Zukunft gestalten für unsere Kinder (Fh 2015/2)

Tagung auf Burg Rothenfels am Main
Bericht von Dr. Johannes Resch

Unter dem Titel „Zukunft gestalten für unsere Kinder“ veranstaltete der Verein „Verantwortung für die Familie“ Ende Juni 2015 anlässlich seines 20-jährigen Bestehens eine Jubiläumstagung.1) Dazu kamen etwa 250 Teilnehmer auf die Burg Rothenfels in Franken, darunter viele junge Eltern mit ihren Kindern. Der Verein ist eine Gründung der Psychologin Christa Meves, die ihre umfangreichen psychotherapeutischen Erfahrungen im Umgang mit Kindern in ca. 100 auch international weit verbreiteten Büchern niederlegte. – Ein Höhepunkt der Tagung war die Ehrung von Christa Meves anlässlich ihres 90. Geburtstags.

Die Ansichten und Empfehlungen von Christa Meves sind durch ihre persönliche Berufserfahrung im Umgang mit Kindern und Eltern geprägt und werden von ihr überaus engagiert vertreten. Daher ist es nicht erstaunlich, dass in ihren Ausführungen die Rolle der Eltern und besonders der Mütter für das Wohl der Kinder eine entscheidende Rolle spielt. Vor diesem Hintergrund wurde sie zwangsläufig zu einem Feindbild für alle Ideologen und Ideologinnen, die das Heil der Familienpolitik vor allem in der „Gleichstellung der Geschlechter“ sehen und weniger das Wohl der Kinder im Blick haben.

In der aktuellen Diskussion um die „Pädagogik der sexuellen Vielfalt“ in verschiedenen Bundesländern (Baden-Württemberg, Niedersachsen, Schleswig-Holstein u.a.) warnt sie leidenschaftlich vor einer Frühsexualisierung der Kinder und vor Verletzung ihres Schamgefühls, das auch als natürlicher Schutz gegen Missbrauch zu achten sei.

Aus Sicht des Verbands Familienarbeit e.V. ergibt sich einerseits in Vielem eine inhaltliche Nähe, z.B. wenn das Wohl der Kinder im Fokus steht. Es bestehen aber auch unterschiedliche, allerdings nicht unbedingt widersprechende, aber ergänzende Sichtweisen. Nach unserer Auffassung kommt die politische Dimension für die Familie bei Christa Meves etwas zu kurz. Es ist klar, dass in der Psychotherapie von Eltern und Kindern immer die individuellen Bedingungen und Probleme im Vordergrund stehen. Es gibt aber auch eine umfangreiche, vom Gesetzgeber geschaffene Diskriminierung der Eltern, die mehr oder weniger alle Familien beeinträchtigt. Das verschärft auch individuelle Belastungen aus anderer Ursache und erschwert deren Bewältigung. Hier ist nicht nur persönliche Beratung gefragt, sondern auch eine klare Thematisierung der für diese Diskriminierung verantwortlichen gesetzlichen Rahmenbedingungen, wie beispielsweise das Rentenrecht, das Elterngeldgesetz und vieles mehr.

Ein anderer Punkt ist die betont christliche Ausrichtung des Vereins. Es ist keine Frage, dass eine starke religiöse Bindung eine gewisse Immunität gegenüber wirklichkeitsfremden Ideologien schafft. Das zeigen gerade die geschichtlichen Erfahrungen in Deutschland im letzten Jahrhundert. Das gilt aber auch gegenüber den heute bei uns politisch vorherrschenden Ideologien des menschenverachtenden Profitstrebens von Teilen der Wirtschaft und des wirklichkeitsfremden und wissenschaftsfeindlichen Gender Mainstreaming. Religiöse Bindung ist daher auch heute eine unverzichtbare Quelle sinnvollen politischen Handelns. – Aber auf politischer Ebene müssen wir versuchen, alle Menschen anzusprechen, die eine gerechte Gesellschaft mit Achtung der Kindes- und Elterninteressen anstreben, nicht nur die, die sich betont religiös gebunden fühlen. Wenn wir uns am Grundgesetz orientieren, werden wir auch den christlichen Normen gerecht, die Grundlage zur Lebensfähigkeit der Familie sind.

Bei den Themen der Tagung selbst kam die familienpolitische Thematik durchaus zum Tragen. Nach den Begrüßungsworten des Vorsitzenden Dr. Horst Schetelig rechnete Karl-Heinz van Lier unverblümt mit den Versäumnissen der bisherigen und gegenwärtigen Familienpolitik der Bundesregierungen ab. – Ein Referat des Kinderarztes Dr. Rainer Böhm zeigte den Zusammenhang zwischen Belastungen in den ersten Lebensjahren einerseits und psychischen Störungen und Suchtverhalten im Erwachsenenalter andererseits auf. Dabei bedeute eine Trennung von den Bezugspersonen im Kleinkindalter eine durch den Anstieg des Stresshormons Cortisol messbare Belastung. In der kanadischen Provinz Quebec sei nach Einführung eines umfassenden Krippenprogramms nach einigen Jahren eine Zunahme von sozialen Defiziten bei den Kindern epidemiologisch nachweisbar gewesen. Die Entwicklung einer sicheren Bindung des Kindes sei in der Regel am besten von den Eltern sicherzustellen.

Anschließend setzte sich der Pädagoge Dr. Jürgen Fiedler mit den Gefahren der aktuell politisch angestrebten „invasiven Pädagogik“ auseinander, die das kindliche Schamgefühl verletze. – Der Jurist Prof. Gregor Kirchhof, Sohn des früheren Verfassungsrichters Paul Kirchhof, beleuchtete die Situation der Familie aus rechtlicher Sicht. Er erklärte rundheraus, dass es keinen gesellschaftlichen Bereich gebe, in dem das Grundgesetz stärker verletzt werde als gegenüber den Familien. – Pastor Jens Motschmann rundete das Bild aus theologischer Sicht ab.

Einen besonderen Abschluss bildete das Referat des Neurobiologen Prof. Manfred Spitzer. Er zeigte, wie heute durch neue Verfahren sogar der Lernerfolg von Kindern an Hand von Veränderungen im Gehirn bildlich dargestellt werden kann. Damit bestehen ganz neue Möglichkeiten zur Erforschung, unter welchen Bedingungen und Einflüssen Lernen am besten gelingt.

Aus Sicht unseres Verbandes bleibt zu hoffen, dass solche Verfahren nur dazu eingesetzt werden, um Lernprozesse im Interesse der Kinder zu verbessern und nicht dazu, wie Kinder möglichst erfolgreich im Sinne einer vorgegebenen Ideologie zu manipulieren sind.

Alles in allem war es eine Tagung, die ein klares und in vielen Punkten sachlich begründetes Gegenkonzept zur aktuellen Familienpolitik vorstellte. Es bleibt zu wünschen, dass in Zukunft unsere elternfeindliche Gesetzgebung, die sich doch nur zum Nachteil der Kinder auswirken kann, noch stärker in die Kritik gerät. Dazu kann auch die Vernetzung beitragen, die über das Bündnis „Rettet die Familie“ erfolgt ist, dem neben dem Verein „Verantwortung für die Familie“ auch unser Verband Familienarbeit e.V. angehört. Ungeachtet bestehender Unterschiede verbindet uns doch die Zielvorstellung einer Gesellschaft, die die Grundrechte der Eltern ernst nimmt, wie es unser Grundgesetz fordert. Das Referat von Gregor Kirchhof zeigte, dass wir davon noch sehr weit entfernt sind.

Fußnote:
(1) Programm und Tagungsmaterialien zum Download unter http://www.vfa-ev.de