Zum Betreuungsgeld: Briefe und Ergänzung (Fh 2010/2)

DIE EVANGELISCHE KIRCHE
Zuschrift zu: Der Streit um das Betreuungsgeld in Fh 1/2010

von Hannelore Herbel

Mit Erstaunen, aber auch verärgert, habe ich in der Ausgabe Fh 1/2010 die Pressemitteilung des Diakonischen Werkes Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz gelesen. Als langjähriges Mitglied des vffm wertschätze und achte ich die wichtige Arbeit dieses Verbandes sehr. Dem Mut, für Menschen und Familien einzustehen, die nicht zu den großen Lobbyisten unserer Gesellschaft gehören, gebührt mein größter Respekt. Diese Arbeit unterstütze ich gerne mit meiner Mitgliedschaft.
Ich bin aber auch Mitglied der Evangelischen Kirche und engagiere mich seit Jahrzehnten ehrenamtlich für Senioren, Jugend und Familien. Ich bin der Meinung, dass Kirche sich viel zu wenig zu wichtigen Themen in unserer Gesellschaft äußert. Die teilweise sehr einseitige Sichtweise und Position von Frau Kahl-Passoth kann und möchte ich so nicht nachvollziehen. Das Antwortschreiben von Dr. Johannes Resch auf die Pressemitteilung des DW Berlin-Brandenburg kann ich nur voll unterstützen. Mit spürbarer Kompetenz, unter Einbezug der notwendigen Blickwinkel, auch auf die Bedarfe, Rechte und Pflichten von Eltern, schenkt er den verschiedensten Sichtweisen Beachtung. Ich weiß von vielen Elternteilen, die diese Antwort voll unterstützen.
Ich weiß aber auch, dass viele Frauen und Männer nicht den Mut und die Kraft haben, sich zu diesem Thema mit eigener Meinung in der öffentlichkeit zu äußern! Viele junge Eltern – nicht nur in Bayern – möchten ihre Kinder in den ersten Lebensjahren selbst betreuen, diese selbst erziehen und heranwachsen sehen. Die Entwicklung einer Verantwortlichkeit für die eigenen Kinder, der Aufbau einer Bindungsfähigkeit des Kindes, sind für viele Eltern von heute eine besondere Herausforderung.

Anmerkung der Redaktion von Familienarbeit heute / Gesa Ebert:
Nachzutragen ist, dass sich auch der Präsident der Diakonie, Klaus-Dieter Kottnik, schon 2008 gegen ein Betreuungsgeld ausgesprochen hat. – Und in einer aktuellen Stellungnahme vom 09. 06. 2010 zu den Sparplänen der Regierung, in der die „eklatante soziale Schieflage der Sparpläne“ kritisiert wird, heißt es zum Elterngeld: „Nicht gestrichen wird der Sockelbetrag von 300 Euro bei dem Elternteil, das nicht erwerbstätig ist, das aber aufgrund der guten Einkommenssituation des Partners keine ‚Hartz-IV‘-Leistungen erhält. Hier wird die soziale Schieflage besonders deutlich: ‚Hartz-IV‘-EmpfängerInnen wird das Elterngeld zu 100 % gestrichen, gut verdienende Eltern bekommen weiterhin das volle Mindestelterngeld in Höhe von 300 Euro.“
Hier werden Sozialgeld-Beziehende gegen Familienfrauen/-
männer ausgespielt, denn letztere sind hier gemeint. Ist der Diakonie nicht bekannt, dass zwischen „‚Hartz-IV‘-Empfängern“ und „guter Einkommenssituation des Partners“ finanziell ein sehr weites Feld liegt? Gar nicht kritisiert wird in diesem Papier, dass der Höchstbetrag des Elterngeldes bei 1.800 Euro bleiben soll. Welchen Sozial- oder Gerechtigkeitsbegriff hat die Diakonie eigentlich?
Die Stellungnahme ist unterzeichnet von Präsident Kottnik sowie von Kerstin Griese, Vorstand Sozialpolitik, Diakonie Bundesverband. (K. Griese war bis 2009 Bundestagsabgeordnete der SPD und Vorsitzende des Familien-Ausschusses.)

BETREUUNGSGELD: 5 EURO PRO TAG
von Gertrud Martin

Erstens: 150 Euro Betreuungsgeld sind gedacht als Alternative zur Inanspruchnahme eines Krippenplatzes, der monatlich ca. 1.000 Euro kostet. Es steht der betreuenden Person zu, kommt also nur insofern „beim Kind an“, als dieses seine Mutter/Vater länger um sich haben darf. Ist das nix? Ist das Luxus? Ist das schädlich? Auch ein Migrantenkind unter drei Jahren lernt seine Muttersprache als Grundlage für eine Zweitsprache in diesem Alter am besten bei seiner Mutter.
Zweitens: Das Betreuungsgeld ersetzt nur ansatzweise das mit Einführung des Elterngeldes im zweiten Jahr weggefallene Bundeserziehungsgeld, das zuvor den untersten Einkommensschichten zustand.
Drittens: Das Betreuungsgeld bedeutet eine tägliche „Anerkennung“ elterlicher Zuwendung von 5 Euro. Dafür macht ein normaler Dienstleister keinen Finger krumm. Das heißt, dass auch Eltern, die nur ein Minimum leisten, damit nicht „überbezahlt“ sind. Und was sie mit dem Geld machen, ist allein ihre Sache. Im Grunde ist das Betreuungsgeld in dieser Höhe und der politische Streit darum eine zynische Beleidigung und Diskriminierung der Eltern. Weiter so, Deutschland!

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