls ist er nicht so beschaffen, dass er durch die Einstellung eines der vielgepriesenen Au-pair-Mädchen für fünf Stunden am Tag erledigt gewesen wäre.

Eine riesengroße Lüge
Mit einem Satz: Das ganze Gerede von der Vereinbarkeit von Familie, Karriere und gesellschaftlicher Anerkennung für die "Frau von heute" entpuppte sich als eine riesengroße Lüge. Und die dickste Lüge dabei war, dass es für die Entwicklung meiner Kinder egal sei, ob wir als Eltern uns darum kümmern oder das anderen Institutionen oder Aushilfspersonal überlassen.
Je mehr ich meine Kinder und ihre gleichaltrigen Kollegen in den unterschiedlichsten Lebenssituationen beobachte, desto mehr fühle ich mich wie im Märchen von "Des Kaisers neuen Kleidern". Alle springen herum und rufen: "Nein seht doch, wie wunderbar das alles klappt mit der Kin-
dererziehung, auch wenn beide Eltern berufstätig sind." Und es ist höchste Zeit, dass jemand sagt: "Aber der Kaiser ist ja nackt!" will heißen: "Aber das stimmt ja gar nicht! Es klappt überhaupt nicht!" Ich habe das Gefühl, dass die dhg diese Rolle übernimmt.
Die Kinder sind einsam. Sie sind orientierungslos und verhaltensauffällig. Die Mütter sind total überfordert von der Doppelbelastung oder tief unglücklich und deprimiert, weil sie "nur" zu Hause sind und nicht hinkriegen, was doch scheinbar allen anderen spielend gelingt.

Flagge zeigen
…Ich wünsche mir, dass meine Familien-
arbeit gesellschaftlich anerkannt und bezahlt wird. Dass ich eine eigene Rente aufbauen kann und dass ich nicht eine so ungleich höhere Abhängigkeit eingehe wie mein Mann, wenn ich mich auf Ehe und Familie einlasse. …
Es hat mir sehr gefallen, dass Sie in der Auseinandersetzung mit den Damen vom Frauenrat so deutlich Flagge gezeigt haben und sich trotz erheblicher Divergenzen um eine Aufnahme bemühen. Ich habe mich deshalb entschlossen, der dhg beizutreten.

Von Sabine Allmenröder