Gehalt für Familienarbeit – der Weg zur Emanzipation

Ausgabe 1/1999

"Es wird höchste Zeit, für das Aschenputtel der Nation, die Hausfrau, etwas zu tun" so die Aussage von Frau Dr. Gerhild Heuer-Pyka 1978 im Vorfeld zur Gründung der Deutschen Hausfrauengewerkschaft
Heiße Debatten
Von der Forderung nach Anerkennung des Berufes "Hausfrau" zum konkreten Anspruch nach leistungsgerechter Bezahlung der Familienarbeit vergingen etliche Jahre, in denen wir auch innerhalb der dhg heiße Debatten geführt haben.

Es entstand das "Düsseldorfer Tarifpapier" der Arbeitsgruppe "Lohn für häusliche Pflege- und Erziehungsarbeit" – federführend Heidede Morgenbrod. Helga Hach van Scherpenberg stellte ihr Konzept "Lohn für Familienhausarbeit" zur Diskussion. Im dhg-Seminar "Gehalt für Familienarbeit" wurden erstmals die Argumente, die für und die wider eine Bezahlung der Erziehungs- und Pflegearbeit sprechen, ausführlich diskutiert.

Es schloß sich unsere Fachtagung: "Modelle zur Finanzierung von Familienarbeit" im Oktober 1994 an. 1996 war es dann endlich soweit: auf der Mitgliederversammlung in Worms gab es grünes Licht für unser Positionspapier "Gehalt für Familienarbeit".

In jüngster Zeit wurde klar: die Zeit ist jetzt reif dafür. Viele Verbände, die Parteien öDP (ökologisch Demokratische Partei) und Familienpartei, das Sozialministerium der Sächsischen Landesregierung und neuerdings auch die CDA (CDU-Sozialausschüsse) sprechen sich für eine Bezahlung der Familienarbeit aus. Die derzeitige bundesweite Diskussion unserer Forderungen wird besonders durch das Konzept Erziehungsgehalt 2000 vom Deutschen Arbeitskreis für Familienhilfe und durch das "Sächsische Modell" des sächsischen Sozialministeriums unterstützt. Unser Zusammenhalt ermutigt, stabilisiert und verbindet uns.

Das dhg-Modell
Das wohl weitreichendste und radikalste Modell ist das unseres Verbandes. Wir sind jedoch offen und bereit, uns dem großen Ziel auch in kleineren Schritten zu nähern.- Heute fordern wir das Gehalt für Familienarbeit in der Orientierung am versicherungspflichtigen Durchschnittseinkommen für mindestens 6 Jahre. Es soll sozialversichert und versteuert werden. Das Gehalt soll an die Person gezahlt werden, die die häusliche Erziehungsarbeit leistet. Delegierte Erziehungsarbeit wird ebenso leistungsgerecht bezahlt und sozialrechtlich abgesichert. Damit haben wir endlich auch die volle Wahlfreiheit.

Jetzt geht es in der Diskussion 1. um die Frage nach der Finanzierbarkeit und 2. darum, ob dies der richtige Weg zur gesellschaftlichen und beruflichen Emanzipation der Mütter ist (Väter sind mitgemeint).

Für mich steht außer Zweifel: Das Gehalt für Familienarbeit ist der Weg zur Emanzipation.
Sei ein Mann!

Die meisten Bestrebungen nach Emanzipation und Gleichberechtigung zwischen Frauen und Männern setzen erst da an, wo es um den Bereich der Erwerbsarbeit geht.

Dazu Heinz Meyer, Soziologe und Professor an der Universität Wuppertal, in seinem Buch "Emanzipation von der Männlichkeit" (Enke Verlag): "Frauen, die sich emanzipieren wollen, leben nicht ihr eigenes Leben, sondern das der Männer. Sie streben nach Macht und Erfolg, statten sich mit Lederkoffern und teuren Füllfederhaltern aus und sind erst dann zufrieden, wenn das Konto sechsstellige Zahlen aufweist".

