Die Familienarbeit verwirrt die Sprache.
Die Sprache verwirrt die Familienarbeit.
von Hans Ludwig
Nun hat es die Familienarbeit zum dritten Mal innerhalb von 3 Jahren geschafft, Spitzenreiter bei den Sprachforschern zu werden: Im Jahre 2004 noch „Unwort des Jahres“ als „Humankapital“, immerhin das Produkt der Familienarbeit schlechthin. Für das Jahr 2007 wird „Herdprämie“ zum Unwort des Jahres und ist mit Tadel verbunden.
Beim Wort des Jahres geht es der Gesellschaft für deutsche Sprache um einen Begriff, der die öffentliche Diskussion besonders geprägt hat. Hier soll das Wort „Herdprämie“ wertneutral gebraucht sein und die Debatte um Kinderbetreuung und Betreuungsgeld auf einen Punkt bringen. Aber im Zweifel wird doch eher von Betreuungsgeld gesprochen. Bei der Gesellschaft für deutsche Sprache landet „Herdprämie“ auf dem zweiten Platz.
Die Stellungnahme der Jury beim Unwort des Jahres ist klarer: Die Wortschöpfung „Herdprämie“ beleidige die Mütter, die ihre Kinder zu Hause erziehen wollen, so der Frankfurter Germanist Horst Dieter Schlosser, der Sprecher der Jury.
Was in den Köpfen irgendwie „verrückt“ ist, kann kaum in der Sprache klar herauskommen. Das gilt bei der Familienarbeit gleich in mehrfacher Hinsicht:
Sie auf den „Herd“ zu reduzieren zeigt, wie ignorant wir dem größten produktiven Sektor unserer Volkswirtschaft gegenüberstehen. Alle Zeitverwendungsstudien des Statistischen Bundesamtes seit 1992 zeigen, dass fast 2/3 der produktiven Arbeit dort unbezahlt geleistet wird. Weil unbezahlt wird sie auch nicht wahrgenommen. Denn statistisch gezählt wird nur bezahlte Arbeit; bei unseren Marktökonomen noch reduzierter auf die Marktarbeit, die sich am Markt rechnet. Dann schrumpft unsere Wirtschaft auf 1/6 aller geleisteten produktiven Arbeitsstunden, während öffentliche und private Dienste in öffentlichen und privaten Haushalten entweder nur umverteilt Einkommen erhalten oder gar keines.
Und was heißt schon Prämie? Die Freiberufler haben es immerhin geschafft, für ihre Bezahlung das schöne Wort „Honorar“ = Ehrensold zu kreieren, weil ihre Arbeit ja so wertvoll ist, dass sie prinzipiell unbezahlbar ist. Während aber bei Männern, die freiberuflich oder gar ehrenamtlich arbeiten (z.B. Aufsichtsratsmitglieder) eine angemessene, ja sogar eine exorbitant hohe Bezahlung nicht in Widerspruch zur Ehre gerät, kommt es bei Frauen und Müttern, die ähnliches tun, zu einer Perversion der Liebe, wenn sie beispielsweise für Erziehung und Pflege (zumindest das sind gesellschaftlich notwendige und in den Leistungsaustausch der Gesellschaft eingelassene Tätigkeiten) angemessene Bezahlung verlangen.
Das Wort Prämie hat zwar unterschiedliche Bedeutungen angenommen, in dem hier gebrauchten Zusammenhang soll es aber weniger den Inhalt von „Entgelt“ oder „-geld“ haben, sondern eher an etwas großzügig Gewährtes erinnern, auf das man eigentlich kein Recht hat.
Und so verbirgt sich hinter diesen Wortspielereien nichts anderes als sexistische Diskriminierung, auch wenn manche Frauen da fleißig mitspielen.
Wenn das Unwort des Jahres dazu führt, dass Nachdenkliche tatsächlich über den hier angesprochenen Sachverhalt das Nachdenken beginnen, wäre es nicht vergeblich gewesen.
Vgl. auch Familienarbeit heute 3/2005: Human … bitte was?
Und Familienarbeit heute 3/2007: Beteiligen Sie sich … Unwort des Jahres.