Das seit 2007 geltende Elterngeldgesetz wurde von der damaligen schwarz-roten Regierung damit begründet, „auf die Tatsache zu reagieren, dass Männer und Frauen sich immer später und seltener für Kinder entscheiden“ (Bundestagsdrucksache 16/1889, S. 15).
Tatsächlich hat die Bundesregierung durch die Einführung der „Entgeltersatzfunktion“ das Gegenteil bewirkt. Sie hat zwei Gruppen von Eltern geschaffen: Die Minderheit gut verdienender Eltern mit erstem Kind wird privilegiert und erhält bis zu 1.800 € Elterngeld pro Monat. Junge noch in Ausbildung befindliche Eltern und Eltern, die vor einer Geburt bereits vorhandene Kinder betreuten und deshalb weniger Einkommen hatten, werden meist mit 300 € abgespeist. Sie erhalten nur die Hälfte im Vergleich zum früheren Erziehungsgeld. – Der Effekt: Für junge Eltern ist das Gesetz ein starker Anreiz, eine Geburt aufzuschieben, bis ein höherer Verdienst erzielt wird – bei Akademikerinnen manchmal bis zum St. Nimmerleinstag. Wer den Wunsch nach mehreren Kindern verwirklicht, wird systematisch mit einem Nachteil von insgesamt bis zu 18.000 € bestraft.
Dazu Dr. Johannes Resch, Stellvertretender Vorsitzender des Verbands Familienarbeit e. V.: „Entgegen der vorgeblichen Absicht der früheren Bundesregierung wirkt das Elterngeld durch Benachteiligung von jungen Eltern und Mehr-Kind-Familien als Geburtenbremse. Die weiter sinkenden Geburtenzahlen belegen das.“
Dr. Resch weiter: „Mit dem Elterngeldgesetz wurde die gezielte Diskriminierung von Mehr-Kind-Eltern fortgesetzt, die bereits 1957 durch die Rentenreform Adenauers eingeleitet wurde. So müssen seitdem z. B. die Kinder aus einer Familie mit vier Kindern später vier Renten finanzieren (inzwischen wegen des Geburtenrückgangs sogar noch mehr). Die eigenen Eltern haben dagegen wegen der unterbewerteten Erziehungszeiten in der Regel sogar weniger Ansprüche als andere. Kinder wurden – wirtschaftlich gesehen – zur „Fehlinvestition“. Eine zunehmende Verarmung der Familien war und ist die Folge.“
Der Verband Familienarbeit e. V. stellt fest: Während das Bundesverfassungsgericht in bisherigen Urteilen diese Diskriminierung von Mehr-Kind-Familien scharf kritisiert hat (BVerfGEen 6,55; 82, 60; 87, 1; 99, 216; 103, 242 u. a.), wurden aktuelle Verfassungsbeschwerden gegen das Elterngeldgesetz von einer Kammer des Gerichts (eine Richterin, zwei Richter) „nicht zur Entscheidung angenommen“. Damit wird den Eltern der Schutz verweigert, der ihnen nach Art. 6 GG zusteht. – Aber auch der in Art.3 GG geforderte Gleichbehandlungsgrundsatz wird verletzt, wenn Wohlhabende höhere steuerfinanzierte Leistungen erhalten als weniger Wohlhabende (wie junge Eltern und Mehr-Kind-Familien). Ein solches Gesetz ist bisher einmalig im deutschen Sozialrecht und müsste schon deshalb einer gründlichen verfassungsrechtlichen Prüfung unterzogen werden.
Dr. Resch: „Damit stimmt selbst eine Kammer des Bundesverfassungsgerichts der „Ausschlachtung der Familie“ durch Wirtschaft und Krippenbetreiber zu. Der Wirtschaft geht es um das Arbeitskräftepotential der Eltern, das sie zur Lohnsenkung und Profitmaximierung nutzen will. Die Letzteren, darunter sogar kirchliche Einrichtungen wie Diakonie und Caritas, wollen an der Auslagerung von Familienaufgaben verdienen. Sie fordern sogar das zur Stabilisierung der Familien vorgesehene, aber für diesen Zweck viel zu geringe Betreuungsgeld zusätzlich für die von ihnen betriebenen Krippen und werden dabei auch noch von Führungskadern der Evangelischen Kirche unterstützt. – An Kindeswohl und Elternrechte scheint niemand mehr zu denken.“
Auf diesem Hintergrund sei eine Wende zur Wiederherstellung der Lebensfähigkeit der Familien nur zu erwarten, wenn sich die Eltern selbst organisieren und einen „Rettungsschirm für Familien“ fordern. Nach überzeugung des Verbands Familienarbeit e. V. ist die Abwertung der elterlichen Erziehungsarbeit schon so weit fortgeschritten, dass nur noch eine direkte Bezahlung der Kindererziehung die Familie als Lebensform wieder stabilisieren könne. Die Bezahlung der Erziehungsarbeit dürfe sich aber nicht auf die Betreuung in Kinderkrippen beschränken, sondern habe die freie Entscheidung der Eltern über die Art der Kinderbetreuung zu achten. Resch abschließend: „Ein solcher „Rettungsschirm“ für Familien wäre zugleich ein „Rettungsschirm“ für den Fortbestand unseres gesetzlichen Alterssicherungssystems, der sich samt Krankenversorgung und Pflege im Alter ausschließlich auf die nachfolgende Generation und damit ausschließlich auf die Erziehung von Kindern stützt, während die aktuellen Sozialabgaben lediglich der Versorgung der heutigen Rentner dienen.“
Pressestelle des Verbandes Familienarbeit e. V.
01. August 2012