Das herausragendste Wesensmerkmal des Mannes sei danach neben dem Machtanspruch die Scheinwichtigkeit. Der Mann gebe allem, was er tue, den Anstrich von Wichtigkeit, ob das die Teilnahme an der Jahresversammlung des Kaninchenzuchtvereins sei, die Stadtratssitzung oder die Weltpolitik. Träten Frauen in die Fußstapfen der Männer, unterstützten sie diese Verhaltensweisen und gleichen sich deren Normen an, statt sich von diesem Lebensstil zu trennen und sich ihrer eigenen Qualitäten bewußt zu werden. Zu diesen zählen nach seiner Meinung soziales Handeln und Denken, die Fähigkeit, in kritischen Situationen auszugleichen – weibliche Diplomatie – und der Hang zu pflegen.
Wenn Frauen als einzigen Weg zur Emanzipation die Erwerbsarbeit sehen, haben sie sich die männliche Sichtweise zu eigen gemacht, weil ihnen heute gar nichts anderes übrig bleibt, um ökonomische Unabhängigkeit und soziale Sicherung zu gewinnen.

Wer beklagt, daß Frauen sich in ihren Verhaltensweisen zu sehr den Männern angleichen, muß dann auch bereit sein, die weibliche Qualifikation anzuerkennen und leistungsgerecht zu bezahlen. Er muß sich für finanzielle Absicherung der Familienarbeit einsetzen und uns nicht nur zum Muttertag mit netten Worten und Blumen Dank sagen. Auch Müttern muß das Recht auf finanziell gesicherte, ihre innerfamiliare Erwerbsarbeit anerkennende, Existenz eingeräumt werden, insbesondere von uns Frauen. Wer sonst sollte uns voranbringen?

Das hält frau im Kopf nicht aus. Bis wir unseren Weg gefunden haben, leben wir in einer Zeit endloser Widersprüche:

  • Gefordert wird die Emanzipation der Frau, aber nicht die der Familienfrau.
  • Familienfrauen erwerben durch ihre Arbeit Qualifikationen wie Improvisationsfähigkeit,
    Flexibilität, Verantwortungsbewußtsein, Planungskompetenz, Belastbarkeit. Gleichzeitig gilt die
    Familienarbeit als Nachteil für alle Erwerbsberufe, außer im hauswirtschaftlichen Bereich.
  • Bei Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen wird private Kindererziehung als einfache Dienstleistung für
    Langzeitarbeitslose vorgeschlagen, in den Krippen kann diese Arbeit nur professionelles Personal
    machen.
  • Bei Müttern wird die fehlende erzieherische Ausbildung bemängelt und gleichzeitig die
    jahrelange "falsche" Sozialisation von Mädchen kritisiert, dabei ist kein Lehrberuf ist so lang.
  • Die "neuen Arbeitsplätze" werden sogar für den kinderlosen Haushalt steuerlich gefördert, die
    Bezahlung der Familienarbeit in der eigenen Familie wird jedoch abgelehnt.
  • Haushaltsarbeit wird als Restaufgabe bezeichnet (nur eine Frage der Organisation) und
    gleichzeitig vermitteln Service-Unternehmen genau hierfür Arbeitskräfte!
  • Mädchen sollen in Männerberufe. Wo bleibt die Forderung nach Jungen in Frauenberufe?
  • Gleicher Lohn für gleiche Arbeit wird in der Erwerbsarbeit gefordert. Tagesmütter dagegen
    bekommen nur ein Taschengeld. Ebenso Mütter für die Nachmittagsbetreuung in den Schulen.
  • Die traditionelle Familie wird von vielen kritisiert und totgesagt, bei der Fremdbetreuung
    jedoch sind familienidentische Verhältnisse Bedingung. (Betreutes Frühstück, altersgemischte
    Gruppen)
  • Erziehungsarbeit isoliert Mütter, so die Ideologen. Heimarbeitsplätze sollen die Arbeitsplätze
    der Zukunft sein. Isolieren diese nicht?
  • Zivil- und Wehrdienst wirken sich positiv auf die männliche Karriere aus. Erziehungsarbeitszeit
    hat nicht den gleichen positiven Effekt auf weibliche Karrieren.
  • In der Pflege, in den Kindergärten und in den Krippen- und Hortplätzen arbeiten überwiegend
    Frauen, das ist fortschrittlich. Die Erziehung der eigenen Kinder gilt als rückschrittlich.

