Bereits im Dezember 2005 fiel in der Diskussion um das Elterngeld der Ausdruck „Herdprämie“, und zwar bei der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen (AsF) und ihrer Bundesvorsitzenden Elke Ferner. Damals wurde dieser infame Ausdruck nicht weiter beachtet. Im Frühsommer 2007 eskalierte die Diskussion. – Viel Tinte wurde verspritzt, um Mütter und Väter zu beleidigen, die sich dafür entscheiden, ihre Kleinkinder zu Hause selbst zu erziehen, statt sie in die Krippenbetreuung zu geben. Es fielen Argumente, die an Boshaftigkeit (Heimchen-am-Herd-Bonus) nichts zu wünschen übrig ließen.
Eine ganz andere Sicht auf den „Herd“ zeigt ein Beitrag von Monika Bunte, den wir 1997 in Ausgabe 4 der Rundschau veröffentlichten:
“Der Herd – ein Ort weiblicher Stärke”
Sie finden ihn auf unserer Homepage:
www.dhg-vffm.de unter der Rubrik „Familienarbeit heute“.
Wenn auch Sie der Meinung sind, dass „Herdprämie“ zum Unwort des Jahres erklärt werden soll, dann schreiben Sie an:Prof. Dr. Horst D. Schlosser, Universität Frankfurt a.M. Grüneburgplatz 1, 60629 Frankfurt a.M.
oder per Mail an: unwort@em.uni-frankfurt.de http://www.unwortdesjahres.org
Helga Vetter, Bundesvorsitzende
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DER HERD – EIN ORT WEIBLICHER STÄRKE
von Monika Bunte (1997)
Die Qualität des Feuers
Im Stall von Bethlehem muß es ein Feuer gegeben haben, sonst wäre es Maria, Josef und dem Jesuskind schlecht ergangen. Ich möchte in dieser Weihnachtsausgabe der Rundschau (jetzt „Familienarbeit heute“) etwas von der Qualität des Feuers erzählen und von seiner Zähmung im Herd.
Daß das Feuer sich überhaupt zähmen ließ, brachte den Menschen die Überlegenheit den Tieren gegenüber. Sie fanden nun Schutz und Wärme in seinem Bannkreis; die Nahrung konnte anders zubereitet werden als zuvor, wenn auch in den Augen mancher Rohkostesser damit schon die Degenerierung des menschlichen Geschlechts beginnt.
Die Frau – Hüterin des Feuers
Schon seit undenklichen Zeiten ist die Frau die Hüterin des Feuers. Im abendländischen Kulturkreis ist eine deutliche Erinnerung bei den Vestalinnen in Rom zu finden. Sie sind Nachkommen eines uralten Ordens heiliger Frauen, die die öffentliche Feuerstelle und den Altar mit dem Ewigen Feuer versorgten, welches das mystische Herz des Römischen Reiches war. Beim Römischen Jahreswechsel wurde in allen Häusern das Herdfeuer gelöscht, und die neue Glut fürs neue Jahr durfte nur bei den Vestalinnen geholt werden. Die Griechen, von denen die Römer die Idee des Heiligen Feuers übernommen hatten, ließen die Kolonisten beim „Pflanzen“ neuer Wohnplätze in Übersee heimische Erde und heimische Steine mitnehmen, damit flugs als erstes ein Herd gemauert werden konnte. Das machte die Fremde zur Heimat.
Von den Bewohnerinnen und Bewohnern von Lepenski Vir oberhalb der Donau im früheren Jugoslawien, wo es eine frauenzentrierte Kultur gab, wissen wir, daß sie die Gebeine ihrer Toten unter dem Herd in ihrer Behausung begruben. Die Religion, die Ahnenverehrung und die Wertschätzung des Herdes gehörten unmittelbar zusammen.
Der Herd – Lichtquelle und Wärmespender
Im Niedersächsischen Landesmuseum in Braunschweig las ich einmal folgende Beschriftung: „Lange Zeit war die Herdstelle im Niederdeutschen Hallenhaus nicht nur Kochstelle, sondern auch Lichtquelle und einziger Wärmespender. Sie galt im geistig-spirituellen Sinn als Zentrum des Hauses und hatte so eine besondere Bedeutung im Rechtsbrauchtum. So erhielten mündlich geschlossene Verträge erst durch gemeinsames Handauflegen auf den Kesselhaken Gültigkeit. Auch galt die Verlobung als vollzogen durch den dreimaligen Gang von Braut und Bräutigam um die Herdstelle.“
Das Element Feuer
In Magazinen, die neue Modetrends vorstellen, kann man Artikel über Feng Shui finden, diese interessante Wasser-Wind-Botschaft aus China über feinstoffliche Energie. Nach der Feng Shui-Lehre steht Küche für Kreativität, Handlung und Aktivität. Derek Walter schreibt in „Die Kunst des Wohnens – Feng Shui“ über das Element Feuer als eines der fünf chinesischen Elemente, es „soll den Intellekt repräsentieren. Einleuchtend ist, daß Herstellungsprozesse, bei denen Feuer und Schmelzöfen eine Rolle spielen, dem Element Feuer zugeordnet sind. Weniger unmittelbar einsichtig ist, daß dies auch für chemische Prozesse gilt. – Im Wohnhaus ist der Küchenherd der Platz des Elements Feuer.“
Zurück an Heim und Herd?
