20 Jahre „Trümmerfrauenurteil“ des Bundesverfassungsgerichts – Enteignung der Eltern hatte trotzdem Bestand

Am 7. Juli 1992 erfolgte ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 87, 1), das sich mit den Rentenansprüchen für Kinder betreuende Elternteile, also vor allem von Müttern, beschäftigte. Insofern ist der von den Medien geschaffene Bezug auf „Trümmerfrauen“ eher irreführend.
Die politische Bedeutung des Urteils liegt darin, dass das Bundesverfassungsgericht erstmals in einer vorher nicht gekannten Deutlichkeit auf die Enteignung der Eltern hinwies, die durch unsere Sozialgesetzgebung erzwungen wurde (Rn 127 – 129):

„Die bisherige Ausgestaltung der Rentenversicherung führt im Ergebnis zu einer Benachteiligung der Familie, namentlich der Familie mit mehreren Kindern. Die Familie, in der ein Elternteil zugunsten der Kindererziehung aus dem Erwerbsleben ausscheidet, nimmt im Vergleich zu Kinderlosen nicht nur Einkommenseinbußen hin, sie muss das gesunkene Einkommen vielmehr auf mehrere Köpfe verteilen. Wenn die Kinder in das Erwerbsleben eingetreten sind und durch ihre Beiträge die Alterssicherung der Elterngeneration mittragen, haben Eltern selbst eine geringere Rente zu erwarten.
Die Benachteiligung von Familien,…, wird weder durch staatliche Leistungen noch auf andere Weise ausgeglichen.“
Die Alterssicherung, die vor Einführung der Rentenversicherung von den eigenen Kindern gewährleistet wurde, ist gerade infolge des Zwangsversicherungssystems erheblich vermindert. Die Pflicht zur Zahlung von Versicherungsbeiträgen beeinträchtigt die finanzielle Leistungsfähigkeit der Kinder. Geldmittel, die sie ohne den Beitragszwang zum Unterhalt ihrer nicht mehr erwerbstätigen Eltern aufbringen könnten, werden ihnen entzogen und auf die Solidargemeinschaft übergeleitet, die sie zur Rentenzahlung an die Versicherten insgesamt verwendet.“

Im Gefolge des Urteils wurden zwar für ab 1992 geborene Kinder drei Erziehungsjahre (statt zuvor eines) bei der Rentenberechnung berücksichtigt.

Dazu der Stellv. Vorsitzende des Verbandes Familienarbeit e.V., Dr. Johannes Resch:
„Damit müsste ein Elternteil immer noch 15 Kinder erziehen, um auf eine Durchschnittsrente zu kommen. Es bleibt auch unbeachtet, dass für die Erziehungsarbeit im Gegensatz zur Erwerbstätigkeit kein Lohn oder Gehalt gezahlt wird. Auch heute noch müssen die Kinder in der Regel an Nur-Erwerbstätige ohne Kinder höhere Renten zahlen als an ihre eigenen Eltern.“

Trotz der Kritik des Bundesverfassungsgerichts blieb so die Enteignung der Eltern, die die Lebensfähigkeit der Familie immer weiter untergraben hat, bestehen.
Zwar hat das Gericht weitere Korrekturen angemahnt, hat es aber unterlassen, Fristen zu setzen. So ist eine verfassungsgerechte Behandlung der Familien bis heute unterblieben.
Ganz im Gegenteil: Durch das ab 2007 geltende Elterngeldgesetz wurde namentlich die 1992 besonders gerügte Benachteiligung der Mehr-Kind-Familie noch weiter ausgebaut, indem bei der Bemessung des Elterngeldes die Betreuung von älteren Kindern im Jahr vor einer Geburt als ŽNichtarbeit“ gewertet wurde.“ Es bestehe eine Kontinuität zwischen der Enteignung der Eltern durch die Rentenreform 1957 (siehe obiges Zitat aus dem Urteil) und der erneuten Abwertung der Erziehungsleistung durch das Elterngeldgesetz 2007.

Resch weiter: „Besonders zu kritisieren ist, dass das Elterngeldgesetz unterschiedliche Elterngruppen gegeneinander ausspielt. So werden gut verdienende Eltern mit erstem Kind gegenüber dem zuvor geltenden Erziehungsgeld massiv begünstigt. Die Ansprüche von Mehr-Kind-Eltern, von noch in Ausbildung befindlichen jungen Eltern und Hartz IV-Empfängerinnen und -empfängern wurden dagegen überwiegend halbiert oder ganz gestrichen“.

Damit werde eine „Oberschicht“, die etwa 20 Prozent der Elternschaft umfasse, regelrecht aus der Solidarität unter den Eltern „herausgekauft“, was von der Elternmehrheit finanziert werden müsse und das Bestreben um mehr Familiengerechtigkeit im Keim erstickt.

Resch stellt fest: „So ist auch zu erklären, dass unsere von einer gesellschaftlichen Führungsschicht und der Wirtschaft weitgehend gleichgeschalteten Medien das Elterngeldgesetz loben, obwohl es für die meisten Eltern gegenüber dem früheren Erziehungsgeld zusätzliche Nachteile gebracht hat. – Selbst kirchliche Einrichtungen wie Diakonie und Caritas stimmen in den Chor ein, der diese familienfeindliche Gesetzgebung für richtig hält (vergl. Pressemeldung des Verbandes Familienarbeit vom 7. Mai 2012).

Pressestelle Verband Familienarbeit e. V.
5. Juli 2012

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