    Die Forderung nach mehr Krippen- und Hortplätzen, deren Kosten zu einem hohen Prozentsatz die
    Allgemeinheit trägt, ist unumstritten, die Bezahlung der Erziehungsarbeit in der eigenen Familie
    gilt jedoch als nicht finanzierbar. Gleichzeitig werden im Bergbau, bei der Bahn, der Landwirtschaft, im Schiffsbau Arbeitsplätze mit bis zu 80.000 DM/Jahr subventioniert – 1996 insgesamt über 100 Mrd. Mark.

    Es wird hier sehr deutlich, daß es den einen Weg nicht geben kann. Wir sollten jedoch lernen, die verschiedenen Lebenskonzepte zu tolerieren und volle Wahlfreiheit über alles zu stellen.
    Nur über eine eigenständige Absicherung durch Familienarbeit ist die erforderliche Emanzipation möglich, weil nur so die finanzielle Abhängigkeit beseitigt wird.

    Finanzielle Abhängigkeit
    Obwohl wir durch unsere Erziehungsarbeit unsere gesamte Unterhaltspflicht erfüllen (§ 1360, BGB), werden wir bei Kindererziehung zu Unterhaltsempfängerinnen. Es wird so getan, als ob wir passiv seien, "ernährt" werden müßten und auch nichts zum wirtschaftlichen Kreislauf beitragen würden. Ein untragbarer Zustand in einer Zeit propagierter Gleichberechtigung und Partnerschaft. Hier wird deutlich, daß Geld Macht bedeutet.

    Diese Situation würde bei einem Gehalt für Familienarbeit völlig anders aussehen und hätte nicht zu unterschätzende Auswirkungen auf die Themen "Gewalt in der Familie" und Abtreibung.
    Wirtschaftliche Abhängigkeit verleitet leider immer wieder zum Mißbrauch einer Machtposition. Machtausübung kann finanzieller Art sein, – Frauen müssen um jeden Betrag regelrecht feilschen -, oder auch körperlicher Art. Eine finanziell unabhängige Frau kann sich einem solchen Machtmißbrauch entziehen, eine abhängige Frau wird erst dann gehen, wenn sie körperlich und seelisch am Ende ist.
    Was das auf die Vorbildfunktion einer absichtlich "kleingehaltenen" Mutter für Auswirkungen hat, ist unschwer nachzuvollziehen. Kinder verlieren Vertrauen und Geborgenheit, sie werden unsicher und mißtrauisch und nicht selten üben auch sie später in ihren eigenen Familien wieder Macht und Gewalt aus. Ein Teufelskreis. Solange unsere Gesellschaft nicht die in der Familie geleistete Arbeit der Erwerbsarbeit gleichstellt, solange sind innerhalb einer Ehe Mütter und Väter nicht gleichgestellt. Das wiederum hat deutliche Auswirkungen auf die allgemeine Gleichstellung von Frauen und Männern.

    Emanzipation über Familienarbeit
    Die dhg-Forderung nach einem Gehalt für Erziehungsarbeit ist die weitreichendste. Sie ist in dieser Form auch notwendig, weil alles andere nicht zu einer eigenständigen Absicherung von Erziehenden führt und ihre Unabhängigkeit von Ehemann oder Sozialamt verhindert.
    Emanzipation über Familienarbeit ist möglich,

  • wenn wir teilhaben an dem, was wir erwirtschaften.
  • wenn wir auch innerhalb der Ehe gleichberechtigt über das Einkommen verfügen dürfen.
  • wenn wir ohne Nachteile frei zwischen Familien- und Erwerbsarbeit oder der Kombination von
    beiden wählen können.

    Das geht nur in Unabhängigkeit von Partner oder Sozialamt mit dem Gehalt für Familienarbeit.
    Auszüge aus dem Festvortrag zum 20jährigen Bestehen der Deutschen Hausfrauengewerkschaft im Europahaus Bad Marienberg 5.2.1999.

    Von Jaqueline Poetschke