Nach diesen Lobreden über Feuer und Herd ist es eigentlich unfaßbar, daß Feuer/Herd so herunterkommen konnten, daß die Formulierung „Zurück an Heim und Herd“ das Letzte, das wirklich Allerletzte umreißt, was einer Frau zustoßen kann.
Vordergründig ist es erst einmal schlechtes Deutsch. Sprachlich korrekt müßte es zumindest heißen: „Zurück ins Heim und an den Herd“. Aber das ist ja nur eine sprachliche Feinheit. Hintergründig geht es um viel mehr. Es gibt außer einer plumpen patriarchalen Heim- und Herd-Ideologie eine subtile Variante. Sie liegt auf der nämlichen Ebene wie die Schimpfworte dumme Gans, verrücktes Huhn, dusselige Kuh, schnaubender Drache. In der Pervertierung zu Schimpfworten wird die ursprüngliche Dynamik und heiligende Kraft der Ausgangsbegriffe kaputt gemacht. Die Gänse waren die heiligen, wachsamen Tiere der Göttin Juno – sie retteten das Kapitol.
In Ägypten säugt Hathor, die Mondscheibe zwischen dem Kuhgehörn, den Pharao. Ein König wurde nicht gesalbt, sondern gesäugt, das erst machte ihn zum Pharao.
Durch die Eingeweideschau bei Hühnern stellten römische Priester fest, ob ein ausgewählter Platz für die Anlage einer neuen Stadt geeignet war. – Und erst die Drachin! Energiebahnen werden seit alters her im Fernen Osten als Drachenlinien bezeichnet. Kein Mythos der Welt kommt ohne Drachin aus.
Ein Kübel Jauche
Irgendwann im Verlauf der Domestizierung der Frau ist es passiert, daß die ursprünglich göttlichen Attribute ihr wie ein Kübel Jauche über den Kopf geschüttet wurden. Die Frau merkte, daß sie stank und beteuerte selbst ihre Stinkigkeit. So ein Schicksal hat auch der Herd erfahren. Dieser Ort ursprünglich weiblicher Stärke verkam zu einem Ort weiblicher Rückständigkeit, und viele Frauen glauben das auch selbst. (Wir von der dhg ja wohl nicht.) Es entwickelte sich die Stabilität einer falschen Ordnung. Solche falschen Ordnungen können Jahrhunderte, gar Jahrtausende währen. Wenn der Konformitätsdruck hinreichend stark ist, wagt bald niemand mehr zu widersprechen. Sind sich ursprünglich vielleicht viele Frauen in heimlicher Opposition einig gewesen, daß der Herd ihre Potenz war und ist, so wird nun das Miesgemachte mit der Zeit unaussprechlich und in der Generationenfolge allmählich undenkbar, bis diese Herd-Potenz am Ende nicht mehr gedacht wird.
Das weibliche Energiefeld
Laßt uns wieder denken, neben allem Recht auf außerhäusliche Erwerbsarbeit, daß der Herd, selbst wenn ein Mann daran steht, ein Ort weiblicher Stärke ist. Niemand schildert das hinreißender als Angelika Aliti in ihrem Buch „Die wilde Frau“: „Die Feuerstellen gelten als das Zentrum der Häuser. Das Haus jedoch ist der Bereich der Frau. Kein Ort, an den sie verbannt wurde, sondern ein Bereich, der ihr zu eigen ist, den sie geschaffen hat und nun in Ordnung hält, damit es ein belebter, ein lebendiger Platz sein kann, zu dem alle kommen, an dem alle gern bleiben … Es ist dieses Energiefeld, das sie schafft, welches ihr eine Macht und Potenz besonderer Art verleiht. … Die das Feuer schürten, kannten seine reinigende und spirituelle Kraft. Sie beherrschten nicht nur dieses Element. Sie verbanden es auf die richtige Weise mit der Luft, dem Wasser und der Erde.“
Laßt uns im Sinn von Potenz und Kreativität im neuen Jahr mit reinigender und spiritueller Kraft in rechter Weise die Elemente verbinden!