Leistungsgerechtes Rentenkonzept statt Kollaps

Alle von den heutigen Bundestagsparteien diskutierten Rentenkonzepte ignorieren die Ursache der Rentenmisere: das Umlageverfahren in seiner bisher einseitigen Konstruktion.

Dreh- und Angelpunkt eines nachhaltigen Rentenkonzepts ist der Zusammenhang zwischen Kindererziehung und Alterssicherung. Darauf weist der Verband Familienarbeit e.V. seit fast 40 Jahren hin.

Geschichte

Mit der Idee einer großen Rentenreform gewann Konrad Adenauer 1957 die Bundestagswahl. Über Nacht wurden die gesetzlichen Renten massiv erhöht, die von den aktuell Erwerbstätigen bezahlt werden mussten. Dabei spielte es keine Rolle, ob der jeweilige Rentenbezieher zur Erziehung der Beitragszahler etwas beigetragen hatte oder nicht. Seitdem sind zwei Generationen vergangen und die Misere wird immer offensichtlicher: Der familiäre Generationenvertrag, in dem die Leistung der Kindererziehung am Ende des Lebens mit der Versorgung im Alter durch die eigenen Kinder einherging, wurde einem verfälschten „Solidarprinzip“ geopfert, das diesen Zusammenhang aufhebt.

Die Alterssicherung wurde sozialisiert, die Kinderkosten blieben privat.

Seitdem ist Kindererziehung eine Leistung, die in einer immer reicher werdenden Gesellschaft Eltern und Kinder selbst ins soziale Abseits stellt. Dabei gab es von Wilfrid Schreiber, einem Berater Adenauers, sehr wohl einen ganzheitlichen Vorschlag zum Rentenrecht: Er forderte, das Umlageverfahren zugunsten der Rentner durch ein Umlageverfahren zugunsten der Eltern und Kinder zu ergänzen, der sogenannten „Kinder- und Jugendrente“. Adenauer stand allerdings auf dem Standpunkt: „Kinder kriegen die Leute immer.“ Diese Prophezeiung, die angesichts der Ungerechtigkeit der Konstruktion ohnehin zynisch wirkt, wurde inzwischen durch die demografische Entwicklung widerlegt.

Das Rentenkonzept des Verbandes Familienarbeit e.V. – leistungsgerecht und nachhaltig

Ziel ist ein Zwei-Säulen-Modell für Jugend- und Alterssicherung:

Erste Säule: Ein Teil (z.B. 50 %) der gesetzlichen Renten wird durch das bisherige Umlageverfahren finanziert und durch ein weiteres Umlageverfahren für einen entsprechend großen Anteil der Kosten der Kindererziehung ergänzt. So erhalten sowohl die Eltern während der Erziehungsphase („Erziehungsgehalt“) als auch die Kinder und alle Rentner eine Grundsicherung. Beamte und Selbstständige werden einbezogen.

Zweite Säule: Der zweite Teil (z.B. 50 %) der gesetzlichen Renten wird für Eltern und Kinderlose getrennt finanziert. Die Eltern erhalten ihren zweiten Rentenanteil als Elternrente. Dies ist Gegenleistung für ihre zusätzlich getragenen Kinderkosten. – Kinderlose erhalten ihren zweiten Rentenanteil im Rahmen einer verpflichtenden Kapitalversicherung, die angesichts entfallender Kinderkosten zumutbar ist.

Die schematischen Darstellungen veranschaulichen die Beziehungen zwischen den Generationen.

Heute bestehende Rentengesetzgebung (verfälschter Generationenvertrag)

Quelle: Schema leicht verändert entnommen aus Resch/Knipping, Jahrbuch für Sozialwissenschaft 1982, Heft 1, S. 92–122. Damals wurde der Netto-Nachteil, den ein Arbeitnehmerehepaar mit zwei Kindern gegenüber einem kinderlosen Ehepaar unter sonst vergleichbaren und durchschnittlichen Bedingungen durch den obigen Umverteilungseffekt lebenslang erleidet, mit 370 000 DM berechnet. Seitdem ist keine grundsätzliche Änderung erfolgt. Allerdings liegt der Betrag heute wegen der Inflation sicher deutlich höher. – Der Enteignungseffekt gegenüber den Eltern wurde im 5. Familienbericht 1994 noch als „strukturelle Rücksichtslosigkeit gegenüber Familien“ gebrandmarkt, in späteren Familienberichten aber nicht mehr thematisiert. Der 7. und 8. Familienbericht gab im Wesentlichen lediglich die Sicht der Bundesregierung wieder, die den Umverteilungseffekt unseres Sozialsystems ignoriert. Die Kernfrage, die ursprünglich von den Familienberichten beantwortet werden sollte, nämlich ob Familien vom Gesetzgeber benachteiligt werden oder nicht, wurde gar nicht mehr gestellt, geschweige denn beantwortet.

Zwei-Säulen-Modell für leistungsgerechte Jugend- und Alterssicherung (echter Generationenvertrag)

Welche Folgen hat die Leugnung des Zusammenhangs zwischen Elternarbeit und Alterssicherung?

