Offener Brief an den Deutschen Städte- und Gemeindebund

16.02.2013

Offener Brief an den Deutschen Städte- und Gemeindebund (DStGB)

Sehr geehrter Herr Dr. Landsberg,

in einer Pressemeldung Ihres Verbandes vom 04. 02. 2013 wird behauptet, Deutschland zahle „eines der höchsten Kindergelder in Europa“. Es wird dafür plädiert, diese Gelder in Ganztagsschulen und Kita-Plätze zu investieren, um die Kommunalhaushalte zu entlasten. Diese Behauptungen lassen ein schockierendes Maß an Unkenntnis der wirklichen sozialen Verhältnisse in Deutschland erkennen.

Der Existenzminimumbericht der Bundesregierung vom 07. Nov. 2012 (Übersicht 6 auf S. 9) beziffert das jährliche Existenzminimum eines Kindes auf 7008 €. Das jährliche Kindergeld für das erste und zweite Kind beträgt 2208 €. Das sind 31,5 % des Existenzminimums und damit etwa der Betrag, den Eltern mit Durchschnittsverdienst an Einkommens- oder Lohnsteuern auf das Existenzminimum ihrer Kinder bezahlen. So ist das Kindergeld die Rückzahlung von Steuern, weil das Existenzminimum von Kindern wie bei Erwachsenen auch schon vom Grundgesetz her steuerfrei bleiben muss.

Aber selbst bei den weniger verdienenden Eltern ist der restliche Anteil des Kindergeldes (das „echte Kindergeld“) meist geringer als die Verbrauchssteuern (Mehrwertsteuer, Stromsteuer), die auch auf die Kinderkosten erhoben werden. So ist bei fast allen Familien das Kindergeld geringer als die gesamten Steuern, die Eltern wegen ihrer Kinder zusätzlich bezahlen müssen.

Im Übrigen bleibt völlig unbeachtet, dass alle tatsächlichen und vermeintlichen Leistungen des Staates für die Familien zusammengenommen nur einen Bruchteil dessen darstellen, was die Eltern für den Bestand und die soziale Sicherheit der Gesellschaft leisten. Dieses Missverhältnis ist Ursache der zunehmenden Verarmung der Familien und damit auch Ursache ihrer abnehmenden Erziehungsfähigkeit.

Die Presseerklärung Ihres Verbandes erstaunt durch die Erkenntnis, dass sich sogar hohe Funktionsträger der Kommunen durch eine irreführende Begrifflichkeit (Kindergeld statt Steuerrückerstattung) täuschen lassen und eine staatliche Familienförderung unterstellen, obwohl Eltern wegen ihrer Kinder tatsächlich zusätzlich besteuert werden.

Würde der in der Pressemeldung des DStGB gemachte Vorschlag verwirklicht, hieße das, dass sogar das Existenzminimum der Kinder versteuert werden müsste, also nur noch das Existenzminimum der Erwachsenen aufgrund des Grundfreibetrages steuerfrei bliebe. Damit würde die Lebensfähigkeit der Familien grundsätzlich einer Sanierung der Kommunalhaushalte untergeordnet.

Wir haben durchaus Verständnis für die prekäre Finanzsituation vieler Städte und Gemeinden. Es kann aber in keinem Fall gerechtfertigt sein, eine Sanierung der Kommunalhaushalte auf Kosten der Existenzfähigkeit von Familien anzustreben. Schließlich sind funktionierende Familien auch die Grundlage funktionierender Kommunen.

Zudem fordern wir den Deutschen Städte- und Gemeindebund auf, nicht nur die Geldströme zu betrachten, die vorgeblich oder auch tatsächlich den Familien zufließen, sondern im Gegenzug auch die Geldströme in Rechnung zu stellen, die infolge der elterlichen Erziehungsleistung zur staatlichen Gemeinschaft zurückfließen. In dieser Bilanz, gibt es gar keine Förderung der Familien durch den Staat, sondern der Staat lebt von der Unterstützung durch die Familien. Das gilt nicht nur für die Gesamtheit der Gesellschaft, sondern auch für jede Stadt und jede Gemeinde.

Die deutschen Kommunen sollten daher der Versuchung widerstehen, ihre Haushalte auf Kosten der Familien sanieren zu wollen. Jede weitere wirtschaftliche Schwächung der Familien geht zu Lasten ihrer Erziehungsfähigkeit. Zu glauben, dies sei durch kommunale
Betreuungseinrichtungen zu kompensieren, ist entweder blauäugig oder zynisch. Jede Einsparung auf Kosten der Familien wird in Form zusätzlicher sozialer Lasten auf die Kommunen zurückfallen.

Kommunen und Familien sollten zusammen dafür eintreten, dass die Lebensgrundlagen der Familien nicht immer weiter zugunsten einer auf kurzfristigen Profit ausgerichteten wirtschaftsorientierten Politik zur Disposition gestellt werden.

Mit freundlichen Grüßen
Gertrud Martin
Vorsitzende des Verbands Familienarbeit e. V.

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