  • Verarmung von Eltern und Kindern
    Die Verfälschung des Generationenvertrages zu Lasten der Eltern führte zwangsläufig zur Verarmung von Familien im Vergleich zur Restgesellschaft und kommt einer Enteignung der Eltern gleich. Das traf besonders Familien mit mehreren Kindern und Alleinerziehende. Kinder wirken heute wie ein Sparbuch, auf das Eltern überwiegend einzahlen müssen, von dem aber Erwerbstätige ohne Kinder überwiegend abheben.
  • Abwertung der elterlichen Erziehungsleistung
    Selbst bei der Anrechnung von drei Erziehungsjahren für ab 1992 geborene Kinder müsste ein Elternteil 15 Kinder erziehen, um eine Standardrente (Rente nach 45 Erwerbsjahren bei durchschnittlichem Einkommen) zu bekommen. Dabei hat der erziehende Elternteil für seine Leistung im Gegensatz zum Erwerbstätigen kein Einkommen erhalten.
  • Demografische Entwicklung
    Es ist naheliegend, dass die tendenzielle Verarmung der Eltern für den Rückgang des Kinderwunsches und der tatsächlichen Kinderzahl wesentlich mitverantwortlich ist. Junge Menschen orientieren sich, sei es bewusst oder unbewusst, an den bestehenden elternfeindlichen Bedingungen.
  • Überforderung der Eltern mit häufig gesundheitlichen Folgen
    Das heutige System führt zur zeitlichen Überforderung und Erschöpfung der Eltern, da sie meist bestrebt sind, die Verarmung durch Mehrarbeit auszugleichen. Das ist in Form der Zunahme psychischer Erkrankungen in der Krankheits- und Rentenstatistik gut belegt und steigert die Gesundheitskosten.
  • Beeinträchtigung der Kindererziehung
    Die erzwungene „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ führt zum Dauerstress im Familienalltag und beeinträchtigt die Qualität der Kindererziehung. Sie erschwert die Bindung zu den Kindern und belastet deren gesundheitliche Entwicklung und spätere Leistungsbereitschaft. Besonders betroffen sind die Kinder von Alleinerziehenden.
  • Einschränkung der Wahlfreiheit für Eltern
    Die zeitliche und finanzielle Belastung zwingt die Eltern zunehmend, ihre kleinen Kinder in staatlich finanzierte Krippen zu geben, unabhängig davon, ob sie das für richtig halten oder nicht. Ihre vom Grundgesetz geforderte Wahlfreiheit bei der Kinderbetreuung wird durch staatliche Bevormundung unterlaufen.
  • Spannungen in der Partnerschaft
    Die gesetzlich begründete Zeit- und Geldnot der Eltern fördert gegenseitige Schuldzuweisungen, da die wahren Ursachen nicht durchschaut werden. Dadurch entstehende Konflikte führen immer häufiger zu Streit bis hin zu Scheidungen. Besonders nach einer Trennung führen Auseinandersetzungen um Zeit und Geld zu schweren psychischen Belastungen für Kinder und Eltern.
  • Zerstörung des Alterssicherungssystems
    Die Fehlkonstruktion unseres Rentenrechts führt inzwischen auch zu dessen Funktionsunfähigkeit und ist verantwortlich für zunehmende Altersarmut. Diese trifft wiederum vorwiegend Eltern mehrerer Kinder und Alleinerziehende.
  • Verschärfung durch weitere Maßnahmen
    Die Diskriminierung der Erziehungsleistung wird noch verschärft durch das neue Unterhaltsrecht und das Elterngeldgesetz (z.B. bei zweiten und weiteren Kindern).
  • Neue Diskriminierung von Frauen
    Die Abwertung der elterlichen Erziehungsleistung im Rentenrecht trifft besonders Mütter mehrerer Kinder und Alleinerziehende, die ebenfalls überwiegend Mütter sind. Es ist Zeit, diese Diskriminierung der Erziehungsleistung zu benennen und dagegen anzugehen. Eine stärkere Einbeziehung der Väter ändert an der Missachtung dieser Arbeit nichts.
  • Benachteiligung der jeweils nachfolgenden Generation
    Neben der Benachteiligung der Eltern führt das Rentenrecht in seiner jetzigen Form auch zu einer Überforderung der nachfolgenden, kleiner werdenden Generation durch überhöhte Sozialabgaben und schränkt deren eigene Lebensgestaltung und insbesondere die Erziehung eigener Kinder immer mehr ein.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass unser Sozialsystem auf einer Fehlinterpretation des Arbeitsbegriffs beruht, der nur herkömmliche Erwerbsarbeit als wertschöpfend anerkennt, aber die Wertschöpfung der elterlichen Erziehungsleistung ignoriert. So wurde die seit Menschengedenken an die Erziehung eigener Kinder gebundene Alterssicherung zum Alterslohn nach Erwerbsarbeit pervertiert. Diese Abwertung der Elternleistung hat den gemeinsam gelebten Alltag von Eltern und Kindern, aber auch die Solidarität zwischen Kinderlosen und Eltern weitgehend zerstört.

Die Eltern- und Mütterfeindlichkeit unseres Rentensystems lässt sich unter keinem sachlichen Gesichtspunkt rechtfertigen, sondern nur historisch erklären. Ursache ist vor allem die Dominanz einer männlichen Denkweise in der Sozialpolitik, die die ursprünglich von Männern geleisteten Arbeiten gegenüber den überwiegend von Frauen erbrachten Tätigkeiten weit überbewertet.

Das hier vorgelegte Rentenkonzept schafft die Voraussetzung für echte Gleichberechtigung sowohl der Geschlechter als auch zwischen Eltern und Kinderlosen, indem alle gesellschaftsrelevanten Tätigkeiten gleichgestellt sind. Die Wahlfreiheit zwischen Elternarbeit und Erwerbsarbeit wird verwirklicht.

Unser Rentenkonzept als PDF (4,6 MB) zum Runterladen oder Ausdrucken.